Mit Bürste in der Hand und Wanderschuhen an den Füßen schlüpfe ich zwischen zwei Zaunlatten hindurch auf die Weide. Schon schiebt sich Peggy, die schwarze Herdenchefin, an mich heran. Sie weiß: Jetzt ist Kuschelzeit. Vorsichtig ziehe ich die Bürste über Hals und Flanke. „Keine hektischen Bewegungen und immer von vorn nähern“, hieß es bei der Einweisung. Respekt habe ich trotzdem: Kühe sind Fluchttiere, egal wie sehr sie an Menschen gewöhnt sind. Plötzlich reißt Peggy ihren Kopf herum, um lästige Fliegen zu verscheuchen. Ich springe zurück und ziehe reflexartig meine Füße weg – gut 650 Kilo will ich nicht auf den Zehen spüren.

Neben mir kuscheln sechs weitere Menschen mit den Kühen – zwei Paare und ein kleiner Junge mit seiner Mutter. Die Männer haben das Erlebnis ihren Partnerinnen zum Geburtstag geschenkt, dem Jungen wurde es in seinen Sommerferien daheim zu langweilig. Diese Gruppengröße ist das Maximum für einen Kuscheltermin auf dem Ökohof „Die Kuhhorster“ in Brandenburg. Die Tiere sollen nicht gestresst werden. Meist melden sich junge Erwachsene an, Tierliebhaber:innen und Kuh-Fans.

Der ruhige Kuhatem kann Stress senken

Das Konzept stammt aus den Niederlanden, schon Anfang der 2000er-Jahre gab es dort erste bezahlte Kuschelsessions. Kuhkuscheln ist nicht nur eine touristische Attraktion, sondern gilt als Entschleunigung: Die Körperwärme der Tiere, der ruhige Atemrhythmus und das dumpfe Wiederkäuen können den Stresspegel senken. Das zeigen sogar Studien. Auch wird es zur Therapie von Angststörungen eingesetzt.

2020 etwa schwappte die Idee nach Deutschland, heute bieten etliche Bauernhöfe von der Nordsee bis zu den Alpen Kuhkuscheln an. Auf dem Ökohof Kuhhorst gibt es seit Anfang Mai 2025 mehrmals pro Woche Kuscheltermine. Der Hof ist als Werkstatt für Menschen mit Behinderung anerkannt, das Kuschelangebot aber richtet sich an Besucher:innen und ist kein Therapiebaustein des Betriebs.

Idyllisch hatte ich mir das vorgestellt: sattgrüne Wiesen, Landluft, Kühe, die im Stroh dösen. Und nun hat der Sommerregen die Postkarte in eine Sch…