Gastkommentar zum Konjunkturpaket

Der Beginn eines wichtigen Brückenbaus

Am 3. Juni hat die Bundesregierung ein Corona-Konjunkturpaket verabschiedet. Mit zahlreichen Maßnahmen und 130 Milliarden Euro soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Die Einzelmaßnahmen wurden schon am ersten Tag teils heftig kritisiert. Die Meinungen hinsichtlich der potenziellen Wirksamkeit gehen weit auseinander. Dabei ist es jedoch wichtig, nicht das große Ganze aus den Augen zu verlieren und die positive Grundmessage des Paketes zu sehen.

Das Wichtigste: Die Corona-Krise ist nicht der Auslöser der Wirtschaftskrise, sondern eine schonungslose Offenbarung, dass sich unser Wirtschaftssystem schon lange vor Wuhan in einer sich kontinuierlich verschärfenden Krise befand. Das zwanghafte, rein auf Effizienz- und Profitmaximierung ausgerichtete Wirtschaftsverständnis vieler Konzerne ist in vielerlei Hinsicht längst an seine, im wahrsten Sinne des Wortes, natürlichen Grenzen gestoßen – an die sozialen und die ökologischen. In Zeiten des Klimawandels und des rasant voranschreitenden Artensterbens zeigte sich schon vor der Krise die Notwendigkeit erheblicher struktureller Veränderungen, die sowohl die Politik als auch viele Unternehmen bisher völlig unterschätzt haben.

Beispiel Automobilbranche

Gerade in den für Deutschland zentralen Industrien, wie etwa der Automobilbranche, ist dies besonders deutlich zu sehen. Viel zu spät wurde der Trend zu nachhaltiger Mobilität erkannt. Viel zu spät wurde die Mobilitätswende von führenden Automobilherstellern als zwingende Notwendigkeit im Kampf gegen den Klimawandel und gleichzeitig als enorme unternehmerische Chance anerkannt. Viel zu spät wurde verstanden, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht im Widerspruch zueinanderstehen, sondern einander bedingen. Viel zu lang wurde versucht, aus vergangen Erfolgen die gegenwärtige Unternehmensausrichtung zu rechtfertigen, anstatt mutig in die Zukunft zu investieren – in die Zukunft der jüngeren Generationen und in die Überlebensfähigkeit des eigenen Unternehmens über den Horizont der vorherrschenden Management-Zyklen hinaus.

Patrick Bungard ist Gründer und Geschäftsführer der M3TRIX GmbH in Köln. Er und sein Team begleiten Organisationen bei der Nachhaltigen Unternehmenstransformation. Bungard lehrt als Dozent an unterschiedlichen Business Schools und Universitäten. Er ist zudem Gründungsdirektor des Center for Advanced Sustainable Management (CASM) der CBS Business School. Bild: privat

Wenn Corona bis zum jetzigen Zeitpunkt eines gezeigt hat, dann dass die Krise nur im Zusammenspiel von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gelöst werden kann. Die Wirtschaft kann weder auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung gerettet werden, noch kann die Gesellschaft ohne eine gesunde Wirtschaft auskommen.

Der durch die Corona-Krise ausgelöste Rückgang und Stillstand globaler Wirtschaftsaktivitäten und die bevorstehende Rezession stellt für die Politik eine historische Chance dar, um wesentliche Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen, damit die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung unsere Planeten positiv aufeinandereinwirken können.

Politik denkt um

Und genau an dieser Stelle scheint in der Politik nun möglicherweise ein Umdenken statt zu finden. Es ist das erklärte Ziel der Koalitionspartner, „Deutschland schnell auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu führen, der Arbeitsplätze und Wohlstand sichert“. Es gehe jetzt „darum, so viel und so schnell wie möglich zu investieren, um die tiefe Rezession zu überwinden, die vom Coronavirus ausgelöst worden ist“, so ein Teil der Erklärung.

