Nitrat, Bleirohre, Rost

Kann man Leitungswasser in Deutschland bedenkenlos trinken?

Nitrat im Grundwasser, Blei in den Rohren fürs Trinkwasser: Kann man unser Leitungswasser trinken – ganz ohne Bedenken? Und wie schneidet es im Vergleich zu Mineralwasser aus Flaschen ab?

Das Vertrauen in die deutsche Trinkwasserqualität ist eigentlich groß. Zum diesem Ergebnis kommt die Langzeitstudie „Qualität und Image von Trinkwasser in Deutschland“ immer wieder. Sie sammelt seit 2007 Daten zur Qualitätswahrnehmung und Nutzung von Trinkwasser in Deutschland, zuletzt (2018/19) nahmen rund 10.000 Personen teil.

Das aktuelle Ergebnis: Rund 84 Prozent der Befragten beurteilen die Qualität von Leitungswasser als „gut“ oder „sehr gut“; mehr als 90 Prozent waren der Ansicht, dass wir ohne Bedenken deutsches Leitungswasser trinken können. Klingt toll, bedeutet aber auch: Jeder zehnte Verbraucher in Deutschland denkt, dass man unser Leitungswasser nicht bedenkenlos trinken könne. Etwa jeder achte Befragte ist aber nicht so recht von der Qualität unseres Trinkwassers überzeugt. Was ist dran?

Leitungswasser trinken: Die Trinkwasserverordnung

Leitungswasser ist das in Deutschland am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt. „Dafür sorgt unsere Trinkwasserverordnung“ , erklärt Jürgen Steinert von Öko-Test. „Sie gewährleistet, dass unser Trinkwasser keine Schadstoffgrenzwerte überschreitet. In ihr ist festgelegt, auf welche chemischen, biologischen und physikalischen Parameter das geförderte Grundwasser in regelmäßigen Abständen untersucht werden muss.“

Für diese Untersuchungen sind die Wasserversorger zuständig. Die Wasserwerke wiederum stehen unter der staatlichen Aufsicht der Gesundheitsämter. Klingt ziemlich narrensicher. Doch woher kommen dann die Zweifel, das Wasser sei nicht gesund und man könne kein Leitungswasser trinken?

Welche Giftstoffe ins Trinkwasser gelangen

Zuerst steht die Frage: Woher kommt das Leitungswasser in Deutschland? Die Antwort: Das Trinkwasser stammt zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser, der Rest aus Flüssen, Seen, Talsperren oder fluss- und seenahen Brunnen (Uferfiltrate). Es wird in den Wasserwerken analysiert und – wenn notwendig – aufbereitet. Dann gelangt es über die Rohrleitungen der Wasserversorger bis zu unserem Hausanschluss. Bis dorthin gilt auch die Trinkwasserverordnung.

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Erst ab unserem Hausanschluss sind wir selbst für die Qualität des Leitungswassers verantwortlich. Schädliche Substanzen können sich aber bereits im geförderten Wasser befinden – also zum Beispiel im Grundwasser. Schuld daran ist unter anderem die konventionelle Landwirtschaft: Gesundheitsschädliche Pestizide und Düngemittel wie Nitrate gelangen in Flüsse und Seen oder sickern in den Boden und weiter ins Grundwasser. Daher haben wir viel Nitrat im Grundwasser.

Weitere Giftstoffe stammen aus unserem Abwasser. Die Wasserwerke können Chemikalien – allen voran Arzneimittelreste – häufig nicht ausreichend herausfiltern und so gelangen die Giftstoffe mit dem eigentlich gereinigten Wasser aus den Klärwerken in den öffentlichen Wasserkreislauf.

Heute unbedenklich – morgen Nitrat im Leitungswasser?

Gesundheitlich bedenklich ist unser Leitungswasser deshalb aber nicht. „Es gibt überhaupt keinen Grund, irgendetwas zu befürchten, wenn man Leitungswasser trinkt. Es ist gut untersucht und sicher“, so Jürgen Steinert von Öko-Test.

Dank Trinkwasserverordnung filtern die Wasserwerke Schadstoffe heraus und führen strenge Kontrollen durch, bevor es in unser Trinkwasserversorgungssystem eingespeist wird. Der Anteil der Schadstoffe in unserem Leitungswasser ist dann so gering, dass er keinen Effekt auf unsere Gesundheit hat.

Aber: Das könnte sich ändern. Geben wir nämlich weiterhin zu viele Schadstoffe und Nitrat in unsere Abwasser, reichern sich Gewässer und Grundwasser in Deutschland zunehmend mit Schadstoffen an, die dann vermehrt ins Trinkwasser gelangen können, bis irgendwann bedenkliche Grenzwerte überschritten werden. Nitrat stammt vor allem von Gülle und Mist, die auf den Feldern ausgebracht werden, sowie aus Mineraldünger für Obst- und Gemüseanbau.

