Im Fokus: Stadtentwicklung

Bio-Lampen und Stadtwind-Turbinen

Lichtverschmutzung in Städten kostet immer mehr Insekten das Leben. Ein Start-up hat nun eine Lampe entworfen, die mit Biolumineszenz weniger aggressiv leuchtet. Eine andere smarte Erfindung sind Windturbinen, die Stadtwind in erneuerbare Energie umwandeln. Wir stellen sie vor.

Weg mit dem Lichtsmog

Laut dem Weltatlas der Lichtverschmutzung lebten im Jahr 2016 mehr als 80 Prozent der Weltbevölkerung unter einem lichtverschmutzten Himmel. Heute muss man von einem viel höheren Wert ausgehen. Denn britische und französische Forschende haben herausgefunden, dass die Beleuchtung unseres Planeten jährlich um etwas mehr als zwei Prozent zunimmt.

Licht ist harmlos? Nein. Zu viel Licht schadet nicht nur dem Schlaf und damit der mentalen Gesundheit von Menschen, sondern schädigt vor allem die Fauna. Straßenbeleuchtung zum Beispiel (etwa 20 Prozent der globalen Lichtverschmutzung) lockt nachtaktive Insekten aus ihrem natürlichen Lebensraum. So kann laut einer Studie der Universität Mainz eine einzige Straßenlaterne das Leben von 150 Insekten in einer Nacht kosten.

Das französische Start-up Glowee hat eine Alternative entwickelt. Es züchtet kleine, im Wasser lebende Bakterien, die in der Natur etwa in Glühwürmchen oder bestimmten Fischen und Quallen zu finden sind. Die Bakterien enthalten das Enzym Luciferase, das mit gasförmigem Sauerstoff oxidiert und dabei Energie freisetzt. Diese Energie lässt die Bakterien leuchten: Das nennt sich Biolumineszenz.

Bio-Lampen schimmern sanft von Bakterien. Foto: O-Innovations Limited

Seit 2019 testet Glowee die „Bio-Lampen“ in einem Forschungsprojekt in der französischen Gemeinde Rambouillet. Die im Projekt „Glowpolis“ eingesetzte Beleuchtung erzeugt ein angenehm türkises Licht, das den Energieverbrauch und die Lichtverschmutzung einer Stadt reduzieren könnte. Denn das sogenannte kalte Licht, das durch Biolumineszenz entsteht, wirkt weit weniger anziehend auf Insekten als aggressives LED-Licht. Andererseits bräuchte diese neue Art der Straßenbeleuchtung langfristig eine Leuchtkraft von 25 Lumen pro Quadratmeter, um öffentliche Plätze ausreichend zu beleuchten – derzeit sind es nur 15 Lumen. Ein weiteres Problem: Die Bakterien müssen mit Hefe und Frischwasser gefüttert werden, um sich vermehren zu können.

Dennoch blickt Sandra Rey, Geschäftsführerin von Glowee, optimistisch in die Zukunft: „Wir könnten die bisherige Beleuchtungstechnik vollständig durch Biolumineszenz ersetzen“, sagt sie in einem ZDF-Interview. Das gelte nicht nur für Straßenlaternen, sondern auch für Reklame oder Nachtlichter in einem Kinderzimmer. Das Unternehmen forscht außerdem daran, die Lebensdauer der bakteriellen Laternen zu verlängern und die Lampen kreislauffähig zu machen.

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Fangt den Stadtwind

Durch die Siedlungen aus Beton pfeift es, schnelle Luft wirbelt um die Ecken, knallt an Fenster. „Chaotischen Wind“ nennen Nicolas Orellana und Yaseen Noorani das. Ihr Start-up O-Innovations hat eine Turbine entwickelt, die ihn im urbanen Raum einfangen und damit grünen Strom erzeugen soll.

Er wird dringend gebraucht: Städte fressen laut UN etwa 75 Prozent der weltweit erzeugten Energie. „O-Wind ist die erste Turbine, die sowohl horizontale als auch vertikale und diagonale Luftströme nutzen kann“, sagt Erfinder Orellana. Egal ob auf Dächern und Balkonen, an Hausfassaden oder in Parks.

Den Stadtwind nutzen mit Turbinen für Dächer und Parks. Foto: Creative Commons / Dinesh Valke

O-Wind sieht aus wie ein futuristischer Origami-Lampion, eckig und rund zugleich. Umhüllt von Schächten mit großen Eingängen und kleinen Ausgängen kann der Wind aus jeder Richtung eintreten. Im Inneren entsteht dabei ein Druckunterschied – und die Turbine setzt sich in Bewegung.

Noch steckt sie allerdings in der Testphase. Seit Dezember 2022 läuft ein Pilotprojekt in Lancaster mit einer 70 Zentimeter großen Turbine. Ende 2023 soll eine Demo in London folgen, mit einem 2,2-Meter-Modell für öffentliche Räume und anschließender Serienproduktion im Frühjahr 2024. Unter idealen Windbedingungen und angeschlossen an ein Batteriesystem könne solch eine 2,2-Meter-Anlage genug Energie erzeugen, um einen britischen 2- bis 3-Personen-Haushalt zu versorgen.

Das Team von O-Innovations ist in Kontakt mit Stadtverwaltungen, auch an private Grundstückseigentümer:innen will es sich wenden. „Wenn wir O-Wind einfach nur verkaufen würden, werden einige Kund:innen möglicherweise nicht die Energiemenge erhalten, die sie erwarten“, erklärt Orellana. Denn die Leistung hängt extrem von den Windverhältnissen ab. Ohne Berechnungen und passende Ausrüstung sind die schwer einzuschätzen.

Jetzt ermittelt das Team geeignete Standorte in verschiedenen Städten und wird dann die Verwalter:innen dieser Orte ansprechen. Auch wenn eine „leichte Brise“ ausreiche, um die Turbine zu aktivieren – viel Energie wird sie nur an windigen Tagen produzieren können. Städte in Küstennähe bieten sich also an. Aber auch dort werden Speichermedien der Schlüssel zur Energieautarkie sein: Mit ihnen lassen sich sommerliche Flauten überbrücken.

Foto: Unsplash / Benni Talent

Hell beleuchtete Städte können unserem Schlaf schaden.

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