US-Wahl 2020

Was Joe Biden als Präsident anders machen würde

US-Präsident Trump hat internationale Verträge gekündigt, Verbündete verprellt und den Vorteil des eigenen Landes zur Maxime gemacht. Sollte es zu einem Machtwechsel in den USA kommen, wird ein radikaler Kurswechsel erwartet. Alles würde Demokrat Joe Biden aber nicht anders machen.

Vier Jahre lang hat US-Präsident Donald Trump mit seinem „America first“ die Weltordnung durcheinandergewirbelt. Nun deutet vieles auf eine Ablösung durch Joe Biden hin. Viele Verbündete erhoffen sich von dem 77-Jährigen einen radikalen Kurswechsel: eine US-Außenpolitik, die wieder auf internationale Verträge setzt und auf Zusammenarbeit statt Twitter-Tiraden, wirtschaftlichen Druck und Sanktionen.

Biden sagte noch vor der Wahl: „Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist, Sie können auf uns zählen.“ Allerdings würde er wohl auch nicht alles anders machen als sein Vorgänger.

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Das würde ein Machtwechsel zugunsten von Joe Biden bedeuten für …

Deutschland

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist auf einen Tiefpunkt abgesackt. Trump hat den Nato-Verbündeten und wichtigen Wirtschaftspartner Deutschland in erster Linie als Kontrahenten betrachtet. Die Bundesregierung wartet nun sehnsüchtig auf einen Neuanfang. Außenminister Heiko Maas spricht schon von einem „New Deal“. Dass mit einem Wechsel im Weißen Haus wieder alles gut wird, glaubt aber kaum jemand in Berlin.

Auch Biden würde auf eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben dringen und wahrscheinlich auch weiter versuchen, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland auszuhebeln. Auch der von Trump angekündigte Abzug von einem Drittel der 36 000 stationierten US-Soldat*innen wird wohl nicht wieder ganz rückgängig gemacht.

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Eins würde sich aber auf jeden Fall ändern: der Umgang miteinander. Gut möglich, dass Biden sehr bald nach einer Vereidigung im Januar Europa – und dann auch Deutschland – besuchen würde. Trump war kein einziges Mal in Berlin.

Europa

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt sich vor der Wahl vornehm zurück mit Sympathiebekundungen für den Kandidaten Biden. Aber sie beschrieb vorige Woche ziemlich exakt, was sie sich von einem US-Präsidenten in den nächsten vier Jahren wünscht: mehr Engagement für das regelbasierte multilaterale System, mehr Zusammenarbeit beim Klimaschutz und „zur Verteidigung unserer Werte“. Also alles, wo Trump nicht mitzog. Stattdessen klagte er, die EU sei nur gegründet worden, um die USA auszunutzen.

Biden will eine „respektierte Führungsrolle auf der Weltbühne“ einnehmen. Er bekennt sich zu enger Abstimmung mit Bündnispartner*innen, wie es im „Biden-Plan zur Führung der demokratischen Welt“ heißt. Enttäuscht dürften jene sein, die voll auf Trump setzten wie der Ungar Viktor Orban und der britische Premier Boris Johnson. Im Biden-Plan heißt es: „Zusammen können und müssen sich Demokratien gegen den Aufschwung von Populist*innen, Nationalist*innen und Demagog*innen stellen.“

Den Welthandel

Der schwierigste Punkt mit Trump war für die EU der ständige Handelsstreit. Die USA verhängten Strafzölle, die EU reagierte mit ähnlichen Maßnahmen. Trumps Drohung mit Autozöllen marterte insbesondere die deutschen Hersteller*innen. Dass der Konflikt ganz verfliegt, ist unwahrscheinlich. So rechnet niemand damit, dass Biden die US-Sonderzölle auf Importe aus Europa einfach aufhebt – weder die gegen Airbus wegen regelwidriger Subventionen noch die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Auch Joe Biden will, dass Amerikaner*innen mehr amerikanische Waren konsumieren.

„Als Präsident werde ich erst dann neue Handelsabkommen schließen, wenn wir in die amerikanischen Bürger investiert und sie für den Erfolg in der Weltwirtschaft gerüstet haben“, versprach er im Wahlkampf. Die Aussichten für die dringend notwendige Reform der Welthandelsorganisation WTO sind ebenfalls trübe – weil dafür zuerst die Streitigkeiten mit der EU und China beigelegt werden müssten.

Die Nato

Es kann nur besser werden: Mit diesem Satz lässt sich zusammenfassen, was ein Machtwechsel für die Nato bedeuten würde. Für das Verteidigungsbündnis waren die Trump-Jahre eine Schreckenszeit. Ohne Rücksicht auf die Folgen hatte er mehrfach Zweifel daran geweckt, ob die USA im Ernstfall ihrer Verpflichtung zum militärischen Beistand nachkommen würden. Hinzu kamen die nicht abgesprochene Ankündigung eines Rückzugs von US-Truppen aus Deutschland und andere Alleingänge. Zum Entsetzen der Alliierten drohte Trump sogar mit dem Austritt.

Mit Biden dürften Existenzsorgen vorbei sein. Der Demokrat gilt als überzeugter Transatlantiker. Die Nato bezeichnet er als „wichtigstes Bündnis in der Geschichte der Vereinigten Staaten“. Trotzdem gilt als wahrscheinlich, dass er an der Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben der Verbündeten festhält.

Die Weltordnung

Joe Biden will ausdrücklich weg von Trumps erratischen Alleingängen und zurück an den Konferenztisch. Er hat zum Beispiel einen „Globalen Gipfel für Demokratie“ angekündigt. Vor allem aber will er in wichtige internationale Abkommen zurück. Zu allererst ins Pariser Klimaabkommen, das die USA an diesem Mittwoch auf Trumps Wunsch verließen. Biden will eine klimaneutrale USA bis 2050. Damit ist er auf einer Wellenlänge mit der EU.

Auch das von Trump verworfene Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe soll gerettet werden. Wenn sich der Iran an alle Klauseln hält, will Biden wieder beitreten und es mit „hartnäckiger Diplomatie und Unterstützung der Partner stärken und ausweiten“.

China und Russland

Auf den erbitterten wirtschaftlichen Konkurrenzkampf mit China und die schwierigen Beziehungen zu Russland dürfte ein neuer US-Präsident keine großen Auswirkungen haben. «Ich denke, die größte Bedrohung für Amerika ist aktuell Russland, was Angriffe auf unsere Sicherheit und die Spaltung unserer Allianzen angeht“, sagt Biden. „Zweitens denke ich, dass China unser größter Wettbewerber ist.“

Wie Trump hat Joe Biden China immer wieder unfaire Subventionen, den Diebstahl geistigen Eigentums und Cyber-Angriffe vorgeworfen. Zur Politik Moskaus sagte er: „Wir müssen Russland für seine Verstöße gegen internationale Normen echte Kosten auferlegen und uns an die Seite der russischen Zivilgesellschaft stellen, die sich immer wieder mutig gegen das kleptokratische autoritäre System von Präsident Wladimir Putin erhoben hat.“ Doch will er das letzte große Abrüstungsabkommen mit Russland erhalten: den New-Start-Vertrag, der ohne Einigung mit Moskau nächstes Jahr ausläuft.

Bild: imago images / ZUMA Wire

Der US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, glaubt daran, dass er die Wahl gewinnt. Das verkündete er in einer Rede am 5. November.

Michael Fischer, Ansgar Haase und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

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