Schon jetzt hat Deutschland (neben Malta) bei Nitrat im Grundwasser die zweithöchste Belastung in der EU. Laut Umweltbundesamt (UBA) wird der Nitrat-Grenzwert (50 mg/l) jedes Jahr an fast jeder 5. Messstelle überschritten. Auch bei den aktuellsten Werten, die aus dem Jahr 2018 stammen, war das der Fall. Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland deshalb inzwischen verurteilt, die EU-Nitrat-Richtlinie verletzt zu haben.

Der hohe Gehalt von Nitrat im Grundwasser ist einerseits schlecht für die Umwelt. Es kostet uns aber auch viel Geld: Wasseraufbereitungsanlagen müssen es aufwändig wieder herauszufiltern, damit wir am Ende kein Nitrat im Leitungswasser haben und es bedenkenlos trinken können.

Einer Studie des UBA aus dem Jahr 2017 zufolge könnte das auch die Trinkwasserpreise erhöhen, weil betroffene Wasserversorger zu teure(re)n Aufbereitungsmethoden greifen müssen, um das Leitungswasser von den Nitrateinträgen zu reinigen. In den letzten 20 Jahren hingegen stiegen die Wasserpreise von Jahr zu Jahr nur moderat und etwa in Höhe der Inflationsrate.

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Übrigens: Die ökologische Landwirtschaft, die für Bio-Produkte steht, belastet das Wasser weniger mit Nitrat als die konventionelle Landwirtschaft (BMEL, UBA). Sie ist für den Großteil des Nitrats im Grundwasser verantwortlich, der aus Dünger und Gülle-Überschuss aus der Massentierhaltung stammt. Du solltest Bio-Produkte deshalb nicht nur kaufen, weil sie weniger Schadstoffe enthalten, sondern auch, weil sie umweltfreundlicher produziert werden – und damit für alle gesünder sind.

Giftstoffe durch hauseigene Rohrleitungen

Trotz des hohen Nitratlevels im Grundwasser kann aber, wie bereits erwähnt, bedenkenlos empfohlen werden, Leitungswasser zu trinken – und das in ganz Deutschland.

Allerdings gibt es Ausnahmen: So treten einige Schadstoffe auch aus den hauseigenen Rohrleitungen aus, und das ist dann meist nicht mehr gesund. Kritisch für unsere Gesundheit sind vor allem Blei, Kupfer, Nickel und Cadmium. Bleirohre sind heute zwar selten, in Altbauten aber noch anzutreffen. Es gibt auch Vorfälle mit Legionellen, die aber weniger das Trinkwasser betreffen als die Dusche.

Wer mit Sicherheit wissen möchte, ob sich Schadstoffe in seinem Leitungswasser befinden, wendet sich am besten an das Gesundheitsamt. Dort erfährt man die Kontaktdaten von Trinkwasserlaboren in der Nähe und kann dann eine Wasserprobe einsenden. Werden tatsächlich Schadstoffe im Leitungswasser festgestellt, sollte man schnellstmöglich selbst seine Leitungen auswechseln oder den Vermieter kontaktieren. Dieser ist dann nämlich verpflichtet, die Leitungen auszutauschen.

Einen Leitungswasser-Test kannst du auch selbst bei einem privaten Labor beauftragen (ab ca. 40 Euro).

Rost und Kalk im Trinkwasser

Ein hoher Eisengehalt im Wasser („Rost“) ist nicht schädlich für unsere Gesundheit. Das Wasser schmeckt lediglich sehr unangenehm und ist durch die rötliche Verfärbung nicht schön anzuschauen. Am besten lässt man den Wasserhahn so lange laufen, bis die Verfärbungen verschwinden – natürlich mit kaltem Wasser. Danach ist das Wasser auch geschmacklich wieder einwandfrei.

Auch Kalk im Wasser ist nicht schädlich: Kalzium ist ein wichtiger Mineralstoff für unseren Körper und auch in vielen Mineralwässern enthalten. Nur für Wasserkocher, Kaffeemaschinen und ähnliche Geräte ist Kalk ungünstig, weil verkalkte Geräte mehr Strom verbrauchen. Um Energie zu sparen, solltest du Küchengeräte deshalb regelmäßig mit Zitronensäure entkalken. Diese hilft auch gegen Kalkablagerungen an Armaturen und sonstigen Oberflächen.

Lieber Mineralwasser trinken?

Leitungswasser kann also Schadstoffe aus verschiedenen Quellen enthalten, trotzdem bleibt es als Durstlöscher die erste Wahl. Und wer denkt, mit Mineralwasser – aufgrund geringerer Schadstoffe und gesünderer Inhaltsstoffe – besser dran zu sein, liegt leider falsch.

