Wortwahl

Wie sprechen wir über Antiziganismus?

Angehörige der Gruppen der Sinti:ze und Rom:nja wurden in Europa lange verfolgt, diskriminiert und ausgegrenzt. Bis heute halten sich rassistische Fremdbezeichnungen und auch Stereotype, die ausgrenzen. Wie kann eine diskriminierungsfreie Wortwahl gelingen?

Sinti:ze* und Rom:nja* leben seit dem späten Mittelalter in Europa. Über Jahrhunderte wurden Angehörige der Gruppen auf dem Kontinent verfolgt, vertrieben, waren rechtlos. Im Nationalsozialismus wurden schätzungsweise eine halbe Million Sinti:ze und Rom:nja ermordet. Bis heute sind sie in Deutschland struktureller und institutionalisierter Diskriminierung ausgesetzt. Stereotype verallgemeinern die heterogene Gruppe. Die Vorurteile sind kriminalisierend, manchmal romantisierend. Immer grenzen sie aus.

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Fremdzuschreibungen und alternative Wortwahl

All das beinhaltet der Begriff Antiziganismus. Er soll analog zu Antisemitismus wirken, auch manche Organisationen der Rom:nja und Sinti:ze verwenden ihn. Andere aus der Community lehnen das Wort ab. Denn darin steckt zigan – und letztlich das Z-Wort, die rassistische Fremdbezeichnung, die auch hier abgekürzt wird. Der Begriff Antiziganismus reproduziert dieses verletzende Wort indirekt – auch der abgekürzte Platzhalter tut es, wir denken es mit. Vermeiden und ersetzen lässt sich das Z-Wort durch „die rassistische Fremdbezeichnung gegenüber Rom:nja und Sinti:ze“. Und auch durch den Begriff Rassismus gegen Sinti:ze und Rom:nja beziehungsweise Antirom:njaismus, seltener Antisinti:zeismus. Andererseits geht es nicht um Ethnien, sondern um rassistische Fremdzuschreibungen und ein gesellschaftliches Konstrukt, was das Z-Wort verdeutlicht.

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Eine Alternative, bisher jedoch weniger bekannt, ist: Gadje-Rassismus. Das Wort Gadje bezeichnet auf Romanes, der Sprache der Sinti:ze und Rom:nja, all jene, die nicht der Minderheit angehören. Der Begriff Gadje-Rassismus soll zeigen, von wem der Rassismus ausgeht, ihn benennen und adressieren. Wie viele Menschen das sind, zeigt die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2020: Mehr als die Hälfte der Befragten glauben, Sinti:ze und Rom:nja würden zu Kriminalität neigen. Über 40 Prozent möchten nicht, dass sich Mitglieder dieser Gruppen „in ihrer Gegend aufhalten“. Darüber müssen wir sprechen – auch wenn uns für diesen Rassismus die Worte fehlen. 

*Weiblicher Plural: Sintize/Sinteze, Romnja, weiblicher Singular: Sintiza/Sinteza, Romni. Männlicher Plural: Sinti, Roma, männlicher Singular: Sinto, Rom. Außerhalb des deutschsprachigen Raums gilt Rom:nja als Sammelbegriff für die heterogene Minderheit.

Aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine haben wir einen Beitrag veröffentlicht, in dem es auch darum geht, wie du marginalisierte Gruppen wie Sinti:ze unn Rom:nja in der Ukraine unterstützen kannst. Darin findest du auch weitere Adressen, Initiativen und Möglichkeiten, um den Menschen in der Ukraine zu helfen.

IMAGO / Pacific Press Agency

Die Flagge der Sinti:ze und Rom:nja bei einer Demonstration zum Gedenken an die Vernichtung von Sinti:ze und Rom:nja während des Nationalsozialismus: Nach dem Zweiten Weltkrieg endete zwar die Rassenverfolgung der Sinti:ze und Rom:nja, doch bis heute sind sie von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen. 

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