Insgesamt ist Europa besser für den Meeresspiegelanstieg gewappnet als die meisten anderen Weltregionen. Dennoch sind auch unsere Küsten betroffen: in Nizza stieg der Pegel um 18 Zentimenter, in Kopenhagen um 9 Zentimeter seit 1986. Im britischen Medmerry hat erstmal eine Kommune aufgehört, Deiche zu verstärken – und Land dem Meer zurückgegeben. Experten sagen: ein Schicksal, das künftig vielen Küsten bevorsteht.
Gerade an den Binnenmeeren wird Europa Land verlieren. „Das sind Regionen, die am wenigsten auf einen schwankenden Meeresspiegel ausgerichtet sind“, sagt Hans-Martin Füssel, Leiter der Klimaprojekte bei der Europäischen Umweltagentur (EEA). Sein Institut sitzt in Kopenhagen. In der Ostsee gibt es bisher kaum Hochwasser. „Kürzlich aßen wir mit Kollegen am Hafen von Kopenhagen und die Dänen sagten: Wo sollen wir denn hier noch einen Deich bauen“, sagt Füssel. Aktuell steht der Pegel vor der Hauptstadt rund zehn Zentimeter höher als vor 30 Jahren.
Die bisher größte Küstenöffnung Europas
Städte am Mittelmeer, wie das französische Nizza oder das griechische Levkas, verzeichnen sogar schon rund 20 bis 30 Zentimeter gestiegene Pegel. Mit dem Klimawandel wird das Meer in Zukunft noch schneller ansteigen. Nach Daten des Weltklimarates IPCC zwischen 20 und 80 Zentimetern bis zum Jahr 2100 – die Prognosen variieren stark.
Die Folge wird sein: Gerade Menschen in dünn besiedelten und weniger geschützten Gegenden Europas müssen langfristig umgesiedelt werden. So wie in Medmerry, südwestlich von London, das seine ständig zerstörten Deiche aufgegeben und stattdessen dem Meerwasser inlandig 500 Hektar zum Überschwemmen überlassen hat. Die Umweltbehörde der wenig bewohnten Gegend hat sich entschieden, lieber dem Druck des Meeres nachzugeben und eine neue Überflutungszone zu schaffen, als Geld in höhere Deiche zu investieren. Es ist die bisher größte Küstenöffnung Europas.
Insgesamt beobachtet die EEA auf ihren europäischen Karten, dass urbane Gegenden besser geschützt sind als ländliche. Das ist nur verständlich. „Welche Regierung möchte schon Hamburg oder London aufgeben?“, sagt EEA-Experte Füssel.
An der Nordsee wurde für steigende Meeresspiegel vorgesorgt
Die Menschen an der Nordsee sind starken Tidenhub gewohnt, sie kennen Springfluten und Stürme und haben vorgesorgt. „Insgesamt ist Europa besser für den Meeresspiegelanstieg gewappnet als die meisten anderen Weltregionen“, sagt Füssel. Dort, wo das Meer seine Kräfte ausgespielt hat, wurden massiv Deiche gebaut, wie 1953 nach der verheerenden Sturmflut an der Nordseeküste.
Es gibt die europäische Umweltagentur, jedes Land hat eigene Hochwasserschutzpläne, es gibt Küsteninstitute und Länder wie die Niederlande, die seit jeher gegen drohende Überschwemmungen Deiche bauen und Sand vorspülen. Aber Klimaforscher sind sich einig: All dies ist zu wenig, um die 200 Millionen Menschen zu schützen, die laut Eurostat in Küstennähe leben.
Das britische Forschungsinstitut CSIR hat Messgeräte an 180 europäischen Häfen aufgestellt, so viele gibt es auf keinem anderen Kontinent. CORRECTIV hat die Daten ausgewertet. Das Fazit: An den meisten Mes…
Auch in Europa steigt an den meisten Küsten der Meeresspiegel – und wir sind kaum darauf vorbereitet