Bluten kostet bis zu 5.000 Euro. So viel zahlen Menstruierende während ihres Lebens schätzungsweise für Tampons, Binden und Slipeinlagen. Bis zu tausend Euro werden allein für die Steuern fällig. Denn sogenannte Hygieneartikel – zu denen Perioden-Produkte zählen – werden in Deutschland bislang mit dem höheren Umsatzsteuersatz von 19 Prozent belegt. Nur 7 Prozent sind es hingegen bei Produkten des sogenannten Grundbedarfs. Was darunter fällt, ist umstritten, denn auch Schnittblumen und Münzsammlungen zählen dazu.
Schon seit Längerem setzen sich Aktivistinnen gegen die ungerechte Besteuerung, die sogenannte „Tampon Tax”, ein. Nun hat der Bundestag kürzlich im Rahmen des Jahressteuergesetzes beschlossen, ab 1. Januar 2020 den ermäßigten Steuersatz auch auf Menstruations-Produkte anzuwenden. Nun muss nur noch der Bundesrat zustimmen.
Großer „politischer Druck”
Der „politische Druck” sei zu groß geworden, sagt Elena Weidemann von Einhorn. Das Start-up stellt etwa vegane Kondome und Perioden-Produkte her. Einhorn hatte zusammen mit dem Magazin Neon im Februar beim Bundestag eine Petition gegen den erhöhten Steuersatz eingereicht – und mehr als 82.000 Unterschriften gesammelt. Um im Petitionsausschuss besprochen zu werden, hätten 50.000 Unterzeichnerinnen innerhalb von vier Wochen gereicht.
Unter dem Hashtag #keinluxus setzten sich unter anderem auch Influencerinnen wie DariaDaria und Künstlerinnen wie Charlotte Roche und Carolin Kebekus dafür ein. Parallel zur #keinluxus-Petition lief auch eine weitere, reichweitenstarke Petition der Aktivistinnen Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra. Zum Frauentag im März 2018 starteten die beiden auf change.org eine Petition, die mittlerweile mehr als 190.000 Unterstützerinnen hat. Anfang Oktober schrieb Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schließlich auf Twitter über den ermäßigten Steuersatz auf Menstruations-Produkte: „Wir bringen das jetzt auf den Weg, denn es ist richtig!”
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In den zwei parallelen Petitionen sieht Elena Weidemann von Einhorn einen strategischen Vorteil. „Es war gut, dass es so viel Druck von so vielen Seiten gab. Wir haben gemeinsam ein Gesetz verändert, das ungerecht war.” Die Aktivistin Nanna-Josephine Roloff twitterte nach dem politischen Erfolg: „Heute haben wir Geschichte geschrieben. Ich würd’s wieder machen.” Nach der Ankündigung von Finanzminister Scholz gab es bei dem Termin im Petitionsausschuss kaum Gegenwind, sagt Weidemann. „Die einzigen Zweifel waren, ob die Steuersenkungen tatsächlich bei den Kundinnen ankommen.” Doch der Geschäftsführer der Drogeriemarkts dm hatte ihnen genau das zugesichert. Für eine etwa drei Euro teure Tampon-Packung müssten Frauen dann knapp 60 Cent weniger bezahlen. Daher ist für Weidemann klar: Wenn Europas größter Drogeriekonzern vorangeht, wird auch die Konkurrenz mitziehen.
Für Weidemann geht es bei der Besteuerung von Tampons und Co. vor allem um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Die bisherige Situation sei unfair. „Je weniger Geld man hat, desto höhere belastet dich die Steuer ja. Das ist eine Diskriminierung, die nur Menstruierende betrifft.” Dass Deutschland erst jetzt die Umsatzsteuer senkt, findet Weidemann „schon fast ein bisschen peinlich”.
Tatsächlich hatte die Europäische Union bereits 2007 zugelassen, die „Tampon-Steuer“ auf ein bestimmtes Minimum zu senken. Dennoch wird es mancherorts sogar noch teurer als in Deutschland. In Ungarn werden etwa 27 Prozent Steuern fällig; in Kroatien, Schweden und Dänemark sind es 25 Prozent. In Großbritannien zahlen Menstruierende hingegen nur 5 Prozent Steuern auf Tampons, Binden und Co. Außerhalb der EU haben Länder wie Australien, Indien, Kanada, Kenia und Tansania eine solche Steuer bereits komplett abgeschafft.
Für Elena Weidemann geht es dabei nicht nur um Tampons und Binden. Die Menstruationstasse sei das „Perioden-Produkt des 21. Jahrhunderts”. Die Silikontassen fangen das Blut innerhalb der Vagina auf. Nach ein paar Stunden werden sie entleert, ausgewaschen und zwischen den Zyklen abgekocht. So sind sie jahrelang wiederverwendbar.
Das nachhaltige Perioden-Produkt des 21. Jahrhunderts
Der Vergleich mit Tampons zeigt, wie nachhaltig das sein kann: Eine menstruierende Frau braucht in ihrem Leben Berechnungen zufolge 10.000 bis 17.000 Tampons und Binden. Die wiederum bestehen vor allem aus energieintensiv hergestellter Viskose oder aus Baumwolle, einem besonders wasserintensiven Rohstoff, der oft unter dem Einsatz von Unkrautvernichtern angebaut wird. Häufig sind die Produkte in Plastik verpackt.
Jenseits von finanziellen und ökologischen Fragen, wollen Aktivistinnen das Thema Menstruation grundsätzlich enttabuisieren. Für Nanna-Josephine Roloff geht es „um Selbstbestimmung und Aufmerksamkeit für Frauengesundheit”, wie sie auf Twitter schreibt. Elena Weidemann von Einhorn sagt: „Die Menstruation ist seit jeher ein Mittel des Patriarchats gewesen, Frauen zu unterdrücken. Sie seien unrein, schwächer, sollen dieses und jenes nicht machen, wenn sie bluten.” Dabei könne es empowern, sich mit sich und seinem Körper auseinanderzusetzen. Die #keinluxus-Petition hätten grundsätzlich auf das Thema Menstruation aufmerksam gemacht. Und das sei wichtig, findet Elena Weidemann: „Denn es ist ganz normal, zu menstruieren. Man muss sich Tampons nicht wie Drogen überreichen.”
Auch die Menstruationstasse – eine nachhaltige Alternative zu Tampons und Binden – wird bald nur noch mit 7 Prozent besteuert.