Ein Schildermeer vor dem Reichstagsgebäude, massenhaft Online-Botschaften und Promi-Unterstützung: Auch mitten in der Corona-Krise fordert die Klimabewegung Fridays for Future rund um den Globus einen entschlossenen Kampf gegen den Klimawandel. Eigentlich machen sie freitags auf der Straße auf sich aufmerksam – das ist zur Zeit aber kaum noch irgendwo möglich. Also wurden die überwiegend jungen Aktivisten kreativ: In Berlin, Hamburg, Hannover und vielen anderen Städten legten sie ihre Schilder diesmal auf den Boden, statt sie durch die Innenstädte zu tragen.
Deutschland steht im Fokus, denn von hier aus werden kommende Woche internationale Klima-Gespräche organisiert, an denen neben Kanzlerin Angela Merkel auch UN-Generalsekretär António Guterres teilnimmt. Das Thema: „Nachhaltige Krisenbewältigung”, also die Frage, wie die Welt aus der Corona-Krise „krisenfester und klimaverträglicher” hervorgehen kann, wie das Bundesumweltministerium mitteilte. Der Petersberger Klimadialog findet normalerweise in Berlin statt, diesmal ist er aber eine Videokonferenz.
Klimastreik: Protestierende in aller Welt
Die 17-jährige Schwedin Greta Thunberg, Initiatorin und Star der Bewegung, verbreitet am Freitag Twitter-Botschaften ihrer Mitstreiter in aller Welt. Sie kamen aus Russland, Indien, Bangladesch, Australien, Japan und vielen europäischen Ländern. Die Botschaften auf ihren Schildern: „Handelt jetzt!”, „Wir haben keine Zeit!„ und vor allem „Bekämpft jede Krise!” – gemeint ist damit, über die Corona-Krise unter anderem den Klimawandel nicht zu vergessen. Auch die Schilder vor dem Reichstagsgebäude bildeten den Schriftzug „Fight every crisis„, das Motto des Tages auf Englisch.
Für Thunberg ist es schon die 88. Woche ihres freitäglichen Klimastreiks. Diesmal stellte sie kein Foto von sich ins Netz – nur ein Bild ihres bekannten „Schulstreik fürs Klima”-Schildes sowie ihres typischen Mantels samt Schuhen. Das Foto war an ihrem Protestort vor dem Reichstag in Stockholm aufgenommen worden.
Auch bei Good Impact: Fridays-for-Future-Aktivistin Franziska Wessel – „Die Klimakrise ist kein Sprint, sondern ein Marathon”
Unterstützung bekamen die Aktivisten von Promis und Wissenschaftlern. Selbst Forscher in den entlegensten Regionen der Erde beteiligten sich: Sowohl aus der Arktis als auch aus der Antarktis posierten Wissenschaftler für Fotos, um mehr Klimaschutz zu fordern. „Unsere Forschung liefert die Fakten, jetzt ist es an der Zeit, zu handeln!”, schrieb eine Meeresbiologin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, Melanie Bergmann, zu den Aufnahmen. Die Ratschläge der Wissenschaft zum Klima müssten ebenso befolgt werden wie epidemiologische Daten im Kampf gegen das Coronavirus.
An einem Livestream von Fridays for Future in Deutschland beteiligten sich unter anderem Schauspielerin Katja Riemann, die vor dem Bundestag mitmachte, sowie Sänger Clueso, Sängerin Lena Meyer-Landrut und Moderator und Arzt Eckart von Hirschhausen. Die bekannteste deutsche Aktivistin von Fridays for Future, Luisa Neubauer, sagte, trotz Corona bleibe der Klimawandel „die große Gefahr für die Menschheit”, auch wenn die Menschen gerade „verständlicherweise” abgelenkt seien. Sie warnte davor, dass Wirtschaftsinteressen – etwa die der Auto-Industrie – im Schatten der Krise durchgesetzt werden könnten, ohne den Klimaschutz zu beachten.
Konjunkturprogramme für klimafreundliche Technologien nutzen?
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze, Umweltverbände, aber auch Unternehmen und Gewerkschaften fordern, Konjunkturprogramme zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu nutzen, um klimafreundliche Technologien voranzubringen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die Umweltauflagen und Klimaschutz-Pläne in Frage stellen. In der EU gibt es Widerstand gegen die geplante Erhöhung der CO2-Einsparziele. Der Weltklimagipfel, der im November in Glasgow stattfinden sollte, wurde aufs kommende Jahr verschoben.
Umso mehr Druck wollen die Fridays-for-Future-Aktivisten machen, wenn auch unter erschwerten Bedingungen beim globalen Klimastreik. „Wir sind noch da”, war auf einem Plakat vereinzelter Demonstranten zu lesen, die mit Mundschutz und Sicherheitsabstand vor dem Nürnberger Ratshaus standen. Anderswo hingen Plakate und Banner aus den Fenstern. Kreidebotschaften auf Straßen und an Brücken sollten die Forderungen der jungen Leute ebenfalls sichtbar machen.
Nicht ganz rund lief es für die Aktivisten beim Klimastreik in Stuttgart – dort kassierten sie Anzeigen der Polizei. Denn einige Teilnehmer sollen in Gruppen mit mehr als zwei Leuten unterwegs gewesen sein. Dies sei ein Verstoß gegen die Corona-Verordnung des Landes, teilte eine Polizeisprecherin mit. Zudem gab es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung: Demonstranten hatten mit Sprühfarbe, die nur schwer wieder zu entfernen sei, Botschaften auf die Straße geschrieben.
Tausende selbstgemalte Plakate statt Menschen beim globalen Klimastreik vor dem Reichstag.