Als am 13. September 2018 die Räumung des Hambacher Forstes beginnt, ist die deutsche Energiezukunft medial so präsent wie vielleicht seit den Castor-Transporten nicht mehr. Insgesamt entfernt die Polizei 77 von Aktivisten besetzte Baumhäuser aus dem Waldstück südlich des Braunkohle-Tagebaus Hambach, der dem RWE-Konzern gehört. Als das Oberverwaltungsgericht Münster am 5. Oktober einen vorläufigen Rodungsstopp verhängt, ist der Hambacher Forst längst zu einem Symbol für die Energiewende geworden.
Viele Menschen vollzogen in diesen Tagen ihren persönlichen Kohleausstieg und wechselten von RWE zu Ökostromanbietern. Was vielen nicht bewusst war: Sie wurden damit Teil der globalen Divestment-Bewegung.
DIe Divestment-Bewegung will das fossile Zeitalter beenden
Divestment ist das Gegenteil von Investment, in diesem Fall also das Abziehen von Geld und Kapital aus Industrien, die ihr Geschäft mit Kohle, Erdgas und Erdöl machen. Das kann im Kleinen mit der Abkehr vom Kohlestrom beginnen und im Großen mit dem Verkauf von Unternehmensanteilen im Wert von Milliarden von Euro enden. Das Ziel der Divestment-Bewegung: das Ende des Zeitalters der fossilen Energieträger und damit nichts Geringeres als die Rettung unseres Planeten.
Ins Leben gerufen wurde die Bewegung im Jahr 2012 vom US-Amerikaner Bill McKibben. In einem Artikel im „Rolling Stone Magazine“ stellte der Gründer der Klimaschutzorganisation 350.org Divestment aus den fossilen Energieträgern als eine Möglichkeit vor, die Erderwärmung zu stoppen und die Energiewende herbeizuführen.
McKibben zog dabei eine Analogie zu Aktionen gegen Südafrika zu den Zeiten der Apartheid. Der Abzug des Geldes und das Ausbleiben von Investitionen ebnete in den 1970er- und 1980er-Jahren den Weg zum Ende des Regimes am Kap. McKibben übertrug dieses Konzept auf die fossile Wertschöpfungskette und rief die Kampagne „Fossil free“ ins Leben, die seitdem als ein internationales Graswurzel-Netzwerk agiert.
80 Prozent der verfügbaren Rohstoffe dürfen nicht verbrannt werden
McKibbens Argumentation basiert auf zwei Zahlen, die ein Jahr zuvor auf der anderen Seite des Atlantiks veröffentlicht worden waren. Die Carbon Tracker Initiative, ein Nonprofit-Thinktank aus London, untersuchte die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzwirtschaft und berechnete, dass die Menschheit noch 565 Gigatonnen an CO2 in die Atmosphäre ausstoßen dürfe, damit die globale Erwärmung auf zwei Grad begrenzt bliebe. Dagegen befanden sich (Stand 2011) fossile Energieträger im Besitz von Staaten und in den Bilanzen von Unternehmen, die 2795 Gigatonnen CO2 verursachen würden.
Wenn der Klimawandel gestoppt werden soll, dürften also 80 Prozent der weltweit verfügbaren fossilen Rohstoffe nicht verbrannt werden. Damit verlören sie ihren Wert und müssten als „Stranded Assets“ von den Unternehmen abgeschrieben werden – an den Börsen würde die „Kohlenstoffblase“ platzen.
Zwar könne niemand exakt vorhersagen, welche Unternehmen wann und in welchem Ausmaß hiervon betroffen sein würden, aber Investoren müssten sich fragen, ob sie sich diesen Unsicherheitsfaktor in ihr Portfolio holen wollten. Für die Finanzmärkte ist diese Argumentationskette schlüssiger als Bill McKibbens Idee, moralische und ökologische Gründe über Investitionen entscheiden zu lassen.
„Während die Zivilgesellschaft auf einer gesellschaftspolitischen Ebene argumentiert, werden für die Investorenwelt immer Rendite und Risiko entscheidend sein“, sagt Karsten Löffler, Co-Head des UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance an der Frankfurt School und früher Geschäftsführer bei Allianz Climate Solutions.
Die erste Bilanz ist positiv
Sechs Jahre, nachdem die Divestment-Bewegung ins Leben gerufen wurde, liest sich die Bilanz positiv. Große Stiftungen wie der Rockefeller Brothers Fund haben sich zu Divestment – in unterschiedlichen Maßen – verpflichtet. Aber auch S…
Kohleausstieg heißt nicht nur, weniger Kraftwerke zu bauen – ebenso müssen die Investitionen in fossile Energieträger zurückgefahren werden. Das nennt sich dann Divestment