Überleben mit Wissenschaft und Tradition
Kiribati

„Die innige Verbindung zu meiner Heimat ist in der Klimakrise unverändert. Die Selbstbezeichnung von uns Inselbewohner:innen ‚I-Kiribati‘ spiegelt dieses Gefühl wider. Es bedeutet übersetzt etwa ‚Ich von Kiribati‘. Meine Heimatinsel Maiana ist zum Resilienz-Zentrum der Pazifikstaaten geworden. Ein ausgefeiltes Hydraulik-System lenkt Meeresströmungen um, das reduziert seit Jahren den Landverlust. Wasserturbinen am Meeresgrund erzeugen Energie für unsere Häuser. Und mitten in der türkisblauen Lagune liegt das wissenschaftliche Herzstück des Atolls: ein schwimmendes Forschungszentrum mit modernen Laboren unter Palmendächern, finanziert durch ein amerikanisches Forschungsinstitut. Es vereint die Expertise von Wissenschaftler:innen aus aller Welt und der umliegenden Inseln. Das Ziel: Kiribati anpassungsfähiger machen.
Abgesehen von der Forschungsstation, Elektrobussen und einem nachhaltigen Wellness-Resort für Tourist:innen, hat sich auf Maiana nur wenig verändert. Auch heute, 2040, ernähren wir uns von Fisch, Brotfrucht, Wurzelgemüse und Kokosnüssen, flechten Schlafmatten aus getrockneten Pandanusblättern und sehen den Fregattvogel über dem Atoll wachen. Und doch hat sich die Gesellschaft gewandelt.
Die Bevölkerung ist zusammengerückt. Vor fünfzehn Jahren gab es einen schrecklichen Zyklon, damals hat Maiana Bewohner:innen von Arorae aufgenommen, einer Insel am südlichen Ende der Gilbertinseln. Heute haben wir etwa 2.500 Einwohner:innen. Maiana ist eine von 13 Inseln, auf denen die I-Kiribati noch leben. In unseren Dörfern gibt es vor allem Kinder und alte Menschen. Viele in meinem Alter haben ein neues Leben im Ausland begonnen, statt in der Inselgruppe umzuziehen. Fast überall werden wir zwar als Klimaflüchtlinge anerkannt, doch die Rechtslage ist oft unsicher. Und wie sollen wir unsere Traditionen in der Ferne weiter pflegen? Möglich ist es: In Neuseeland nutzen I-Kiribati die Maori-Häuser, die unseren Maneabas ähneln, für Tänze und Zusammenkünfte.
Die meisten Tage verbringe ich in der Forschungsstation. Ich überprüfe den Zustand unseres künstlichen Korallenriffs. Traditionelle Speerfischer tauchen zu den Korallen und entnehmen stabförmige Proben. Auch in den Mangrovenwäldern an der Küste gegenüber laufen täglich Anpassungsprojekte. Frauen vergraben Pflanzensetzlinge im schlammigen Boden, um die Küste vor Erosionen zu schützen – ehrenamtlich. Finanziert werden die I-Kiribati von Familienmitgliedern im Ausland. Auch der Export von Kokosöl und der Tourismus auf der Insel bringt uns noch Einnahmen. Die meisten versorgen sich aber mit kleiner Landwirtschaft selbst. Niemand ist hier reich, aber alle haben genug.
Abends sitze ich oft mit meinem Großvater Anote Tong auf dem langen Deich hinter unseren Häusern und schaue aufs Meer. Mein Großvater war von 2003 bis 2016 Präsident von Kiribati und Umweltaktivist. Wir diskutieren über die Regierung heute und wünschen uns beide eine transparentere Verteilung der erhaltenen Verlust- und Schadensfonds. Trotzdem bleiben wir zuversichtlich. Unser System aus Tradition und moderner Wissenschaft kann bestehen – vorausgesetzt, wir bewahren stets ‚Kakaitau: die Achtung der Natur‘, wie es mein Großvater nennt.“
Protokoll: Anne Paulsen
Frauen vereint für den Frieden und die Umwelt
Indien

„Etwa 15 Jahre ist es her, dass wir uns in Indien an einem Scheidepunkt befanden: Der Rechtsruck schien kaum aufhaltbar, die Umwelt wurde im Namen von Wachstum und Profit zerstört. Nur dank des unermüdlichen Einsatzes der Frauen, die in so vielen Kämpfen an vorderster Front standen, blicke ich auf Jahre der Gerechtigkeit, des Zusammenrückens und der Innovation zurück. Es waren die Frauen, die für Bürger:innenrechte …
Von links nach rechts: Evii Tong, Kiran Moghe, Kakwenza Rukirabashaija