Start ins Studium trotz Corona

Alles muss auf einmal digital funktionieren

Der Studienbeginn markiert eine neuen Lebensabschnitt. Doch dieser beginnt wegen der Pandemie außergewöhnlich. Eine Abiturientin erzählt, wie es ihr und ihren Freunden, die bereits studieren, geht.

Wer kurz vor dem Abi steht oder mittendrin steckt, hört immer wieder die gleiche Frage: „Weißt du schon, was du danach machst?“ In einer anderen Zeit wusste ich es tatsächlich. Geld verdienen, reisen, studieren. Das war mein Plan, als ich im Juni 2019 mein Abizeugnis in der Hand hielt. Klingt einfach. Ist es normalerweise auch.

Jetzt, ein Jahr später, scheint das fast utopisch. Ich habe in der Zwischenzeit ein bisschen Geld gespart. Aber angesichts geschlossener Grenzen weltweit wird es schwieriger, meine Reisepläne umzusetzen. Wie auch, wenn selbst Treffen im Park oder am See in einer größeren Gruppe gerade nicht möglich sind. Neuerdings spielen ja sogar die Grenzen der Bundesländer wieder eine Rolle.

Reisen bildet, aber wie bildet man sich, wenn man nicht reisen darf? Zum Glück gibt es noch das Studium. Wegen Corona weiß ich nicht, unter welchen Bedingungen ich an die Uni gehen werde. Wenn alles losgeht, werde ich dann montags um zehn Uhr in einem Hörsaal sitzen oder eine Videokonferenz von zu Hause aus besuchen? Werde ich Mitstudent*innen nur online kennenlernen oder doch persönlich? Werde ich in der Unibibliothek lernen können oder muss ich mich auf meinen Schreibtisch beschränken?

Zu Schulzeiten hätte ich von solchen Unterrichtsstunden geträumt

Einige meiner Freunde haben ihr Studium bereits im vergangenen Jahr begonnen. Sie stehen jetzt vor solchen Fragen. Alles muss auf einmal digital funktionieren, über Zoom, WebEx oder Discord. Vorlesungen von zu Hause aus am Computer zu verfolgen, klingt für mich erstmal gut. Kein langer Fahrtweg, keiner sieht, ob man noch die Schlafanzughose trägt. Wenn das Internet ausfällt, hat man eine gute Ausrede, nicht an einem Videotutorium teilnehmen zu können. Zu Schulzeiten hätte ich von solchen Unterrichtsstunden geträumt.

Auch bei Good Impact: Globaler Alltag in der Pandemie

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Die Realität ist schwieriger. Unorganisierte Onlineklassen, mehr Ablenkung beim Lernen und fehlende Sozialkontakte in der Uni machen es schwer, das Sommersemester 2020 mit einem „normalen“ Semester zu vergleichen. Die Unis sind zum Teil mit der Situation überfordert, so entstehen weitere Probleme. Einige Bücher, die in der Unibücherei hätten ausgeliehen werden können und nun nicht online verfügbar sind, müssen jetzt gekauft werden.

Studienbeginn in der Corona-Krise: Ich freue mich darauf

Werde ich von all dem betroffen sein? Ich will mich für das Wintersemester 2020/21 bewerben. Doch momentan weiß niemand so richtig Bescheid. Auf der Webseite der Kultusministerkonferenz ist zu lesen, dass Termine „angepasst“ werden. Ich will an der Freien Universität Berlin studieren, aber als ich bei der Studenteninformation nachfrage, weiß man dort von nichts. Und jetzt?

Bis es soweit ist, habe ich noch Zeit. Auf dem Balkontisch wächst ein 1.500-Teile Puzzle, nachmittags beginne ich mit Freunden auf dem gemeinsamen Minecraft-Server Großbauprojekte (von denen, die wenigsten beendet werden) und danach ist Spieleabend mit der Familie. Begegnungen außerhalb der Wohnung fehlen mir. Warum also nicht mal wieder die alten Inlineskater aus dem Regal holen und mit Freunden eine Runde durch den Park düsen?

Da ich Politikwissenschaften studieren möchte, bereite ich mich jetzt schon ein bisschen darauf vor. Ich schaue viel mehr Nachrichten, auch abseits der Corona-Berichterstattung, verfolge Debatten online oder im TV. Außerdem wollte ich schon lange französisch lernen – und mache das nun endlich. Täglich nehme ich mir dafür eine Dreiviertelstunde. Wann diese seltsamen Wochen der Einschränkungen vorbei sein werden, weiß ich nicht. Das ist aber auch nicht wichtig, denn studieren will ich auf jeden Fall. Egal wie, egal wann. Ich freue mich darauf.

imago images / Rupert Oberhäuser

Der bei Semesterstart am 20. April verwaiste Campus der Ruhr-Universität Bochum (Symbolbild).

Charlotte Hirschfelder

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