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Um dazu möglichst effektiv beizutragen, hat die große Koalition anscheinend auf ideologische Grabenkämpfe verzichtet und ein umfangreiches Hilfspaket geschnürt. Anstatt, wie von vielen Vorabkritikern wohl zu Recht befürchtet, nun Einzelinteressen von bestimmten Branchen zu unterstützen oder weiter zu versuchen, zukunftsuntaugliche Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten, richtet sich das Paket an die sozial Schwachen sowie an zukunftsfähige Industrien.

Beim Betrachten der Maßnahmen erscheint das Paket tatsächlich in die Zukunft gedacht und adressiert zentrale Themen für eine nachhaltige Entwicklung. Neben monetärer Unterstützung für Familien und Kommunen, Entlastungen beim Strompreis oder der Senkung der Mehrwertsteuer soll viel Geld in Bildung und Forschung, in Ganztagsschulen, digitale Unterrichtsmittel, in die moderne Wasserstofftechnologie und Erneuerbare Energien fließen. Zusätzlich beinhaltet das Programm ein extra aufgelegtes Zukunftspaket. Die darin unter anderem vorgesehen Investitionen in Bereiche wie Wissenschaft und Forschung, Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie oder den Klimaschutz sind ein klares Signal, den Wirtschaftsstandort Deutschland an die globalen Herausforderungen unserer Zeit anzupassen.

Keine absurden Kaufprämien im Konjunkturpaket

Dass die Automobilbranche nicht mit absurden Kaufprämien für PKWs mit fossilen Verbrennungsmotoren unterstützt werden soll, sondern die Elektromobilität gestärkt wird ist sicherlich ein weiteres unerwartetes Ausrufezeichen der Regierung. Auch die Höhe des Pakets von insgesamt 130 Milliarden Euro für den Zeitraum 2020 und 2021 sprechen dafür, dass mit dem Paket eine Zeitenwende eingeläutet werden soll.

Das Konjunkturpaket könnte ein erster Stein für den langersehnten und dringend notwendigen Brückenbau zwischen der wirtschaftlichen sowie der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit darstellen. Der Schlüssel zur Lösung der Klimakrise und der Wirtschaftskrise kann nur im Zusammenführen dieser beiden enormen Herausforderungen liegen. Investitionen in diesen Paradigmenwechsel zu tätigen, ist daher die wichtigste Grundmessage des Paketes und als ein sehr positives und wichtiges Zeichen zu deuten. Ja, die 130 Milliarden Kosten werden die kommenden Generationen tragen. Jedoch werden die Kosten für die jüngeren Generationen noch weitaus höher, gelingt es nicht jetzt sowohl den Klimawandel zu bremsen, als auch die Konjunktur wieder anzuwerfen. Jetzt mit nachhaltigen Investitionen die Transformation der Wirtschaft anzustoßen, ist richtig und zwingend notwendig, anstatt mit Sparmaßnahmen zurück ins Alte Wirtschaftsparadigma zurückzufallen.

Niemand wird seriös voraussagen können, wie wirkungsvoll die Maßnahmen letztlich sein werden und inwieweit jeder Euro, den die Regierung jetzt investiert, den ökologischen und wirtschaftlichen Wandel tatsächlich befördern kann. Es ist völlig klar, dass das Paket nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung und nicht die ultimative Lösung darstellt. Ohne ein konsequentes politisches Weiterverfolgen dieser neuen Denkweise wird die Wirkung des Paketes als Tropfen auf dem heißen Stein verdampfen. Aber unstrittig ist, dass es ein mutiger und richtiger Ansatz ist und hoffentlich mehr als nur ein positives Signal in Richtung der jüngeren Generationen. Das Konjunkturpaket adressiert die Grundproblematik der Trennung von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit, welche durch Corona noch beschleunigt und verstärkt wurde. Das ist das wirklich Positive an diesem historischen Konjunkturpaket.

Illustration: imago images / ikon images

„Das Konjunkturpaket könnte ein erster Stein für den langersehnten und dringend notwendigen Brückenbau zwischen der wirtschaftlichen sowie der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit darstellen“, findet enorm Gastautor Patrick Bungard.

Patrick Bungard

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