Existenzängsten trotzen

Gründer*innen bleiben optimistisch

Durch die Coronakrise ist die Situation für viele Start-ups, die versuchen nicht nur Geld zu verdienen, sondern gleichzeitig die Welt ein bisschen besser zu machen, schwierig. Doch die Gründer*innen geben nicht auf.

Sebastian Stricker vom Berliner Start-up Share verkauft millionenfach Mineralwasser und Flüssigseife, bei denen die Hilfe für Menschen in der Not fester Bestandteil des Produkts ist. Steffen Preuß hat in Duisburg mit Freunden einen interaktiven Ball entwickelt, der mit Licht, Geräuschen und Vibrationen Demenz-Kranken und geistig behinderten Menschen einen neuen Weg zur Kommunikation bieten soll. Katharina Mayer bietet mit ihrem Münchner Start-up Kuchentratsch Torten zum Verkauf an, die von Senior*innen noch liebevoll von Hand gebacken werden – und hat damit gleichzeitig einen Treffpunkt für die alten Leute geschaffen. Den drei Unternehmen ist gemeinsam, dass es ihnen nicht nur ums Geld geht. Sie – wie viele andere sogenannte Sozialunternehmer*innen – wollen die Welt ein bisschen besser machen. Doch auch das schützt sie nicht vor den Folgen der Corona-Krise. Im Gegenteil: Nach einer im Juli durchgeführten Umfrage des Sozialunternehmen-Netzwerks Send befürchtet fast die Hälfte (46 Prozent) der Befragten, ihre Unternehmen und Organisationen unter den gegenwärtigen Bedingungen höchstens noch sechs Monate aufrechterhalten zu können.

Auch bei Good Impact: Lasst uns endlich gemeinsam loslegen!

Stefan Preuß kennt die Probleme aus erster Hand. Eigentlich wollte er mit seinem Duisburger Start-up Icho-Systems Ende 2019 die Serienproduktion des neu entwickelten Therapie-Balls aufnehmen. Schon vor dem Verkaufsstart hatte das Projekt den Gründern diverse Preise eingebracht. Doch gerade als der Ball Ende 2019 in Serienproduktion gehen sollte, wurde es schwierig. „Im November gab es plötzlich Lieferschwierigkeiten bei den elektronischen Bauteilen aus China“, erinnert sich Preuß. Um wenigstens eine kleine Zahl von Bällen ausliefern zu können, mussten er und seine Mitstreiter*innen in Deutschland auf die Jagd nach fehlenden Komponenten gehen und die Bälle teilweise im Home-Office zusammenbauen. So konnte am Ende wenigstens eine erste Tranche von rund 120 der mehr als 1200 Euro teuren Bälle produziert und ausgeliefert werden.

Sozialunternehmer*innen: „Es wird schwierig“

Inzwischen sind die Lieferengpässe Vergangenheit. Doch die Sorgen der Jungunternehmer*innen sind nicht geringer geworden. „Die Auftragslage ist katastrophal“, erzählt Preuß. Denn die Pflegefachkräfte in den Heimen seien derzeit viel zu sehr mit der Umsetzung der aktuellen Hygienekonzepte beschäftigt, um sich mit neuartigen Produkten wie dem Icho-Ball auseinandersetzen zu können. „Es wird schwierig“, sagt Preuß. „Wir müssen den Gürtel sehr viel enger schnallen.“

Deutlich besser sieht es bei Sebastian Stricker aus, der mit seinem Start-up Share seit Jahren eine Vielzahl von Produkten vom Mineralwasser über Seife bis zum Nussriegel verkauft. Das Besondere dabei: Für jedes verkaufte Produkt wird einem bedürftigen Menschen mit einem gleichwertigen Produkt oder Service geholfen. Nach dem kürzlich vorgelegten „Impact Report“ des Unternehmens wurden so bereits 75 Brunnen und 40 Handpumpen für mehr als
300 000 Menschen finanziert und mehr als 6 Millionen Mahlzeiten sowie 3,3 Millionen Hygieneprodukte verteilt.

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Das Start-up boomt. „Gerade jetzt in Corona-Zeiten legen die Kunden beim Konsum noch mehr Wert auf Nachhaltigkeit“, sagt Strickers. Die Umsätze von Share seien zuletzt deutlich zweistellig gewachsen. Waren Produkte bisher anfangs vor allem bei Rewe und dm zu bekommen, gibt es mittlerweile das Share-Mineralwasser auch in Fernzügen der Deutschen Bahn. In Österreich sind Share-Produkte inzwischen ebenso zu kaufen – und die Expansion in ein weiteres Land ist in Vorbereitung.

Torten, von „Omas und Opas“ gebacken

Viel schwieriger als für Share waren die Folgen von Corona auch für das Münchner Start-up Kuchentratsch. Gegründet wurde es 2014 von Katharina Mayer aus der Überzeugung heraus, dass es den leckersten Kuchen doch immer noch bei Oma gibt – aber auch, um etwas Soziales für Senioren zu tun. Seit sechs Jahren verkaufte das Start-up deshalb Torten, die von „Omas und Opas“ nach ihren eigenen Rezepten in der Backstube des Unternehmens in München gebacken wurden. Das soll Kuchenfreunden Vergnügen machen, aber auch den Senioren helfen – durch die mit dem Backen verbundenen sozialen Kontakte, das Gefühl, gebraucht zu werden, und den Zusatzverdienst. Immerhin rund 50 „Omas und Opas“ waren in der Backstube aktiv.

„Mit Beginn der Kontaktbeschränkungen stellten wir den Backbetrieb ein, um unsere älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen“, sagt Kuchentratsch-Mitarbeiterin Theresa Offenbeck. „Die Schließung bedeutete nicht nur, dass einige der Omas und Opas ohne soziale Kontakte zuhause allein waren, sondern auch den Einbruch des kompletten Umsatzes durch den Kuchenverkauf.“

Sozialunternehmer*innen: Kuchentratsch-Macher*innen geben nicht auf

Erst seit wenigen Wochen wird der Betrieb in der Backstube langsam wieder hochgefahren – natürlich mit strengen Hygieneregelungen. „Der Backbetrieb ist nicht vergleichbar mit der Zeit vor dem Lockdown.“ Auch die Auftragslage habe sich verschlechtert. Haupt-Kundengruppe seien Firmen, die Torten als Geschenke für Kund*innen oder Mitarbeiter*innen bestellten. „Hier merken wir deutlich, dass das Budget seit Corona verringert wurde.“

Doch aufgeben wollen die Kuchentratsch-Macher nicht – im Gegenteil. Schon während der Schließung der Backstube wurden erste Backmischungen auf Basis der Oma-Rezepte herausgebracht. Das half den Umsatzausfall abzufedern. Bisher sind die Backmischungen zwar nur im eigenen Online-Shop und in 60 Geschäften in und um München zu finden. Doch wenn es nach den Plänen von Gründerin Katharina Mayer geht, sollen die Backmischungen für „Oma Annas Schokokuchen“ und „Oma Helgas Zitronenkuchen“ schon im nächsten Jahr deutschlandweit in Supermärkten in den Regalen stehen – und die Ausweitung des Projekts finanzieren.

Illustration: imago images / ikon images

Es geht nur zusammen: Sozialunternehmer*innen leiden besonders unter der Krise – und bleiben trotzdem überwiegend positiv.

Erich Reimann, dpa

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