LGBTI+ Gleichstellung

Kuba erkennt erstmals zwei Frauen als Eltern an

Politische Freiheiten gibt es auf Kuba kaum. Doch langsam öffnet sich die Gesellschaft der autoritär regierten Insel für queere Menschen – zur Freude von zwei Frauen und ihrem gemeinsamen Sohn.

An einem regnerischen Tag spielt Paulo in der Wohnung seiner Familie in Kubas Hauptstadt Havanna mit einem Ball und ein paar bunten Bauklötzen. Der ein Jahr alte Junge ist ein ganz normales Kind – doch nicht nur für seine Eltern ist er etwas Besonderes: Paulo ist auf der sozialistischen Karibikinsel das erste Kind, das offiziell zwei Mütter hat.

„Wir wollten absolut offen über unsere Beziehung sein und uns nicht verstecken“, sagt seine Mutter Hope Bastian. „Wir wollten nicht, dass unser Sohn Vorurteilen ausgesetzt ist.“ Seit 2017 ist die US-Anthropologin mit der kubanischen Psychologin Dachelys Valdés verheiratet. Weil es in Kuba keine Ehe für alle gibt, heiratete das Paar im US-Bundesstaat Florida.

Gleichstellung in Kuba: Ambivalentes Verhältnis zu Homosexualität

Kuba hat ein ambivalentes Verhältnis zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Nach dem Sieg der Revolutionäre um Fidel Castro 1959 wurden Homosexuelle häufig in Straflager der Streitkräfte gesteckt. Durch harte Arbeiten sollten die als bourgeois geltenden Schwulen dort auf den rechten, sozialistischen Weg gebracht werden.

Heute müssen Homosexuelle in Kuba weniger Diskriminierung fürchten. Mariela Castro, die Tochter des Ex-Präsidenten Raúl Castro, führt das Nationale Zentrum für Sexualerziehung (Cenesex) und gilt als Vorkämpferin für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen. Zwar hat Kuba keine aktive Homo-Szene, gleichgeschlechtliche Paare fallen im Straßenbild noch immer auf. Allerdings gibt es in Santa Clara im Zentrum des Landes seit mehr als 30 Jahren den legendären Schwulenclub El Mejunje. Schon als junger Parteisekretär hielt der aktuelle Präsident Miguel Díaz-Canel seine schützende Hand darüber.

Ende vergangenen Jahres eröffnete mit dem Grand Rainbow Muthu auf der vorgelagerten Insel Cayo Guillermo das erste Hotel in Kuba, das sich gezielt an homosexuelle Gäste wendet. Das Fünf-Sterne-Haus gehört zur indischen Hotelkette MGM Muthu Hotels und wird von Gaviota betrieben – dem Tourismusunternehmer der kubanischen Streitkräfte.

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Gleichstellung in Kuba: Zurückhaltende Öffnung

Vor allem im regionalen Vergleich ist das autoritär regierte Kuba in Gleichstellungsfragen aber erstaunlich fortschrittlich. So gelten sexuelle Beziehungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts in den demokratisch verfassten Karibikstaaten Barbados, Guyana, Jamaika, Sankt Vincent und die Grenadinen sowie Sankt Kitts und Nevis nach Angaben des LGBT-Dachverbands Ilga noch immer als Sodomie und können strafrechtlich verfolgt werden. Auf Antigua und Barbuda, Dominica und St. Lucia sind nur sexuelle Beziehungen zwischen Männern verboten.

Bei der Verfassungsreform in Kuba im vergangenen Jahr sollte die Homo-Ehe eigentlich rechtlich verbrieft werden. Schließlich ruderte die Regierung aber doch zurück. Vor allem evangelikale Gruppen und konservative Teile der Gesellschaft befürchteten, eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare könne die Familie aus Vater, Mutter, Kind gefährden – daher starteten sie eine Gegenkampagne.

So waren in Havanna Plakate zu sehen, auf denen für das traditionelle Familienmodell geworben wurde. Das war sehr ungewöhnlich, da in Kuba eigentlich nur die Kommunistische Partei sowie ihre sozialen Organisationen Propaganda betreiben dürfen.

Gleichstellung in Kuba: Weg zur Familiengründung führt über die USA

„Es gibt konservative Teile der Bevölkerung, die Mühe mit der Pluralität haben, in der wir heute leben“, sagt Dachelys Valdés. Im September 2018 reiste sie mit ihrer Partnerin Hope Bastian erneut in die USA – diesmal wollten die beiden Frauen eine Familie gründen. Mit Hilfe einer In-vitro-Fertilisation wurde Bastian künstlich befruchtet, nach 15 Tagen war der Schwangerschaftstest positiv. Schließlich brachte Hope ihren Sohn Paulo in den USA zur Welt – sie wollten sicherstellen, dass beide Frauen in der Geburtsurkunde als Mütter eingetragen sind.

„Wir dachten, es sei einfacher, ein Rechtsdokument vorzulegen und in Kuba anerkennen zu lassen, als hier bei Null anzufangen“, sagt Valdés. Nach einer Reihe von Behördengängen und Monaten des Wartens erhielten die Frauen schließlich den ersehnten Anruf des Standesamts: Die Geburtsurkunde war ausgestellt.

„Als ich ankam, war zwar alles fertig und genehmigt, aber die Urkunde hatte noch immer die Felder für Vater und Mutter“, erinnert sich Valdés. So wurde extra ein Informatiker des Justizministerium herbeigerufen, um die Software des Programms zu ändern und zwei Felder für Mutter in das Dokument einzufügen.

„Die Botschaft, die wir unseren Kindern vermitteln müssen, ist, dass die Familie ein Ort der Liebe ist, wo sie beschützt werden, wo sie lernen“, sagt Hope, während Paulo immer wieder den Ventilator ein- und ausschaltet. „Es hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit der Liebe, die wir einem Kind geben können.“

Bild: Unsplash/Augustin de Montesquiou

Ganz so bunt wie diese Häuserfassaden in Havanna zeigt sich Kuba noch nicht. Dennoch öffnet sich der kommunistische Staat langsam für die Gleichstellung von LGBTI.

Guillermo Nova, dpa

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