Als Rumbidzai Gwinji die Zimbaqua-Mine zum ersten Mal besucht, weiß sie sofort: „Ich will Teil davon sein.“ Sie sieht, wie Dutzende Frauen in einer Grube nach Aquamarinen schürfen. Andere kümmern sich um die Beete im anliegenden Garten. Eigentlich war Gwinji in den ländlichen Norden Simbabwes gereist, um die Arbeiterinnen der Mine zu schulen. Sicherheit und Nachhaltigkeit im Bergbau stehen auf dem Lehrplan. „Aber dann war ich diejenige, die in diesen Tagen in der Mine am meisten gelernt hat“, sagt Gwinji heute: über Zusammenhalt und den Wert von Unabhängigkeit als Frau und Mutter. Kurzerhand bewirbt sie sich um eine feste Stelle als Koordinatorin bei Zimbaqua. Sie bekommt sie. Seither zählt Gwinji zum Team der ersten Mine Afrikas, in der ausschließlich Frauen arbeiten.
Zwei Männer haben das Edelsteinbergwerk Zimbaqua gegründet. „Wir haben den konventionellen Bergbau auf den Kopf gestellt“, sagt Unternehmer Patrick Tendaye Zindoga. Mit seinem dänischen Geschäftspartner Iver Rosenkrantz kaufte er vor drei Jahren etwa 50 Hektar Land in der Karoi-Region. Vor Ort suchten sie immer wieder das Gespräch mit den Anwohner:innen. „Es war offensichtlich, dass es für die Frauen dort keine Perspektiven gab“, sagt Rosenkrantz. Einige schürften auf eigene Faust nach Edelsteinen. Andere arbeiteten auf einem Acker; ernteten Mais und Tabak. Die meisten jedoch waren arbeitslos und, falls sie verheiratet waren, abhängig vom Lohn ihrer Männer. Zindoga und Rosenkrantz wollten das ändern.
30 Arbeiterinnen beschäftigt Zimbaqua inzwischen. Mit ihrem Bachelor in „Environmental health and safety“ ist die Minen-Koordinatorin Gwinji eine Ausnahme. Die meisten Arbeiterinnen haben keinen Schulabschluss und keine Erfahrung im Bergbau. In Simbabwe ist Bildung schon früh eine Geldfrage. Selbst staatliche Schulen verlangen einen Beitrag. „Manchmal konnte ich die Schulgebühren für meine Kinder nicht bezahlen“, erzählt Anatolia Mapfumo. Heute arbeitet sie als Managerin bei Zimbaqua. Früher ging sie Goldwaschen, mit spärlichen Erträgen. Wann immer das Geld nicht reichte, mussten ihre drei Kinder zu Hause bleiben. Eine Schulpflicht gibt es in Simbabwe nicht. So entsteht ein Teufelskreis: kein Geld, keine Bildung, kein Job, kein Geld. Zindoga und Rosenkrantz wollen diesen Teufelskreis durchbrechen.
„Simbabwe lernt, seine eigenen Ressourcen zu verwalten“
Dahinter steckt keine bloße Wohltätigkeit, sondern eine ausgefeilte Strategie. „Wir wollen der Gemeinde etwas zurückgeben“, sagt Zindoga. Er sagt aber auch: „Es ist ein Geschäftsmodell, wir wollen damit Profit machen.“ Für ihn ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil: Er sieht es als einzige Möglichkeit, die Entwicklung seines Heimatlandes erfolgreich voranzutreiben. Wenn westliche Unternehmen nach Afrika kämen, sei das häufig anders. Dann stehe oft einzig der Gewinn im Vordergrund, und die Einwohner:innen müssten zurückweichen.
In der Kolonialzeit war der Bergbau immer eine tragende Säule. Europäische Konzerne ließen die Rohstoffe meist von billigen Arbeitskräften schürfen – und verkauften sie zu hohen Preisen ins Ausland. Was der lokalen Bevölkerung vom Ressourcenreichtum blieb, war häufig nicht mehr als Hungerlöhne und zerstörtes Land. „Simbabwe lernt gerade erst, seine eigenen Ressourcen zu verwalten“, sagt Zindoga. Schließlich hätte der Westen Hunderte Jahre Vorsprung, und lange haben die kolonialen Strukturen die Entwicklung verhindert. Simbabwe ist erst seit 1980 offiziell unabhängig. Zindoga war damals ein Jahr alt. Es war eine verheißungsvolle Zeit, die Wirtschaft wuchs zunächst stark.
