Massenüberwachung und rassistische Diskriminierung

US-Konzerne wollen Regulierung von Gesichtserkennungs-Software

Inmitten der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA überdenken amerikanische Tech-Konzerne die Versorgung von Behörden mit Gesichtserkennungs-Software. Erst stieg IBM ganz aus dem Geschäft aus, jetzt macht Amazon den nächsten Schritt.

Amazon will seine Gesichtserkennungs-Software ein Jahr lang nicht der Polizei zur Verfügung stellen. Der Konzern hoffe, dass der US-Kongress sich in dieser Zeit auf einen regulierenden Rechtsrahmen für die Technologie einigen könne, erklärte Amazon in der Nacht zum Donnerstag. Man werde die Software mit dem Namen „Rekognition“ aber weiterhin zum Beispiel für Organisationen verfügbar machen, die nach vermissten Kindern suchen, die Opfer von Menschenhändlern geworden sein könnten.

Kritik an Gesichtserkennung-Software

Zuletzt verstärkte sich in den USA Kritik am breiten Einsatz von Gesichtserkennung, weil damit Überwachung von Menschen und die Diskriminierung einzelner Bevölkerungsgruppen möglich sei. Einige US-Städte wie etwa San Francisco untersagten den Einsatz solcher Technologien. Bei der Gesichtserkennung durch Behörden werden zur Identifizierung von Personen Kamerabilder mit Datenbanken abgeglichen. Befürworter entgegnen, dank Gesichtserkennung könnten in vielen Fällen Straftaten schneller aufgeklärt werden.

Erst Anfang der Woche hatte IBM angekündigt, sich aus dem Geschäft mit Gesichtserkennungs-Software komplett zurückzuziehen. Der Computer-Konzern erklärte, er wolle nicht zulassen, dass Technologie für Massenüberwachung, rassistische Diskriminierung oder Menschenrechtsverletzungen verwendet wird, hieß es in einem Brief an US-Abgeordnete. Google scheut wegen solcher Bedenken schon seit Jahren davor zurück, Technologie für Gesichtserkennung anzubieten oder öffentlich zugänglich zu machen.

Mehr Fehler bei nicht weißer Hautfarbe

Bei Amazon wird die Technologie unter dem Dach der Cloud-Tochter AWS entwickelt. Für Amazon ist das Moratorium eine Kurswende. Bisher verteidigte der Konzern stets den Einsatz von „Rekognition“ bei der Polizei – auch nachdem Forscher nach einer Testreihe kritisiert hatten, dass das Programm mehr Fehler bei Gesichtern mit einer anderen Hautfarbe als der weißen mache. Amazon konterte, bei den Tests seien falsche Methoden angewandt worden, während die Technologie korrekt funktioniere. Zugleich hatte sich Amazon-Chef Jeff Bezos bereits im Herbst für eine Regulierung der Technologie ausgesprochen.

Auch bei Good Impact: Systematischer Rassismus in den USA

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Microsoft fordert das bereits seit 2018 – und ist zugleich auch ein relevanter Lieferant von Software zur Gesichtserkennung. Die amerikanischen Polizeibehörden haben aber auch andere Alternativen. So sorgte Anfang des Jahres die Firma Clearview AI für Aufsehen, die einfach eine Datenbank aus Millionen öffentlich zugänglichen Fotos von Online-Diensten zusammentrug und unter anderem Polizeibehörden darauf zugreifen lässt. Unter anderem Google, YouTube und Twitter forderten die Firma auf, das Abgreifen von Bildern zu unterlassen.

Clearview-Chef Hoan Ton-That bekräftigte nach Amazons Ankündigung, die Technologie seiner Firma arbeite korrekt bei allen Hautfarben. Das sei ihm persönlich ein besonderes Anliegen, sagte der Software-Entwickler, der aus Australien in die USA kam und vietnamesische Vorfahren hat, der Technologie-Website CNET. Dadurch habe man die falsche Identifizierung von Menschen durch die Polizei verhindert. Clearview lasse nur einen „verantwortungsvollen“ Einsatz seiner Gesichtserkennungs-Technologie zur Identifizierung von Verdächtigen – aber nicht etwa als Werkzeug zur Überwachung bei Protesten – zu.

Bild: imago images / Ikon Images

Gesichtserkennungs-Software steht seit ihrer Erfindung in der Kritik, menschenrechtsverletzend zu sein. Auch führende Tech-Konzerne auf diesem Gebiet sprechen sich mehrheitlich für eine Regulierung der Technologie aus.

Redaktion, dpa

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