Manchmal hilft selbst der Griff zur Schokolade nicht mehr. Dann ist es da, das Stimmungstief. Schwere, graue Wolken vernebeln die Weltsicht und verhindern klare, positive Gedanken. Meine Seele hat leider manchmal eine Erkältung – unangenehm, aber es geht vorüber, das weiß ich mittlerweile. Dennoch interessiere ich mich für „Coping“-Strategien, wie die Bewältigung von Krisen jeglicher Art im psychologischen Jargon heißt. Das ist wie Sporttraining fürs Gemüt, auch wenn meine Disziplin manchmal zu wünschen übrig lässt. Ein Online-Programm des Get.On-Instituts, das meine Krankenkasse kostenfrei zur Verfügung stellt, soll mich nun gegen künftige Stimmungstiefs wappnen. Computer an und los – so einfach?
Auch bei Good Impact: Mit Angst und Stress besser umgehen
Als ich mich anmelde, kündigen sich in Form der beginnenden Corona-Krise Stimmungstiefs ganz anderer Dimension an. Auch wenn bei mir die Zeichen gerade auf Schönwetter stehen, kann dieses Training in der kommenden Zeit vielleicht noch ganz hilfreich sein. Das Versprechen des Programms: Es helfe mit praxisorientierten Übungen negative Denkspiralen zu durchbrechen, wenn der Stress überhandnehme. Es gelte, wieder schöne Routinen im Alltag einzubauen.
Überzeugend: Auch wenn es ein Online-Training ist, bin ich nicht ganz allein, sondern bekomme einen Berater zur Seite gestellt, der mir über die acht Lektionen hinweg Feedback gibt und dem ich sogar schreiben kann. Ein wenig mehr darf man hier also schon erwarten als bei einer simplen Mood-Tracker-App. Ungefähr im Wochenrhythmus solle man die Lektionen durcharbeiten, lese ich in der Einführung, bei Bedarf könne man sich aber auch mehr Zeit nehmen. Entscheidend sei, na klar, die Regelmäßigkeit.
Gleich zu Beginn soll ich in Lektion eins beschreiben, was mir gerade Stress bereitet. Etwas zögerlich fange ich an, einen Text in das vorgesehene Feld zu tippen. Nun, genau das verursacht mir ein wenig Stress. Wer liest das eigentlich? Was stand noch gleich in den Vereinbarungen zum Datenschutz, die ich mal wieder nicht gelesen hatte? Egal, nur Mut. Eine kleine Inspirationshilfe beim Formulieren bieten mir Jürgen und Nicole. Die beiden habe ich gleich am Anfang des Trainings kennengelernt, zwei „Dummy“-Persönlichkeiten, deren Musterantworten ich anklicken kann. Mit ihrer Hilfe versuche ich zu definieren, was mich gerade belastet, was ich in meinem Leben als wichtig erachte und welche Aktivitäten ich im Alltag stärken möchte. Welche Aktionen möchte ich zum Beispiel in den kommenden Tagen durchführen? Ich erstelle eine Wochenliste – und lege los: regelmäßig meditieren, Sport treiben, Kontakte pflegen (virtuell, versteht sich, oder am Telefon), Auszeiten für Lektüre und Schreibeinheiten zur Selbstreflexion einbauen. Fertig. Und jetzt einfach tun? Wenn es doch nur so leicht wäre, denke ich, während ich über einen geeigneten Motivationssatz grübele, der mich beim Training bei der Stange halten soll. Etwas skeptisch schließe ich die erste Lektion mit dem vorläufigen Fazit: Kaum nützlich. Bislang.
Am nächsten Tag habe ich einen Termin für ein Telefoninterview. Jede*r Teilnehmer*in wird am Beginn des Programms persönlich über Ablauf und Inhalte informiert. Alles nur pro forma, denke ich zunächst – und bin dann doch von dem angenehmen Gespräch überrascht. Zwei Eckpfeiler habe das Training, erklärt mir die Psychologin am anderen Ende der Leitung: positive Aktivitäten aufbauen und genießen und eine Bestandsaufnahme der Stressoren machen und schauen, wie man diese bearbeiten könne. Kleinschrittig – das ist das Zauberwort.
Ich berichte ihr von den Aktivitäten, die ich gerne in der nächsten Woche entfalten möchte, und sie bestätigt mir: alles wunderbar und absolut richtig! Aber um am Ende der Woche nicht enttäuscht zu sein, weil ich nicht alles erreicht hätte, solle ich versuchen, in noch kleineren Einheiten zu denken. Es sei schon viel gewonnen, wenn man ein bis zwei Ansätze aus dem Programm in seinen Alltag mitnehme. Um das Gefühl zu bekommen: Ich kann etwas gegen die grauen Wolken tun.
Ein Aha-Moment: nicht gleich in Woche eins alles ändern wollen, gnädiger mit sich sein, die kleinen Dinge schätzen lernen. Durchatmen. Das motiviert mich – aber hält dieses Gefühl auch an, wenn ich alleine vor dem Bildschirm sitze? Auf dem explodieren in den folgenden Tagen förmlich die Informationen: Ich schaue, höre, lese Nachrichten, verfolge beinahe ungläubig die Entwicklungen der Corona-Krise. Die Zeichen stehen auf Sturm – und das womöglich wochenlang, weltweit. Atemlos.
Dann, nach ein paar Tagen, beginne ich endlich, das Online-Tagebuch zu führen, das mir das Programm zur Verfügung stellt: täglich eine kurze Eintragung zur Stimmung und zu den positiven Aktivitäten, die mich durch den Tag bringen. Noch einmal durchatmen. Jetzt will ich es konkret wissen: Was kann ich für mich in der kommenden Zeit tun? Wochenlange Ausnahmesituation in der Welt vor meiner Tür – acht Wochen Trainingslager für meine gute Stimmung in den eigenen vier Wänden. Ich klicke auf Lektion zwei. Der Versuch ist es wert.
CONSTANZE FRÖHLICH
Constanze Fröhlich ist Redakteurin bei enorm und musste während des Schreibens über einen schönen Ratschlag nachdenken, den sie mal gehört hatte. Frage: Wie isst man einen großen Elefanten? Antwort: Stück für Stück. Also nicht zu viel auf einmal wollen und immer schön dranbleiben. Dann profitiert auch die Stimmung.Die Corona-Pandemie wirft immer wieder zwei große Fragen auf: Wie wirkt sich die Krise auf unsere Psyche aus und wie regeln wir nun alles auf digitalem Weg? Unsere Autorin Constanze Fröhlich hat sich mit beidem auseinander gesetzt und zum ersten Mal ein Online-Programm für mentale Gesundheit genutzt.