Bei starken Menstruationsschmerzen können Arbeitnehmerinnen des indischen Essenslieferdienstes Zomato künftig bis zu zehn Tage im Jahr bezahlt freinehmen. Diese Ankündigung des Firmenchefs löste in Indien eine Debatte auf den sozialen Netzwerken aus.
In Indien ist die Periode noch immer ein großes Tabu-Thema, Frauen gelten während ihrer Blutung als unrein und sollen dann beispielsweise keine Tempel betreten oder bestimmtes Essen berühren. Vor allem für junge Mädchen ergeben sich aus dem Menstruations-Stigma verheerende Nachteile. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass in Indien bereits ein Viertel der Mädchen schon einmal aufgrund der Periode im Unterricht gefehlt hat. Neben unzureichenden Hygienestandards, spielt hierbei vor allem fehlende Aufklärung eine entscheidende Rolle: 71 Prozent der Mädchen in Indien haben laut UNICEF bis zur ihrer ersten Periode keine Kenntnisse über das Thema Menstruation.
Kontroverse Diskussion auf Social Media
Das Perioden-Stigma möchte Zomato nun brechen. Der Firmenchef schrieb in einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung, Periodenurlaub zu nehmen, sollte nicht mit Scham behaftet sein. „Du solltest Menschen in internen Gruppen oder E-Mails einfach sagen können, dass du gerade einen Tag Periodenurlaub nimmst.“ Pro Zyklus können Frauen und Transgender-Leute in dem Unternehmen jeweils einen Tag freinehmen – und das zehn Mal im Jahr.
Auch bei Good Impact: Bluten darf kein Luxus sein
Nach der Ankündigung haben sich unter dem Hashtag #PeriodLeave auf Social Media etliche Beiträge gesammelt. „Heute können einige Perioden-Urlaub wohl nicht richtig verstehen, genauso wie viele mal gegen Mutterschutzurlaub protestiert hatten“, schrieb Angellica Aribam, die Gründerin einer indischen Organisation, die Frauen in der Politik fördert, auf Twitter. „Aber eines Tages wird das normal sein.“
Today one might not be able to wrap their head around #PeriodLeave, like many who protested against maternity leave. But someday in the future, it’ll be considered normal and basic. The journey for that day begins now, with the fire lit by a handful of women today. https://t.co/ILrRtpYywg
— Angellica Aribam (@AngellicAribam) August 11, 2020
Aber nicht jede*r bewertet die extra Urlaubstage während der Menstruation als Fortschritt. Insbesondere, dass die Periode so als Krankheit geframed wird, sehen Social-Media-User*innen kritisch. Die indische Journalistin und „Washington Post“-Kommentar-Schreiberin Barkha Dutt kritisiert den Periodenurlaub vor allem unter Gesichtspunkten der Gleichberechtigung. Sie findet: „Wir können nicht der Infanterie beitreten, über Krieg berichten, Kampfflugzeuge fliegen, in den Weltraum gehen, keinen Exzeptionalismus wollen und Periodenurlaub wollen.“
Sorry Zomato, as woke as your decision on #PeriodLeave is, this is exactly what ghettoizes women and strengthens biological determinism. We cannot want to join the infantry, report war, fly fighter jets, go into space, want no exceptionalism and want period leave. PLEASE.
— barkha dutt (@BDUTT) August 11, 2020
Periodenurlaub: Kein Einzelfall in Indien
Zomato ist nicht das erste Unternehmen in Indien, das seinen Mitarbeiterinnen während der Periode extra Urlaubstage gewährt. Bereits seit 2017 können sich Angestellte des Medienunternehmens Culture Machine und der Kommunikationsagentur Gozoop den ersten Tag ihrer Periode freinehmen.
Was den Beschluss von Zomato jedoch so bedeutend macht: Der Essenslieferdienst ist einer der größten Dienstleister Indiens und mit mehr als 20 Standorten in anderen Ländern auch weltweit aktiv. Bezahlte Urlaubstage während der Periode – der Beschluss von Zomato könnte als Vorbild dienen, dem womöglich bald andere Unternehmen folgen.
Menstruation ist in Indien immer noch ein großes Tabu-Thema.