CO2-Bepreisung

Wenn Ökosysteme Rechnungen stellen

Dass der Verursacher eines Schadens auch für dessen Beseitigung aufkommt, gilt schon im Kindergarten. Dieses Prinzip ist Grundlage vieler Gesetze. Doch im Umweltrecht gibt es einige Lücken. Dadurch entstehen hinter den Kulissen zahlreiche Schäden für Ökosysteme und die Allgemeinheit – doch diese spiegeln sich nicht in den Kosten für Herstellung oder Konsum wider. Brauchen wir ein zweites Preisschild?

Der Skandal sorgte für einen Aufschrei: Amazon vernichtet massenhaft Retouren, selbst neuwertiger Produkte. Diese verschwenderische Praxis hängt damit zusammen, dass es sich für den Onlinehändler und seine Zulieferer wirtschaftlich nicht lohnt, Rücksendungen durch Mitarbeiter sortieren und aufbereiten zu lassen – dies wäre nämlich teurer als die Herstellung der Produkte selbst.

Kosten hinter den Kulissen

Doch stimmt diese Rechnung? Unter den aktuellen ökonomischen Bedingungen: ja. Doch dabei wird eine ganze Palette versteckter Kosten unterschlagen: die sogenannten negativen Externalitäten, auch negative externe Effekte genannt. Damit sind nachteilige Auswirkungen bei Herstellung oder Verbrauch gemeint, die der Verursacher jedoch nicht kompensiert, beziehungsweise derjenige der einen Vorteil erhält, nicht für alle anfallenden Kosten aufkommt. Man spricht daher von externen Kosten, die sich nicht im Produktionspreis niederschlagen.

Häufig betreffen diese Kosten Umwelt oder Gesellschaft. Je nach Produkt oder Prozess ist die Liste dieser Effekte lang bis schier endlos. Sie kann von Artensterben über Lärm bis zur Zerstörung von Korallenriffen reichen. Am Beispiel eines T-Shirts äußern sie sich in hohem Wasserverbrauch, Emissionen von Treibhausgasen und Chemikalieneinsatz – besonders verursacht bei Anbau und Produktion. Hand in Hand gehen auch soziale Faktoren: Arbeiter auf Plantagen und in Textilfabriken weltweit sind häufig hohen Schadstoffbelastungen ausgesetzt; bei außerdem vergleichsweise geringer Entlohnung.

Für die involvierten Unternehmen entstehen durch die beschriebenen Auswirkungen jedoch keine bis wenig Kosten. Vor allem, weil Ökosysteme negative Nebeneffekte wie Wasser- oder Luftverschmutzung nicht in Rechnung stellen. Zumindest nicht direkt, und nicht monetär. Kosten für Auswirkungen wie den Klimawandel trägt stattdessen die Gesellschaft als Ganzes.

„Externe Effekte sind Folge von Marktversagen“

„Externe Effekte sind Folge von Marktversagen“, erklärt Christian Berg, Honorarprofessor für Nachhaltigkeit und Globaler Wandel an der TU Clausthal, der sich im Rahmen seiner Forschung sowie als Politikberater der Frage widmet, wie eine Gesellschaft als Ganzes nachhaltiger werden kann. In diesem Zuge beschäftigt er sich auch mit negativen Externalitäten. Denn wird die öko-soziale Wahrheit hinter Produkten nicht abgebildet, führt das zu Ressourcenverschwendung, wie der Amazon-Fall beispielhaft zeigt. Außerdem verzerren externe Effekte die Preisbildung und damit den Wettbewerb: nicht nachhaltige Produkte können quasi zu Unrecht günstig angeboten werden.

„Dabei gibt es ein grundlegendes juristisches und moralisches Prinzip, das wir sogar schon Kindern im Kindergarten beibringen“, sagt Berg: „Wenn jemand etwas unordentlich gemacht hat, muss er es auch zurechtrücken.“ In anderen gesellschaftlichen Bereichen sei dieses Verursacherprinzip auch schon in Recht und Gesetz gegossen, wie beispielsweise bei der Haftung für verursachte Schäden. „Doch im Bereich der Umwelt besteht dringender Nachholbedarf.“

Wie viel kostet eine Tonne Treibhausgase?

Doch um negative Effekte internalisieren, also einpreisen zu können, müssen sie zunächst in Geld umgerechnet werden: Doch wie viel kostet beispielsweise eine Tonne Treibhausgas-Emissionen durch ein Kraftwerk? Oder ein Quadratkilometer zerstörtes Korallenriff? Das ist zum einen ein ethisches Problem – darf der Mensch Natur einen monetären Wert beimessen? Außerdem braucht man Übereinkünfte, was je nach Produkt als externer Effekt zählt. Und für welchen Zeitraum man entstehende Kosten veranschlagt – für 10…

Stetiges Wachstum, Effizienzsteigerung und Preisdumping geschieht auf Kosten unserer Umwelt. Doch unser Ökosystem hat längst die Rechnung gestellt.

Lea Jahneke

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