Von der Nische in den Mainstream

Grüner Kurswechsel in der Finanzbranche

Dass Investoren auch für Welt und Umwelt verantwortlich sind, hat sich bis ins Zentrum der Finanzwelt herumgesprochen. Entsprechend vielfältig ist die Zahl grüner Investmentstrategien. Eine Reise durch das Anlage-Universum

Hätten wir alle auf Milton Friedman gehört, würden wir uns bei enorm gar nicht damit beschäftigen, was „Gutes Geld“ eigentlich ist. Der Ökonomie-Nobelpreisträger von 1976 hatte eine ganz einfache Vorstellung von dem, was Investitionen erreichen sollen: einen möglichst hohen Profit, und damit basta. Wer sich sozial, ökologisch oder menschenfreundlich betätigen wolle, könne das gerne in seiner Freizeit und mit seinem Privatvermögen tun – aber mit Investitionen etwas anderes anzustreben als eine Profitmaximierung sei schlicht systemwidrig und ökonomisch ineffizient. „Gier ist gut.“ (Gordon Gekko)

Die Filmfigur Gordon Gekko endet im Gefängnis. Die Ökonomie, die seine realen Pendants anrichteten, legt 2008 die Finanzwelt in Trümmer. „Wir haben immer noch nicht die richtigen Lehren aus der Gier-ist-gut-Ideologie gezogen“, kritisierte damals der australische Premierminister Kevin Rudd. Sein „wir“ war übertrieben: Eine kleine, aber wachsende Zahl von Investoren war auf der Suche nach Alternativen zur Gier fündig geworden.

Nachhaltiges Investment: Aus der Nische in den Mainstream

Sie haben seither massiv an Boden und Einfluss gewonnen – so wie Bio-Lebensmittel sich aus der Nische in den Mainstream vorgearbeitet haben, sind auch nachhaltige, achtsame, ökologische Geldanlagen vom Rand des Kapitalmarkts bis in dessen Zentrum vorgedrungen.

Das Brett, das dafür zu bohren war, war dick und hart. Milton Friedmans Chicagoer Schule war über Jahrzehnte nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften und an den Märkten erfolgreich gewesen, seine Dogmen übten auch großen Einfluss auf die Politik aus. Der Staat solle sich möglichst weit aus dem Markt heraushalten, war das Credo der Friedman-Anhänger. „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt.“ (Günter Rexrodt)

Sogar viele der Gegner Friedmans bemühten sich, in seiner Sprache des Marktradikalismus zu sprechen und entsprechend zu agieren: Wenn es den Investoren nur um maximalen finanziellen Profit gehen dürfe, müssten eben Vorschriften und Rahmensetzungen dafür sorgen, dass nachhaltige Investitionen besonders hohe Renditen erzielen: „Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen.“ (Ernst-Ulrich von Weizsäcker)

So überzeugend das Plädoyer für richtige, nachhaltig wirkende Regeln auch klingt, es hat einen gewaltigen Haken: Man braucht politische Mehrheiten, um die Regeln richtig zu setzen. Das dauert – und stößt auf viele Gegner, nämlich alle, die von den bisherigen Regeln profitieren. Deshalb gab und gibt es immer wieder Akteure, oder Aktivisten, die nicht so lange warten wollen und stattdessen dafür eintraten, jetzt sofort die Richtung des Geldflusses ändern: Investorengelder sollten nicht nur Profit machen, sondern auch Politik. „Geld ist ein Herrschafts- und Machtmittel.“ (Jean Ziegler)

Geburtsstunde im Kampf gegen das Apartheid-Regime

Eine der ersten ethischen Investment-Bewegungen betraf den Widerstand gegen das südafrikanische Apartheid-Regime. Die „Sullivan Principles“ von 1977 ächteten Unternehmen, die Rassentrennung praktizierten. In der Boykott-Bewegung der folgenden Jahre zogen sich daraufhin mehr als 100 US-Unternehmen komplett aus dem Geschäft mit Südafrika zurück. Der erste Beweis war erbracht, dass es auch im Finanzmarkt Wichtigeres geben kann als Profitmaximierung.

Bis ein gutes Gewissen nicht nur im Ausnahme-, sondern auch im Regelfall vereinbar mit guter Geldanlage wurde, sollten danach noch viele weitere Jahre vergehen. Der aktivistische Eifer der Streiter für ethische Investments war für deren Verbreitung in den globalen Finanzzentren nicht gerade förderlich. Zwei scheinbar unversöhnliche Welten standen sich gegenüber.

Einen ersten Durchbruch aus der Aktivisten-Nische in den Investoren-Mainstream gab es 1992: die UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro. Auf dem Rio-Gipfel wurde erstmals überhaupt Umweltpolitik als globales, langfristiges, nicht mehr umkehrbares Ziel propagiert. Ein „stützendes und offenes Weltwirtschaftssystem“, so die Rio-Abschlusserklärung, sollte es ermöglichen, „besser gegen die Probleme der Umweltverschlechterung vorzugehen“. Darauf konnte die Welt hoffen – und die Wirtschaft bauen.

Langfristige Ziele statt kurzfristige Rendite

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