Das Wattenmeer und seine tierischen Bewohner zwischen Den Helder im Westen und Esbjerg im Norden kennen keine Grenzen. Für den Schutz des weltweit einzigartigen, sensiblen Ökosystems arbeiten die drei Anrainerstaaten Dänemark, Deutschland und die Niederlande schon seit mehr als vier Jahrzehnten eng zusammen. Ihre Bemühungen und Ziele hielten die Staaten in einem trilateralen Wattenmeerplan fest – vor 25 Jahren war das, am 22. Oktober 1997. Die Vereinbarung ist bis heute gültig. Einige Expertinnen und Experten sagen, der Wattenmeerplan habe auch den Weg für die Auszeichnung als Weltnaturerbe ab 2009 bereitet.
„Die große Leistung des Wattenmeerplans war es, dass die drei Länder damit bestimmten, welche Ziele sie für dieses ökologische System verfolgen wollen“, sagt Bernard Baerends, der Exekutivsekretär des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats. Er leitet seit 2019 das Sekretariat mit Sitz in Wilhelmshaven, das bei der Zusammenarbeit der Anrainerstaaten die Fäden zusammenhält.
Der Wattenmeerplan bilde eine Art Gerüst für die Naturschutzarbeit und das Zusammenleben im Weltnaturerbe Wattenmeer, erklärt Baerends. In dem Dokument sind elf Zielkategorien festgelegt: Von Salzwiesen über Wasser, Vögel, Meeressäugetiere bis hin zum Offshore-Bereich. Für jede Kategorie gibt es eine Beschreibung und Vorhaben, die umgesetzt werden sollen. Experten und Expertinnen bewerten regelmäßig, wie sich Arten und Lebensräume verändern.
Bei den Erfolgen kommen schnell die wachsenden Seehund- und Kegelrobbenbestände in den Sinn, die wie viele Arten intensiv überwacht werden. Durch den Schutz stieg der Seehundbestand nach verheerenden Staupe-Epidemien etwa in den 1980er-Jahren von einigen Tausend auf nun geschätzt rund 40.000 Tiere. Überhaupt ermöglichten die gemeinsamen Monitoringprogramme in den Ländern erst die Schutzmaßnahmen, wie Baerends sagt. Ähnliche Erfolge gebe es etwa bei Brutvögeln, Seegraswiesen und Muschelbänken.
25 Jahre nach dem Wattenmeerplan stehe der Lebensraum positiver da als damals, bekräftigt der Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, Hans-Ulrich Rösner. Aber es bestehe „weiterhin ein ganz, ganz starker Nutzungsdruck und auch ein Druck von neuen Nutzungen“. Auch eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums teilt auf Anfrage mit, es bleibe eine Daueraufgabe, Belastungen zu reduzieren, um den Zustand von Arten und Lebensräumen langfristig zu verbessern.
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Industrialisierung als Gefahr
Defizite sehen Bundesregierung und Naturschützer etwa bei den Rast- und Zugvögeln sowie bei einigen Fischarten. „Im Bereich Vögel haben wir durch die Einwanderung von Prädatoren auf die Inseln und Halligen doch erstaunlich viele Probleme eigentlich, trotz des an sich wirksamen Schutzes, den die Vogelwelt heute genießt“, erklärt Rösner. Große Defizite sieht er vor allem unter Wasser – also etwa bei den Fischbeständen. Doch das sei eine fischereirechtliche Frage.
Zuletzt rückte auch die zunehmende Industrialisierung an den oder innerhalb der Grenzen des Wattenmeers stärker in den Fokus: Neue Terminals für Flüssigerdgas (LNG), die geplante Erdgasförderung in der Nordsee vor der Insel Borkum und eine zusätzliche Ölförderung im schleswig-holsteinischen Wattenmeer sehen Umweltschützer als große Risiken für den Lebensraum. Wie passen solche Industrieanlagen zu dem im Wattenmeerplan vereinbarten Schutz des Weltnaturerbes?
Die Sprecherin von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) teilt auf Anfrage mit, dass die Öl- und Gasförderung in der Nordsee schon jetzt strengen Auflagen für den Meeres- und Naturschutz unterliege. Sie sagt aber auch: „Die aktuelle Entwicklung ist sowohl in ihren möglichen negativen Auswirkungen auf das Weltnaturerbe Wattenmeer aber auch bezüglich ihrer klimarelevanten Wirkungen und der einem angestrebten Ausstieg aus fossilen Energien gegenläufigen Entwicklung zu betrachten.“ Das Bundesumweltministerium setze sich dafür ein, dass diese Entwicklung mit Rücksicht auf die Umweltstandards «möglichst naturverträglich» geschehe.
Klimakrise bedroht Wattenmeer: Zusammenarbeit noch intensiver
Neben Fischerei, Industrialisierung und anderen Einflüssen fürchten Expertinnen und Experten noch eine weitere, viel größere Gefahr für den Lebensraum Wattenmeer, die heute noch viel stärker im Bewusstsein ist als noch vor einigen Jahren. „Über all dem schwebt letztendlich am Horizont die Gefahr des Meeresspiegelanstiegs“, sagt Rösner. Ein höherer Meeresspiegel könne dazu führen, dass das Wattenmeer mit seinem Wechsel von Ebbe und Flut insgesamt zerstört werde.
Beim Wattenmeersekretariat ist diese Gefahr erkannt: „Der Klimawandel berührt letztendlich alle Ziele des Wattenmeerplanes”, sagt der Vize-Exekutivsekretär Harald Marencic. Es gehe darum, das Wattenmeer bestmöglich an den Klimawandel anzupassen. „Wir müssen auf verschiedenen Ebenen handeln, um dem Klimawandel zu begegnen. Die Staaten wiederum überlegen, wie sie welche Maßnahmen umsetzen können – etwa bei den Salzwiesen, die wichtige CO2-Senken sind.“
Nach Angaben der Bundesregierung und des Wattenmeersekretariats beobachtet inzwischen die Unesco die verschiedenen Entwicklungen im Weltnaturerbe Wattenmeer genau. Sie hat demnach die Staaten aufgefordert, über die Entwicklungen im Wattenmeer zu berichten und zudem angekündigt, bald selbst einen Bericht vorzulegen.
Die Zusammenarbeit mithilfe des Wattenmeerplanes wird auch bei den deutschen Nachbarn positiv gesehen. Das dänische Wattenmeerzentrum in der Nähe von Ribe etwa hält die multinationale Kooperation in jeder Hinsicht für erfolgreich. „Diese Zusammenarbeit ist weltweit vorbildlich“, betont der Leiter des Zentrums, Klaus Melbye. Im Wattenmeer hätten Dänemark, Deutschland und die Niederlage etwas, auf das man gemeinsam aufpasse.
Wie genau die Länder ihre Zusammenarbeit in den nächsten Jahren ausrichten, soll Thema bei einer trilateralen Wattenmeerkonferenz Ende November in Wilhelmshaven sein. Alle vier Jahre treffen sich die Umweltminister der Staaten zu Beratungen. Auch eine Aktualisierung des Wattenmeerplans ist ein Teil dessen. „Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf das Weltnaturerbe Wattenmeer werden dabei sicher eine Rolle spielen“, heißt es aus dem Bundesumweltministerium. (dpa)