Social Entrepreneurship

„Frauen gründen anders – weil sie anders gründen müssen“

Frauen gründen besonders oft Social Start-ups. Warum ist das so? Und was kann unsere gesamte Wirtschaft davon lernen?

Fünf Männer, eine Frau – das ist statistisch gesehen das Verhältnis von Start-up-Gründer:innen in Deutschland. Laut dem Deutschen Startup Monitor 2021 des Bundesverbands Deutsche Startups werden gerade einmal 17,7 Prozent der Start-ups von Frauen gegründet. Besser sieht es bei allgemeinen Existenzgründungen aus: Laut KfW-Gründungsmonitor der KfW Bankengruppe sind dort immerhin 38 Prozent der Gründer:innen weiblich. Wo allerdings beinahe Gleichberechtigung herrscht, sind Social Businesses: Frauen gründen mehr als die Hälfte der Sozialunternehmen, nämlich 52,7 Prozent, wie es im aktuellen „Deutschen Social Entrepreneurship Monitor“ (DSEM) des Vereins Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) heißt. Auch der Bericht des Global Entrepreneurship Monitor über Social Entrepreneurship, eine weltweite Vergleichsstudie, stellte bereits 2015 fest: 45 Prozent der Sozialunternehmer:innen in Westeuropa sind weiblich – bei anderen Gründungen sind es mit 33 Prozent deutlich weniger. Noch stärker fällt das Ergebnis einer Studie von KfW Research für das Jahr 2017 aus, bei der junge Sozialunternehmen untersucht wurden, also solche, die nicht älter als fünf Jahre sind: 53 Prozent ihrer Gründer:innen waren weiblich – im Vergleich zu 40 Prozent bei anderen Jungunternehmen.

Social Entrepreneurship: Kooperation statt Wettbewerb

Woran liegt es, dass viel mehr Frauen Sozialunternehmen gründen? Und was kann unsere gesamte Wirtschaft davon lernen?

Die knappe Erklärung der KfW-Studie klingt nach traditionellen weiblichen Rollenzuschreibungen: Frauen hätten „häufiger ein soziales oder ökologisches Anliegen“. Ähnlich formulieren es die Autor:innen des Female Founders Monitor 2020 des Bundesverbands Deutsche Startups: „Gründerinnen sind stärker als Gründer durch übergeordnete Ziele motiviert und in der Green Economy und im Bereich Social Entrepreneurship besonders aktiv.“ Allgemein gelte: Purpose, also ein höheres Ziel, sei gerade für Frauen in der Start-up Szene wichtig. „Im Unterschied zu den Gründern ist ihre Motivation häufiger an ökologische Nachhaltigkeit gebunden.“

Michael Wunsch, Mitautor des DSEM, vermutet noch einen anderen Grund: „Social Entrepreneurship bevorzugt meist Kooperationen, anders als die wettbewerbsorientierte konventionelle Wirtschaft.“ So wie Frauen sozialisiert werden, scheinen sie darauf mehr Wert zu legen und so „besonders häufig Expertise mitzubringen, die bei Social Entrepreneurship gefragt ist“.

„Frauen gründen anders – weil sie anders gründen müssen“

Das bestätigt auch Stephanie Birkner, die an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zu Vielfalt in der Gründungspraxis und -forschung sowie zu Female Entrepreneurship arbeitet: Weiblich wahrgenommene oder geprägte Menschen – diese Bezeichnung soll mögliche Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung verdeutlichen – legten mehr Wert auf Zusammenarbeit und Netzwerke – beides sei eher in Social Start-ups zu finden. In weiblich geführten Unternehmen gebe es entsprechend öfter Mitarbeiter:innen-Teilhabe. „Frauen gründen anders. Ihnen ist neben der Vision zum Produ…

Foto: GREP

Stephanie Birkner forscht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg zu Vielfalt in der Gründungspraxis und -forschung sowie zu Female Entrepreneurship.

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