Zalando möchte „eine nachhaltige Mode-Plattform mit netto-positiver Auswirkung auf Mensch und Erde“ werden, also Gesellschaft und Umwelt mehr zurückgeben, als nehmen. Das ist ambitioniert für ein Unternehmen, das 2021 über 10 Milliarden Euro Umsatz in einer schmutzigen Branche erwartet: Zehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen bei der Herstellung von Kleidung und Schuhen. Hinzu kommen ein enorm hoher Wasserverbrauch, der häufige Einsatz gesundheits- und umweltschädlicher Chemikalien sowie prekäre Arbeitsbedingungen.
Um trotzdem nachhaltiger zu werden, setzt Zalando auf Kreislaufwirtschaft und will bis 2023 die Lebensdauer von mindestens 50 Millionen Modeprodukten verlängern. Die Initiativen „redeZIGN for circularity“, „Pre-owned“ und „Care & Repair“ sollen in verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus wirken.
Im Oktober erweiterte Zalando seine Eigenmarken-Kollektion „redeZIGN for circularity“: Fünfzig neue Teile enthalten oder bestehen sogar vollständig aus recycelten Materialien oder nachwachsenden Rohstoffen. Außerdem sollen sie Prinzipien der Kreislaufwirtschaft entsprechen, wofür Zalando mit der gemeinnützigen Ellen MacArthur Foundation und dem Berliner Start-up circular.fashion zusammenarbeitet. Ein digitaler Produktpass in Form eines QR-Codes im Etikett gibt Kund:innen Auskunft über Herkunft, Materialien, Pflege und Recyclingmöglichkeiten. Allerdings erst, wenn die das Produkt bereits bestellt haben – im Online-Shop wird der Produktpass nicht erwähnt.
In der Kategorie „Pre-owned“ verkauft Zalando seit September 2020 Secondhand-Kleidung. Innerhalb eines Jahres verzehnfachte sich das Angebot auf über 200.000 Artikel. Wer Kleidung einschickt erhält dafür Shopping-Guthaben oder kann den Betrag an wohltätige Organisationen spenden. Der Ansatz ist gut. Der Anreiz, mit dem Guthaben direkt weiter zu shoppen problematisch. Dazu kommt: Wie im restlichen Shop gilt auch bei „Pre-owned“ ein 100-tägiges Rückgaberecht. Da die gebrauchten Artikel weder an Models geshootet werden noch Bewertungen anderer Käufer:innen Hinweise auf Besonderheiten bei Größe oder Passform geben können, ist eine hohe Retourenquote inklusive CO2-Ausstoß beim Transport zu erwarten. Genaue Zahlen dazu nennt Zalando nicht.
Ergänzend zu „Pre-owned“ stellte Zalando Ende Oktober die neue Version seiner Zircle-App vor. Darüber können Nutzer:innen ihre gebrauchte Kleidung an Zalando oder direkt an andere Nutzer:innen verkaufen. Passt oder gefällt ein Teil nicht, nimmt Zalando ausgewählte Privatkäufe zurück – ebenfalls gegen Gutschrift. Das dürfte die Anzahl der Retouren zusätzlich erhöhen.
Das neueste Pilotprojekt ist seit Oktober der Reparatur-Service „Care & Repair“ in Berlin, den Zalando gemeinsam mit dem Londoner Start-up Save Your Wardrobe anbietet: Kund:innen buchen online regionale Reinigungs- und Reparaturservices, Zalando bringt die Kleidung dorthin und wieder zurück. Damit geht der Versandhändler auf Kund:innen-Wünsche ein. So sagt Laura Coppen, Head of Circularity bei Zalando: „Die Hälfte aller Modekonsument:innen glaubt laut Umfrage, es würde ihnen helfen nachhaltiger zu handeln, wenn Modelabels und Einzelhändler:innen einen Service für die Pflege und Reparatur anbieten würden.“ „Bald“, so heißt es, soll der Service auch in Düsseldorf angeboten werden, „zeitnah“ auch anderswo.
Doch handelt Zalando damit tatsächlich gemäß der Kreislaufwirtschaft? Die längere Nutzung einzelner Textilien, zum Beispiel durch „Pre-owned“ oder „Care & Repair“, reichen dafür nicht aus, sagt Tim Janßen, Co-Geschäftsführer der NGO Cradle to Cradle und Experte für Kreislaufwirtschaft: „Entscheidend ist, dass zunächst die Produkte gesund und kreislauffähig designt und hergestellt sind, um vollständig recycelt werden zu können. Wenn konventionell hergestellte Textilien einfach länger getragen werden, hat das noch keinen positiven Einfluss auf die Produktion von morgen.“ Besser sieht es entsprechend beim Ansatz der „redeZIGN for circularity“-Kollektion aus. Zusätzlich positiv: Kürzlich investierte Zalando in das Start-up Infinited Fiber Company, das zellulosebasierte Rohstoffe wie Textilabfällen oder Pappe in eine Spezialfaser umwandelt. Die soll als nachhaltige Alternative zu Baumwolle genutzt werden, ist biologisch abbaubar, recycelbar und enthält kein Mikroplastik.
Der Internet-Versandhändler Zalando will „eine nachhaltige Mode-Plattform mit netto-positiver Auswirkung auf Mensch und Erde“ werden. Kann das gelingen?