Heute ist Simbabwe eines der ärmsten Länder der Welt. Jahrzehnte unter der Herrschaft des Machthabers Robert
Mugabe haben Spuren hinterlassen. Die Infrastruktur ist marode; Exportrestriktionen erschweren den Handel mit dem Ausland. Auch nach Mugabes Sturz im Jahr 2017 blieb der erhoffte Wandel aus. Hohe Arbeitslosigkeit, Hyperinflation und Nahrungsunsicherheit folgten. Die Corona-Pandemie und Naturkatastrophen wie der Zyklon Idai haben die Situation weiter verschärft. Nach Angaben der Weltbank lebte 2020 beinahe die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der extremen Armutsgrenze. Das heißt: In Simbabwe muss jede:r Zweite heute im Monat mit etwa 30 US-Dollar oder weniger zurechtkommen. Dabei ist das Land reich an Rohstoffen wie Gold, Platin, Lithium, Diamanten und anderen Edelsteinen. Nur: Wie kann die Bevölkerung Simbabwes davon profitieren?
Zindoga sucht das Gespräch mit den Menschen. Auf der einen Seite innerhalb des Landes, mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie Frauen und Jugendlichen. Auf der anderen Seite außerhalb des Landes. „Wer sich abschottet, der kann nicht wachsen.“ Simbabwe müsse sich öffnen und global denken, so Zindoga. Auch deshalb hat er sich mit Rosenkrantz zusammengetan. Der gebürtige Däne lebt seit mehr als 15 Jahren in Afrika, er arbeitet unter anderem mit Bergleuten in Kenia. „Ein junges Land wie Simbabwe braucht Mentoren wie ihn“, sagt Zindoga. Er habe die nötige Erfahrung – und die Kontakte zu potenziellen Kunden im Ausland, zum Beispiel zum nachhaltigen New Yorker Schmucklabel Renna Jewels. Zudem hat er schon eigene Schmuckkollektionen auf den Markt gebracht. Rosenkrantz weiß aber auch, wie schwer gerade die ersten Jahre sein können: „Eine Mine kann ein großes Loch sein, in das man immer wieder Geld stecken muss.“
Zimbaqua hat 2019 eröffnet. Als die Corona-Pandemie im darauffolgenden Jahr auch Simbabwe traf, stand der
Betrieb wochenlang still. Um die Zeit dennoch zu nutzen, hat das Team eine Schmuckkollektion entworfen. Die „Karoi Collection“ kam vor wenigen Wochen auf den Markt. „Wir befinden uns immer noch in der frühen Start-up-Phase“, sagt Zindoga. Beträchtliche Gewinne hätte Zimbaqua bislang nicht erzielt. Die Arbeiterinnen verdienen in der Mine 140 US-Dollar im Monat. Zum Vergleich: Der Mindestlohn für Farmarbeiter: innen liegt – abhängig vom jeweiligen Wechselkurs – bei rund 15 US-Dollar im Monat. Zudem kommt das Unternehmen für die medizinische Versorgung der Frauen und ihrer Familien auf. Allein dadurch habe sich ihr Leben verändert, erzählt die Arbeiterin Esther Chiroroma. Ihr Mann ist von der Hüfte abwärts gelähmt, von Jahr zu Jahr ging es ihm schlechter. „Seit ich bei Zimbaqua arbeite, kann er endlich behandelt werden“, sagt Chiroroma.
Die Löhne in der Bergbauindustrie werden laut Zindoga vom Staat festgelegt, „um eine angemessene Bezahlung der Arbeiter:innen sicherzustellen“. In dem entsprechenden Dokument steht allerdings auch, dass es Unternehmen frei-
steht, nach Möglichkeit mehr zu zahlen. Zingoda: „Sobald der Betrieb zu 100 Prozent läuft, wollen wir mehr tun.”
