Die Männer im Leben von Johanna* und Charlotte* brauchen ein gesundes Selbstbewusstsein. Die beiden Frauen nennen sich zärtlich Jo und Lotte. Wenn sie übereinander sprechen, dann reden sie von „Liebe auf den ersten Blick“, von „meiner Person“ und „dem wichtigsten Menschen überhaupt“.
Nein, ihre Liebe ist nicht romantisch, wobei, eigentlich ist sie das durch und durch, nur handelt es sich eben um eine platonische Romanze: Sie kommen beide aus schwierigen Familien. Echte Geborgenheit, sagen sie, erlebten sie erstmals in der Beziehung zueinander. Im Klavierstudium kennengelernt, haben sie sich laut Charlotte „schockverliebt“ und sind zusammengezogen. Charlottes Ohr ist an Johannas Bauch gedrückt, als diese mit ihrem ersten Kind schwanger wird. Die Freundschaft überlebt nicht nur die sogenannte Honeymoonphase, in der sich zwei Menschen zu Beginn ihrer Beziehung gegenseitig idealisieren, sondern auch Umzüge und Fernbeziehung, Fehlgeburten und Geburten, geschlossene und wieder zerbrochene Ehen. Ihre Freundschaft ist die Konstante in ihren Leben. Obwohl sie sich während der Pandemie zwei Jahre lang gar nicht in Person sehen, führen sie ihre Beziehung via Sprachnachrichten weiter. Sie reden mehrfach täglich, manchmal über Banales, manchmal „über die wirklich tiefen Fragen“, sagt Johanna. „Bei vielen Menschen komme ich erst nach Wochen dazu, eine Nachricht zu beantworten“, sagt Charlotte. „Aber bei Jo höre ich alles sofort ab.“ Männer? Die kommen und gehen, aber ihr Band, da sind sie sich sicher, hält für immer.
Doch genau wie in so vielen Leidenschaften erweist sich dieser Glaube irgendwann als Illusion. Und genau wie in so vielen Konflikten zwischen Paaren ist es auch bei Freundinnen am Ende gar nicht so leicht zu erkennen, wo die Probleme eigentlich angefangen haben.
Freundschaftskummer
Die eine fühlt sich neben dem neuen Freund der anderen nicht mehr so gesehen. Durch die räumliche Trennung ist es doch manchmal hart, füreinander da zu sein. Die Geheimnisse der anderen, die man oft als Einzige teilt, werden zur Belastung. Man projiziert eigene Unsicherheiten aufeinander, triggert sich gegenseitig, es kommt zu ungewollten Ratschlägen und zu Streit. Und vielen hässlichen Worten. Bis es eskaliert und Charlotte Johanna „auf allen Kanälen“ blockiert. Johanna spürt Trauer. Es ist genauso schlimm wie nach einer Trennung von einem Mann, erzählt sie. Sie googelt „Freundschafts-Liebeskummer“ und …