Die Utopie

Fashion ohne Gender

Kleider machen Mann und Frau: Mode spiegelt seit jeher gesellschaftliche Geschlechtervorstellungen. Doch die Branche beginnt umzudenken: Immer mehr Unternehmen setzen auf nicht-binäre, „degendered“ Kleidung.

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Das ist das Problem

Es gibt zwar keine Regeln, aber auch heute noch einige unausgesprochene Vorgaben, was jedes Geschlecht tragen sollte. Bestimmte Kleidung ist für Frauen vorgesehen und wird als „weiblich“ gelesen, wie Kleider und Röcke, während Smokings etwa eher als „männlich“ gelten. Konventionelle Werbekampagnen spiegeln diese heteronormativen, gesellschaftlich konstruierten Geschlechtervorstellungen oftmals wider. Personen, die nicht-binär sind oder sich durch die Kategorie ihrer Kleidung nicht eingeschränkt fühlen wollen, fanden im Modemainstream lange kaum Beachtung. Der gesellschaftliche Diskurs hat sich jedoch weiterentwickelt, über starre Geschlechtergrenzen hinaus. Immer mehr Menschen geben öffentlich ihre Pronomen an. Designer:innen ermutigen sie dazu, sich durch Fashion auszudrücken und zu empowern.

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Das ist der Impuls

Einige Modeunternehmen hinterfragen die binäre Geschlechtertrennung seit längerer Zeit, in den USA kam Unisex-Fashion schon 1968 kurz auf. Heute tragen immer häufiger queere, männlich gelesene Models in Kampagnen und Modeschauen Make-up und feminine Outfits oder präsentieren Models mit weiblich gelesenen Gesichtszügen maskuline Kleidung. Im Jahr 2019 veröffentlichte Gucci die Kampagne The Future is Fluid, Kreativdirektor Alessandro Michele inszenierte in der Kategorie „Männerkollektion“ Seidenblusen und Abendkleider. Im Mai 2022 zeigte eine Kampagne von Calvin Klein einen schwangeren Transgender-Mann mit seiner Partnerin, einer Transgender-Frau. Dies sind alles Impulse, die über heteronormative Zuschreibungen hinaus signalisieren: Konzentrieren wir uns weniger auf unsere biologischen Eigenschaften und mehr auf unsere Wünsche und Ziele. Influencer:in Alok Vaid-Menon etwa setzt sich dafür unter dem Hashtag #DeGenderFashion ein. Und das nicht nur durch die Mode, die they trägt, sondern auch die Art und Weise, wie they sie trägt.

Das ist die Lösung

Über nicht-binäre Mode von Luxusmarken hinaus, die der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, muss es Anlaufstellen für „degendered“ Kleidung geben. Zwei Brands, die sich als ausschließlich geschlechtsneutral bezeichnen, sind Ginew und Telfar. Ihre Designs sollen von jedem Menschen getragen werden können, unabhängig vom Pronomen. Die Unisex-Brand Ginew ist geprägt von der indigenen Herkunft ihrer Gründer:innen, der Native Americans Erik Brodt and Amanda Bruegl. Telfar, die Brand des liberianisch-amerikanischen Designers Telfar Clemens, arbeitet von New York City aus mit großen Marken wie Ugg oder Converse zusammen. Auch Modekonzerne wie Adidas haben geschlechtsneutrale Kleidung auf den Markt gebracht und ihre Sportbekleidung testweise nicht nach Geschlecht, sondern nach Sportart aufgeteilt. Die Bemühungen dieser Marken sind ein erster Schritt auf dem Weg zur Utopie: eine Modebranche, die Konsument:innen darin bestärkt, sich in jeder Kleidung frei auszudrücken. Dazu gehört auch eine größere gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Menschen, die geschlechtsspezifische Mode ablehnen. Etwa gegenüber Männern, die wie der cis-gender Sänger Harry Styles in der US-Vogue 2020, gerne Kleider und Röcke tragen.

Foto: IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Ist geschlechtsspezifische Kleidung bald Vergangenheit? Nicht nur große Luxusmarken wie Gucci beginnen binäre Kategorien in der Mode aufzulösen.

Ashriti Kumar

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