„Wir wollen die Natur und Umwelt erhalten“
Das Geschäft mit Rohstoffen ist bis heute ambivalent. Einerseits kann es armen Ländern wie Simbabwe – unter fairen Bedingungen – dringend benötigtes Geld bringen. Andererseits hinterlässt jeder Eingriff in die Umwelt Spuren. Und gefährdet so auch in der Karoi-Region eine weitere Ressource: die fruchtbaren Böden. „Für viele Bergbaukonzerne hat die Umwelt keine Priorität“, sagt Gwinji. Als sie sich nach ihrem Studium als Beraterin für Nachhaltigkeit und Sicherheit selbstständig machte, hatte sie höchstens ein, zwei Aufträge im Jahr.
Rosenkrantz und Zindoga streben auch in dieser Hinsicht eine Kehrtwende an. Sie haben sich den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verschrieben. Wie das funktionieren soll? Bei Zimbaqua bilden fünf Frauen ein „Umweltteam“. Vor den Arbeiten sammeln sie Samen aus der Umgebung, die anschließend in eine Saatgut-Bank kommen. Wenn eine Grube wieder geschlossen wird, pflanzt das Team die Samen, sodass dort neues Leben entstehen kann. Auf Chemikalien verzichtet Zimbaqua bei allen Arbeitsschritten. „Wir wollen die Natur und Umwelt immer erhalten“, sagt Rosenkrantz. Im anliegenden Garten baut das Team Tomaten und Zwiebeln an; auf einem fünf Hektar großen Feld wächst Mais. Die gesamte Ernte geht an die Arbeiterinnen und ihre Familien. Letztendlich ist es genau das, was Nachhaltigkeit für die Gründer von Zimbaqua bedeutet: Selbstermächtigung. „Wenn wir die Frauen empowern“, sagt Rosenkrantz, „dann hilft das der gesamten Gemeinschaft.“
Fragt man die Arbeiterinnen, was sie sich für ihre Kinder wünschen, fällt ein Begriff immer wieder: gute Bildung. Nun soll aus dem Wunsch Realität werden. Bevor die Mine eröffnete, versprachen Zindoga und Rosenkrantz, zehn Prozent des Gewinns in soziale Projekte zu investieren. Wofür das Geld genutzt wird, entscheiden die Frauen.
Obwohl der Profit noch klein ist, gibt es große Pläne: In den nächsten Monaten soll eine Grundschule entstehen, außerdem eine Kinderklinik und ein Ausbildungszentrum. Dort sollen die Arbeiterinnen lernen, wie man die Edelsteine zu Schmuck verarbeitet. Vom ersten Spatenstich bis zum letzten Feinschliff: Alles soll künftig in den Händen der Frauen aus der Karoi-Region liegen. Die staatliche Zimbabwe School of Mines wolle mit ihnen kooperieren, erzählt Zindoga. So könnten die Arbeiterinnen eine staatlich anerkannte Ausbildung im Bergbau nachholen. „Das ist eine große Sache, hier, im ländlichen Simbabwe.“
Auch den Ackerbau wollen die Gründer vorantreiben. Wenn alles nach Plan läuft, soll sich die Gemeinde in drei bis fünf Jahren zum Großteil selbst mit Nahrungsmitteln versorgen können. Weitere 15 Hektar Land wollen Zindoga und Rosenkrantz dafür kaufen. Derzeit warten sie auf grünes Licht von der regionalen Behörde. Das Architektenbüro Snøhetta mit Sitz in New York und Oslo arbeitet bereits auf eigene Kosten an Entwürfen. „Wir bewegen uns auf unseren Traum zu“, sagt Zindoga. Auch Minen-Koordinatorin Gwinji betrachtet Simbabwe als Land der Chancen: „Wir entwickeln uns immer weiter, und das mit unseren eigenen Ressourcen.“ Für die nächsten Jahre habe sie große Ziele, erzählt Gwinji: Sie will Ingenieurin werden. Die Arbeit bei Zimbaqua sei ein wichtiges Sprungbrett auf ihrem Weg.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Oktober/November 2021 mit dem Titel „Tschüss, Kolonialismus“.
Fair bezahlte Arbeit und eine echte Perspektive: Sharon Kasoka präsentiert stolz ihren geschürften Aquamarin. Sie ist eine der 30 Zimbaqua-Minenarbeiterinnen in Simbabwe.