Anständig essen ist so viel einfacher als anständig Kleider kaufen. In jedem Supermarkt stehen neben konventionellen und regionalen Produkten Biolebensmittel im Regal. Gekennzeichnet sind Milch, Salami oder Mehl zwar mit verschiedenen Siegeln – Naturland, Demeter, Bioland, … – aber für die Bezeichnung „Bio“ gibt es wenigstens staatliche Standards. Das fehlt im Textilmarkt meist ebenso wie das Nebeneinander von ökologisch und konventionell erzeugten Waren in den Läden.
Nur wenige Marken verraten mit Hilfe von Siegeln, wie ihre Kleider, Hosen oder Jacken hergestellt wurden. Und wenn ein Öko Schildchen am Bügel baumelt, ist der Kunde meist verwirrter als zuvor. Zwar gibt es immer mal Versuche, einen „grünen Knopf“ einzuführen. Bislang konnte sich die Industrie aber gut dagegen wehren: Zu verschlungen seien die globalen Lieferketten, zu anspruchsvoll, gemeinsame Regeln für alle zu finden. So gibt es gute Zertifikate, die ökologische und faire Produktionsbedingungen garantieren – und schlechte, die wenig bis überhaupt nichts aussagen.
Welche Siegel sind gut, welche schlecht?
Was ein gutes und was ein schlechtes Siegel ist, beurteilen Experten dabei unterschiedlich. So gilt bei Greenpeace das Siegel „Bluesign“, das vor allem auf Funktions- und Sportkleidung prangt, als guter Schritt zu weniger giftiger Chemie in Kleidern; die Kampagne für Saubere Kleidung hält es für halbherzig, weil konventionell angebaute, gentechnisch veränderte Baumwolle zugelassen wird.
Andere Siegel nehmen nur das Endprodukt ins Visier, nicht den Herstellungsprozess. Der weit verbreitete Standard Ökotex 100 besagt: Im Kleidungsstück stecken keine giftigen Chemikalien mehr. Ob giftige Färbemittel oder Wachse in Spinnereien und Textilfabriken eingesetzt und später herausgewaschen wurden, verrät das Siegel nicht. Die Tierrechtsorganisation Peta zertifiziert mit dem „Peta approved vegan“-Zeichen Kleidung, die ohne tierisches Material hergestellt wurde – möglicherweise aber aus giftiger Baumwolle und von unterbezahlten Näherinnen.
Auch der Preis allein gibt keinen Anhaltspunkt. Die Billigkette Takko Fashion verbessert seit Jahren mit der angesehen Fair Wear Foundation ihre Lieferkette; teure Marken wie Hugo Boss geraten dagegen wegen fehlender Transparenz immer wieder in die Kritik. Dennoch: An diesen drei Siegeln können sich Verbraucher derzeit am besten orientieren:
IVN Best
Der IVN Best kennzeichnet Kleidung, die nach der reinen Öko-Lehre hergestellt wird. Vergeben wird das Zertifikat durch den „Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft“ (IVN) mit Sitz in Stuttgart. Sein runder Button hängt an Textilien, die ausschließlich aus Naturfasern gemacht wurden, also etwa aus Baumwolle, Leinen oder Wolle. Dabei muss die Produktion besonders strengen Anforderungen genügen.
Das Reglement für Rohstoffe und Chemikalien ist so streng, dass manche Kleidungsstücke derzeit nicht regelgerecht hergestellt werden können, beispielsweise Outdoorjacken oder Sportkleidung, die schmutzabweisend oder besonders schnell trocknend sein sollen. Diese Einschränkungen nimmt der IVN in Kauf, weil er weniger den Massenmarkt im Sinn hat, sondern so etwas wie ein „Best Practice“ ökologischer Kleiderproduktion aufzeigen möchte. Zu den ausgezeichneten Unternehmen gehören Comazo (Unterwäsche), deepmello (Leder) und Wunderwerk (Fashion).
Global Organic Textile Standard
Zusammen mit Öko-Verbänden aus England, den USA und Japan hat der IVN 2002 den nicht ganz so strengen „Global Organic Textile Standard“ (GOTS) gegründet. Weltweit sind laut GOTS inzwischen 5024 Betriebe zertifiziert. An immer mehr Kleidungsstücken hängt inzwischen das weiße Hemd im grünen Kreis. Der GOTS versucht einen Kompromiss zwischen Anspruch und Pragmatismus. Im Gegensatz zum IVN Best lässt er zum Beispiel beim Färben manche Schwermetalle wie Kupfer und Eisen zu. Der Anteil an biologisch erzeugten Fasern eines Kleidungsstücks muss nur bei mindestens 70 Prozent liegen, wenn der Hersteller das kenntlich macht.
Konventionelle Baumwolle sowie Stoffe aus Angora-Wolle sind verboten; außer in Accessoires ist Polyester nur als Recycling-Produkt in bestimmten Mengen erlaubt. Eine Fabrik, die sich nach dem GOTS zertifizieren lassen möchte, muss eine funktionierende Kläranlage vorweisen, für die Tierhaltung – etwa von Schafen – gibt es Vorschriften. Auch soziale Kriterien wie das Verbot von Kinderarbeit oder das Recht auf die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, wurden inzwischen aufgenommen. Langsam beginnt der GOTS, sich als das Biosiegel mit der branchenweit größten Anerkennung durchzusetzen.
Fair Wear Foundation
Die Fair Wear Foundation (FWF) mit Sitz in den Niederlanden zertifiziert nicht einzelne Produkte, sondern arbeitet mit Unternehmen zusammen. Verbraucher finden also im Discounter keine einzelne Kinderjeans mit dem roten Logo der FWF. Die Stiftung entwickelt mit dem jeweiligen Unternehmen eine Roadmap mit Zielen – etwa mit Prozentzahlen von Zulieferbetrieben, deren Arbeitsbedingungen überwacht werden. Jährliche Berichte sind online abrufbar und zeigen, ob das Unternehmen Fortschritte macht.
Dabei arbeitet die Stiftung mit Gewerkschaften, Betriebsräten oder Menschenrechtsorganisationen vor Ort zusammen. Richtig und vollkommen fair, da sind sich die Experten einig, lässt sich in Bangladesch oder Pakistan bislang nicht herstellen. Aber wer Mitglied in der Fair Wear Foundation ist, hat sich immerhin auf den Weg gemacht. Mehr als 80 Unternehmen mit 120 Marken sind mittlerweile dabei, darunter auch das schwedische Modeunternehmen Acne Studios und der deutsche Outdoor-Spezialist Schöffel.
Bei fairer Mode ist es wie mit Lebensmitteln: Es gibt allerlei Siegel, doch welche sind die besten?