Gastkommentar

Gebt den etablierten Marken eine Chance

Alte Strukturen in Unternehmen aufzubrechen, ist ein Kraftakt. Positives Konsumenten-Feedback ist deswegen enorm wichtig. Pauschale Greenwashing-Vorwürfe bringen nichts.

Transformation ist Schrittwerk. Es geht um nachhaltige Veränderung und nicht um kurzfristige Vollkommenheit. Viele kleine Schritte ergeben zusammen eine große Bewegung – mit dem Ziel, ein umweltfreundliches und klimaneutrales Leben zu führen. Aber wie schaffen wir es, auf diesem Weg alle mitzunehmen und wirklich soziale Innovation zu erreichen? Indem wir viele Social-Business-Start-ups gründen und hoffen, dass alle anderen Player aus dem Markt verschwinden? Ich denke nicht.

Neuartige Role Models

Soziale Unternehmen sind im Wandel starke Impulsgeber. Viele von ihnen zeigen, wie zeitgemäßes Wirtschaften funktionieren kann und machen den Etablierten so Marktanteile streitig. Konsumenten honorieren die smarten Produkte und Dienstleistungen und wenden sich von lange geliebten Marken ab. So entstehen Role Models der Nachhaltigkeit. Großen Unternehmen wird oft die Frage gestellt: „Ey, warum agiert ihr nicht auch so?“ Dabei werden häufig zwei Aspekte übersehen: Social-Start-ups können sicher vieles von Anfang an richtig machen. Aber, sie starten auch unbelastet. Sie müssen keinen Transformationsprozess in Gang bringen – und durchhalten.

Joko Weykopf ist Werber und Aktivist. Gemeinsam mit Jannes Vahl leitet er die Agentur Polycore.

Außerdem: Viele Social Entrepreneure sind auf ihrem Lebensweg an einen Punkt gekommen, an dem sie entschieden haben, die Dinge von nun an anders zu machen. Nachhaltigkeit gehört für sie dann zum Selbstverständnis. Hinter ihrer gewachsenen Unternehmung versammeln sich andere Menschen mit demselben Ziel. Heißt: Soziale Innovation aus Unternehmen heraus wird von Personen getrieben und dann von anderen weitergetragen. Das ist die aktuelle Problematik im Umgang mit etablierten Marken.

Auch bei Good Impact: Wie Social Entrepreneure unsere Zukunft gestalten

Persönlich greifbar für die Konsumenten

Social Businesses erzählen oft die Geschichte ihrer Gründer. Sie werden persönlich greifbar für die Konsumenten. Etablierte Marken werden als abstrakt wahrgenommen. Doch in diesen Unternehmen arbeiten auch Menschen, die den Wandel vorantreiben. Diese Menschen müssen sich behaupten, wenn sie Veränderung schaffen wollen. Gewachsene Strukturen aufzubrechen, den Kurs zu ändern, ist ein enormer Kraftakt. Kommt dann – nach großen Anstrengungen – doch eine neue Produktlinie etwa mit Fairtrade-Standards auf den Markt, beginnt aber oft eine Abwärtsspirale. Das Feedback der Konsumenten wird zum Bumerang: „Das macht ihr nur, weil ihr eure Kunden nicht verlieren wollt.“

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Nicht jeder Greenwashing-Finte auf den Leim gehen

Das kann durchaus sein, aber ich erlebe regelmäßig als Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur, wie viel Schaden diese Rückmeldung anrichtet. Sie führt zur Frustration bei den Vorkämpfern und erschwert wichtige weitere Schritte der Transformation.

Ich spreche nicht davon, jeder Greenwashing-Finte auf den Leim zu gehen. Es ist wichtig, dass wir als Konsumenten kritisch und wachsam sind und bleiben. Doch ist ein Prozess hin zur sozialen Innovation wirklich sozial, wenn wir die Schritte von Menschen in großen Unternehmen weniger wertschätzen als die von Social-Start-ups?

Illustration: imago images / ikon images

Joko Weykopf

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