„Straße der Skulpturen“ im Saarland

Schillernde Zeichen des Friedens

Auf der „Straße der Skulpturen“ im Saarland wandert man durch Kunst. Der Weg ist Teil eines europäischen Völkerverständigungsprojekts.

Ein spitzer, rot-brauner Pfahl ragt sieben Meter hoch in den Himmel über dem St. Wendeler Land. Der hessische Künstler Bruno K. hat den Rotdorn – Pfahl im Fleisch 1981 aus altem Eichenholz, Eisenplatten und Blech geschaffen und in eine Talsenke zwischen lieblich-grüne Hügel gesetzt. Die Senke liegt knapp 50 Kilometer von der französischen Grenze entfernt auf dem Saarland-Rundwanderweg. Das 17 Kilometer lange Teilstück zwischen St. Wendel und dem Bostalsee ist eine „Straße der Skulpturen“: 51 Kunstwerke säumen die Route, manchmal direkt am Weg, manchmal etwas abseits.

Außerhalb der Stadt führt der Weg durch Wiesen und Wälder, durch Anhöhen und Täler, vorbei an Skulpturen aus Granit, Marmor, gelbem und rotem Sandstein aus den Steinbrüchen der Region. Einige fügen sich harmonisch in die Landschaft ein, andere, wie Robert Schads neun Meter hohe, ineinander verschlungene, rostrote Stahlstäbe, kontrastieren in Form und Farbe mit der grünen, sanften Umgebung.

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„Straße der Skulpturen“: Weg durch eine der europäischsten Regionen des Kontinents

Viele Wanderwege des Saarlandes bieten großartige Ausblicke in die dünn besiedelte Landschaft. Die wenigen Wanderer kommen oft aus Frankreich, Luxemburg oder Belgien. Das „Europa der Regionen“ ist Alltag in der Großregion Saar-Lor-Lux (Saarland, Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz und das belgische Wallonien). Viele Menschen leben im einen, arbeiten im anderen Land, haben Freunde, besuchen Vereine, Schulen, Supermärkte jenseits der Grenze. Umso größer war der Schock, als zu Beginn der Corona-Epidemie die Grenzen zu Frankreich und Luxemburg größtenteils geschlossen wurden.

Lange war das Saarland mit seinen reichen Kohle- und Erzvorkommen politischer Spielball zwischen Frankreich und Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand es bis 1957 unter französischem Protektorat. In der Nachkriegszeit begann hier allmählich die Aussöhnung der jahrhundertelangen „Erbfeinde“ Deutschland und Frankreich; aus der Montanunion von 1952 entwickelte sich die heutige Europäische Union. Heute gehört das Saarland zu den wohl europäischsten Regionen des Kontinents, europäische Gemeinschaft ist hier keine Bürokratentheorie, sondern Teil der DNA der Region.

„Straße des Friedens“ mit Skulpturen

Von Beginn an war die „Straße der Skulpturen“ ein völkerverbindendes Projekt. 1971/72 trafen sich 15 Künstler aus sechs Ländern bei einem ersten saarländischen Bildhauersymposion zwischen St. Wendel und Baltersweiler und bearbeiteten Steine, die der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust organisiert und in die Landschaft hatte setzen lassen. Kornbrust wollte eine Idee des jüdischen Künstlers Otto Freundlich realisieren, der Anfang des 20. Jahrhunderts zur Avantgarde gehörte und 1943 im KZ ermordet wurde: Eine „Straße des Friedens“ mit Skulpturen von der Normandie bis nach Moskau.

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Heute ist sie Realität, mit großen Lücken, die jedoch stetig gefüllt werden. Die „Straße des Friedens“ verbindet 50 Teilstrecken. Zum Beispiel die „Steine an der Grenze“, auch im Saarland, Skulpturenstraßen in Luxemburg, Salzgitter, in den Niederlanden und Polen. Manchmal tragen Künstlerinitiativen, manchmal Friedenszentren oder eben Künstler auf Bildhauersymposien Skulpturen bei. Cornelieke Lagerwaard, Leiterin des Museums St. Wendel und Vorsitzende des Vereins Straße des Friedens: „Viel Engagement ist auch von der Politik abhängig. Aktuell passiert wenig in Polen, dafür umso mehr in den Niederlanden.“

Anfassbare Objekte

In den 1970er- und 80er-Jahren thematisierten die Künstler oft die Ost-West-Teilung. Leo Kornbrust war die Verbindung von Kunst und Natur wichtig. Die Objekte sollten für jeden anfassbar oder begehbar sein. Wanderer können es sich hoch oben auf seiner Skulptur Liebesthron bequem machen und die Landschaft betrachten.

Von St. Wendel aus kommend, taucht kurz hinter dem Rotdorn die Baltersweiler Höhe auf. Der graue Sonnenstein des Japaners Hajime Togashi und Gernot Rumpfs Gedenkstein an ein Grubenunglück von 1971, der an einen Riesenpilz aus rotem Sandstein und Aluminium erinnert, markieren den Zugang zum Symposiongelände. Hier stehen die Skulpturen auf dem Wanderweg nah beisammen. Bei Sonnenschein schillern einige Steine, andere reizen durch das Spiel der Schatten, mit Durchbrüchen oder ihrer Lage in der Landschaft.

Kurz hinter der „Straße der Skulpturen“ liegt der Bostalsee mit seinen Strandbädern und Wassersportangeboten, die Gasthäuser der Region bieten saarländische Kartoffelgerichte wie Dibbellabbes oder Hoorische. Das gibt Kraft für eine besondere Tour weiter durch Europa: Über den Jakobsweg führt der Weg über Saarbrücken ins lothringische Metz mit seiner wunderschönen Altstadt und der saftigen Quiche Lorraine.

Bild: Josef Bonenberger

Die Straße der Skulpturen im Saarland ist ein europäisches Kunst- und Friedensprojekt.

Jeannette Villachica

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