Politpop

Amt, aber sexy

Zu viele Regeln, zu ineffizient, zu alltagsfern – Verwaltung hat einen schlechten Ruf. Muss das so?  Ideen wie es anders geht.

Da ist eine junge Frau, verschuldet, ohne Schulabschluss, in psychischer Behandlung und ohne Aussicht auf einen Job. Sie würde gern den Abschluss nachholen, aber weil sie im staatlichen Entschuldungsprogramm steckt, bekommt sie keinen Zuschuss für das Schulgeld, so will es das Gesetz in den Niederlanden. Sie könnte Arbeitslosengeld beantragen, aber dann darf sie sich nicht weiterbilden. Da können wir nichts tun, leider, sagt die Verwaltung. 

Da ist ein Mann, arbeitslos, alleinerziehend auf dem Land mit sieben Kindern. Auch er ist im staatlichen Entschuldungsprogramm. Seine Kinder werden auf Staatskosten mit dem Taxi zu unterschiedlichen Förderschulen gebracht, weil die Familie kein Auto hat. Die Familie erhält alle möglichen Hilfen vom Staat, nur Geld für ein Auto, mit dem der Vater seine Kinder selbst zur Schule bringen könnte, bekommen sie nicht. Das ist leider nicht vorgesehen, sagt das Amt. 

„Wirklich, ihr dürft niemandem ein Auto bewilligen? Ihr dürft einer 21-Jährigen nicht ermöglichen, zur Schule zu gehen, weil sie Schulden hat? Wo steht das genau?“ Harry Kruiter, Mitgründer des Instituts für öffentliche Werte (IPW) in Utrecht, federt über die Bühne und lacht. „Die Antwort heißt fast immer: Hm, ja, also so genau steht das nirgends.“ Darf die Verwaltung vielleicht mehr, als sie denkt?

Kruiter wühlte in Paragrafen und Anordnungen, wendete Regularien und Erlasse. Tatsächlich: Überall gibt es Ausnahmen, Schlupflöcher, eine Sonderverordnung, einen Geldtopf, der sich unverhofft für solche Zwecke nutzen lässt. Zum Beispiel Artikel 18 im niederländischen Arbeitslosengesetz, der einer Behörde ermöglicht, nach eigenem Ermessen eine Sonderleistung zu gewähren oder Bargeld auszuzahlen. „99 Prozent aller Verwaltungsgesetze haben im Kleingedruckten Ausnahmeregelungen“, sagt Kruiter. Entscheidend: Man muss sie finden und die Amtsmitarbeiter:innen überzeugen, sie klug zu nutzen. 

Verwaltung, kreativ. Echt jetzt?

Berlin, ein Donnerstag im Juni nahe der Spree. Im alten Fabrikgelände duftet es nach Asia-Nudeln und Chai Latte. Riesenseifenblasen steigen in den Himmel, ab und an erklingt ein leiser Gong. Es gibt Meet-ups in Sommersesseln, Diskussionsrunden auf Pappwürfeln, Workshops mit Spielkarten in der Gaming Area, ein „Büro für die …

Foto: Creative Bureaucracy Festival

Inspirationen vor Palmendekor: Kreativrunde für eine bessere Bürokratie.

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