„Mineralwässer“ enthalten trotz ihres Namens nicht unbedingt mehr Mineralien als Leitungswasser und sind auch nicht automatisch gesund. Wie beim Trinkwasser ist der Mineralstoffgehalt der Wässer von der Region abhängig, aus der sie stammen. Noch kurioser: Seit 1980 muss nicht mal mehr eine Mindestmenge an Mineralien im „Mineralwasser“ enthalten sein. Als Stiftung Warentest (zuletzt 2019) einen Vergleich zwischen Leitungswasser und Mineralwasser zog, kam Letzteres deshalb schlecht weg. Laut den Warentestern enthält Leitungswasser oft mehr Mineralstoffe und weniger ungesunde Rückstände als Flaschenwasser.

Außerdem können auch Mineralwässer Schadstoffe enthalten. „Die wesentlichen Verunreinigungen, die man in manchen Mineralwässern finden kann, sind Pestizidmetaboliten – Abbauprodukte von Pestiziden – und Uran“, erklärt Jürgen Steinert von Öko-Test. Uran kommt in manchen Gegenden natürlicherweise im Gestein vor. Wird an solchen Stellen Mineralwasser gefördert, kann sich das Uran herauslösen und im Getränk landen.

Öko-Test hat wiederholt bestätigt, dass Mineralwasser nicht so sauber ist, wie es scheint. Allein in den letzten Monaten ließ Öko-Test fast 200 Wassermarken untersuchen, darunter Classic-Mineralwasser (12/2019), stilles Wasser (07/2020) und Medium-Wasser (06/2020). In allen Tests kam es zu Auffälligkeiten. Auch die letzten Untersuchungen von Stiftung Warentest zu stillem Wasser (07/2019) waren nicht durch die Bank zufriedenstellend (neue test-Ergebnisse zu Medium-Wasser im August 2020).

Kurioserweise dürfen selbst edelste Designer-Wässerchen mit Gesund-Werbeversprechen mehr Schadstoffe enthalten als einfaches Wasser aus der Leitung, weil die Vorgaben der Mineral- und Tafelwasserverordnung nicht so streng sind wie die der Trinkwasserverordnung.

Schlimmer noch: Bei Wasser in Plastikflaschen besteht der Verdacht, dass Stoffe wie hormonell wirksame Chemikalien aus den Flaschen ins Wasser übergehen können. Ob und ab welcher Menge das gesundheitsschädlich ist, darüber wird (wie üblich) gestritten.

Klar ist aber: Wenn wir Leitungswasser trinken, haben wir auch keine Probleme mit Chemikalien in/aus Plastik. Flaschenwasser ist auch aus Nachhaltigkeitsgründen klar abzulehnen: Meist werden die Flaschen über Hunderte von Kilometern transportiert und hinterlassen so einen massiven CO2-Fußabdruck.

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Ein immenses Problem sind auch die Plastikflaschen selbst. Der Großteil von ihnen sind Pfandflaschen und recycelbar, das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch wiederverwendet werden! Rund 70 Prozent aller Pfandflaschen sind nämlich Einweg-Flaschen. Sie werden entweder unter hohem energetischem Aufwand im Ausland zum Beispiel zu Fleece-Stoffen recycelt, landen einfach im Müll und werden dann verbrannt – oder sie werden achtlos weggeworfen.

Auch bei Good Impact: Chemikalien und Mikroplastik: Wie gesund ist Wasser aus Plastikflaschen?

In Deutschland Leitungswasser trinken? Ja!

Als Fazit lässt sich sagen: Unserer Gesundheit schaden wir nicht, wenn wir Leitungswasser trinken. Flaschenwasser ist im Vergleich teurer für uns, schädlicher für die Umwelt – und daher überflüssig.

Mehr Leitungswasser trinken – 5 Tipps:

1. Besorg dir für die heimische Küche ein paar schöne Glaskaraffen und gewöhn dir Wasser aus der Leitung an.

2. Wer Sprudelwasser liebt, kann sich einen Wassersprudler besorgen – so bekommst du fast kostenlos prickelndes Leitungswasser auf Knopfdruck.

3. Fürs Büro und unterwegs verwende BPA-freie Trinkflaschen, die es in verschiedenen Ausführungen gibt (leicht und robust zum Beispiel aus Edelstahl).

4. Sag im Restaurant, dass du Leitungswasser trinken willst – und weise bei Problemen darauf hin, dass du es auch bezahlen wirst. Projekte wie a tip:tap unterstützen, dass Restaurants Wasser aus dem Hahn ausschenken.

5. Mit der Trinkwasser-App trinkwasser-unterwegs.de des Bundesverbandes für Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) findet jeder Nutzer den nächstliegenden Trinkwasserbrunnen.

Unsere Kooperationspartner*innen

Enorm kooperiert mit Utopia.de, einer deutschsprachigen Website über nachhaltiges Leben und bewussten Konsum.

Bild: imago images/photothek

Das Leitungswasser in Deutschland stammt zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser, der Rest aus Flüssen, Seen, Talsperren oder fluss- und seenahen Brunnen (Uferfiltrate).

Anna Gürster, Utopia.de

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