Kommentar zur BMW-Nachhaltigkeitsstrategie

Die Chance, ein echtes Vorbild zu sein

BMW kündigt eine große Nachhaltigkeitsoffensive an. Deren entschiedene Umsetzung soll auch an die Gehälter im Topmanagement gekoppelt werden. Entscheidend ist die Frage, ob auch aus der ernstzunehmenden Absichtserklärung dauerhaft wirklich mehr wird.

Es heißt, Chef*innen, die formell verantwortlich sind, sich aber auch glaubwürdig für ein Unternehmen und seine Mitarbeitenden und deren Wohl verantwortlich fühlen, seien die besten. Ist Oliver Zipse dieser Typ Chef? Der 56-Jährige ist Vorsitzender des Vorstands der BMW AG. Sein Amt hat er seit einem Jahr inne. Der Diplom-Ingenieur gilt als sachlicher, präziser und kompromissbereiter Vertreter seiner Zunft. Er hat seine gesamte berufliche Laufbahn bei BMW verbracht, war zuletzt als Produktionschef für alle Werke verantwortlich, weiß genau wie der Motor des Konzerns funktioniert.

Am Montag hat der bisher öffentlich eher zurückhaltende Zipse nun angekündigt „Nachhaltigkeit auf eine völlig neue Ebene“ bei den Bayerischen Motoren Werken zu heben. Gemessen an den Ankündigungen handelt es sich dabei um einen Rundumschlag. Nicht nur wolle man die CO2-Emissionen um „mindestens ein Drittel“ bis 2030 senken – pro Fahrzeug und über den damit verbundenen Lebenszyklus, also „von der Lieferkette über die Produktion bis zum Ende der Nutzungsphase“. BMW will zudem die eigenen Nachhaltigkeitsziele ab 2021 in einem integrierten Geschäftsbericht, in dem also sowohl Nachhaltigkeits- als auch Geschäftsbericht vereint werden, veröffentlichen. Ab diesem Jahr wolle die BMW Group nur noch Grünstrom beziehen, die E-Mobilität hinsichtlich der eigenen Fahrzeugreihen soll ausgebaut werden, die Recyclingquote der Fahrzeuge soll noch weiter gesteigert werden.

Oliver Zipse: Produktionsnetzwerk auf E-Mobilität umstellen

Auch vom möglichen Einsatz von grünem Wasserstoff ist vorsichtig die Rede. BMW unterhält ein eigenes Kompetenzzentrum zum Thema in Garching. Wenn es um Wasserstoff geht, hinken deutsche Autofirmen gegenüber der Konkurrenz in Asien etwas hinterher. Allerdings kooperiert BMW in dem Bereich schon länger mit den Kolleg*innen von Toyota. Aber es ist längst nicht klar, ob es sich dabei um ein ökologisches Allheilmittel für den globalen Automarkt handelt.

Nachhaltigkeit soll bei BMW also in allen Unternehmensbereichen forciert und verankert werden. Nun kann man entgegnen: Klar, es macht zunächst strategisch Sinn, dass der Konzern, wie schon länger im eigenen Werk in Dingolfing, noch stärker auf E-Mobilität setzt. Feine E-Karossen können sich zumeist ohnehin nur finanzstarke Käufer*innen leisten. All das würde also, gemessen am Kund*innenstock, in erster Linie ökonomisch passen. E-Konkurrent Tesla ist mittlerweile der teuerste Autohersteller der Welt und bald auch in Brandenburg zuhause. Zudem machen auch die innerdeutschen Kolleg*innen Meter: Daimler und VW versuchen beim Thema E-Mobilität schnell aufzuholen.

Interessant sind aber vor allem Zipses Ergänzungssätze. Etwa dieser: „Wir werden Jahr für Jahr über unsere Fortschritte berichten und uns an diesen Zielen messen lassen. Das wird auch in die Vergütung von Vorstand und Top-Management einfließen.“ Was das genau heißt, bleibt offen, man kann es aber durchaus so lesen, dass es diesbezüglich klare Vorgaben der Konzernführung in punkto Nachhaltigkeit geben soll. Relevant dafür wäre etwa der leistungsabhängige Teil der Löhne. Die „variablen Bezüge“ machen fast 60 Prozent der komplexen Vorstandsgehälter aus und sind oft siebenstellig. Im Geschäftsbericht 2019 wird ohnehin eine Anpassung des Vergütungssystems bereits für 2020 angekündigt.

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Batteriezellen-Lieferanten verwenden nur noch grünen Strom

Zudem hat Oliver Zipse jüngst gesagt, das gesamte Produktionsnetzwerk auf E-Mobilität umstellen zu wollen. Ein Ansatz, der eher ein transparentes, durchgängig grünes Energiemanagement innerhalb der Produktion begünstigen dürfte. Auch die Absicht, Blockchain als Technologie zur Überwachung und damit Sicherstellung von fairen Lieferketten einzusetzen, zeigt die Bereitschaft zur Transparenz. Die Umsetzung muss folgen. BMW hat laut eigenen Angaben mit seinen Batteriezellen-Lieferant*innen vereinbart, dass auch diese künftig nur noch Grünstrom verwenden dürfen. Klingt gut.

Dennoch: Die nächsten Jahre und die Berichtsform hinsichtlich der angepeilten ökologischen Maximen werden zeigen, nicht ob, sondern – und das ist ein wichtiger Unterschied – wie viel Verantwortung BMW bereit ist zu übernehmen. Oliver Zipse hat die große Chance, seine Ankündigung vom Montag in den nächsten Jahren glaubwürdig und strukturell zu untermauern: „Als Premiumhersteller haben wir den Anspruch, beim Thema Nachhaltigkeit voranzugehen. Deswegen übernehmen wir hier und heute Verantwortung und rücken diese Themen ins Zentrum unserer künftigen Ausrichtung.“ Dafür muss der entscheidende Impuls bei den handelnden Personen jedoch nicht nur ein finanzieller sein, sondern vor allem ein ideeller.

Bild: Marc Noorman/Unsplash

Feine E-Karossen können sich zumeist nur finanzstarke Käufer*innen leisten, BMWs Strategie ist also auch eine ökonomische.

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