„Plastikmüll ist das Problem und Innovation ist unsere Lösung“, heißt es in einem Adidas-Spot. Die Marke mit den drei Streifen will sich durch drei Leitmaximen als kreislauffähiger Sportartikelhersteller etablieren: Mit „Recycled Loop“, „Circular Loop“ und „Regenerative Loop“ strickt er eine Geschichte rund um die Plastikkrise, die er mitverantwortet.
2015 schloss sich das Unternehmen mit der Umweltorganisation Parley for the Oceans zusammen, um den ersten Laufschuh aus upgecycelten Plastikabfällen zu entwickeln, die in Küstenregionen eingesammelt werden. Als Nike fünf Jahre später mit der Recycling-Kollektion Space Hippie nachzog, hatte Adidas den Prozess schon kommerzialisiert, 30 Millionen Paar hergestellt, und mit Primeblue und Primegreen verschiedene Produktlinien gelauncht.
Zu 60 Prozent recyceltes Polyester
Ab 2024 will der Konzern kein Frischplastik mehr verarbeiten. Auf Anfrage gibt er bekannt, dass schon jetzt „deutlich über 60 Prozent“ des verwendeten Polyesters aus wiederaufbereitetem Plastikmüll bestehe. Allerdings ändert das wenig an den immensen Treibhausgasemissionen der rohölbasierten Plastikproduktion sowie den acht Millionen Tonnen Plastikmüll, die jedes Jahr trotz netter Strand-Sammelaktionen in den Ozeanen landen. Und: Ob recycelt oder nicht, Textilien aus Polyester geben Mikroplastik ab, das der Wind von den Straßen in Flüsse weht und Waschmaschinen ins Abwasser spülen.
Um nun auch Ursachen statt nur Symptome zu bekämpfen, will Adidas seine „Circular Loop“-Strategie ausbauen. Dabei ist etwa der „Made to be Remade“-Laufschuh entstanden, der seit April 2021 für stolze 180 Euro angeboten wird. Einmal abgetragen, sollen Kund:innen ihn retournieren, damit er gewaschen, zerlegt, eingeschmolzen und neu verarbeitet werden kann. „Durch die Verwendung von nur einer Materialart und den Verzicht auf Klebstoffe ist der Schuh von Beginn an dafür gemacht, wiederverwertet zu werden“, schreibt Adidas. Loop-Bekleidung, etwa eine Wanderjacke, soll ab Sommer 2022 verkauft beziehungsweise vermietet werden – denn ein Abo-Modell würde garantieren, dass die Produkte über Adidas zurück in den Kreislauf gelangen könnten.
Materialinnovationen: Seidenproteine und Pilzfäden
Die wohl spektakulärste Sparte aber ist „Regenerative Loop“: organische Materialien, die biologisch abbaubar sind. Adidas-Produkte sollen also in Zukunft nicht nur mehrere Lebenszyklen haben, sondern letztlich der Natur zurückgegeben werden. Sie bestehen (in Anteilen) etwa aus Mais, Algen, Eukalyptus, Kautschuk, Eiweißen und Pilzen.
2016 präsentierte Adidas den Prototyp eines Laufschuhs, dessen Obermaterial Seidenproteinen nachempfunden ist, wie sie die Gartenkreuzspinne spinnt. Eine Enzymlösung könne die Fasern innerhalb von 36 Stunden vollständig zersetzen. Im April 2021 stellte Adidas den ersten Sneaker aus Myzel vor, hauchdünne Pilzfäden, die ebenfalls im Labor gezüchtet werden. Anders als der Protein-Schuh wird „Mylo“ bald erhältlich sein und vermutlich auch um die 180 Euro kosten. Dabei ist der fränkische Betrieb auf starke Biotech-Partner angewiesen, etwa Bolt Threads aus den USA und AMSilk aus Deutschland.
Massenware sind diese hochpreisigen Innovationen noch lange nicht. Und fraglich bleibt, wie ökofair Masse überhaupt sein kann. Beispiel (Bio-)Baumwolle: Seit 2018 kommuniziert die Firma mit Sitz in Herzogenaurach stolz, nur noch „nachhaltige“ Baumwolle zu verarbeiten („Better Cotton“). Gemeint ist damit keineswegs 100 Prozent biologisch, also wassersparend und chemikalienfrei angebaute Baumwolle, sondern ein Mix aus konventioneller, biologischer und recycelter. Ebenso wenig bedeutet „nachhaltig“ bei Adidas automatisch, dass alle Produktionsschritte nachweislich fair gestaltet sind, von der Farm bis zur Fabrik. Der Marke wird etwa vorgeworfen, unter prekären Arbeitsbedingungen in China fertigen zu lassen.
Bisher wirbt Adidas vor allem mit ökologischer Nachhaltigkeit rund um das selbstgesteckte Ziel, ab 2024 auf Neuplastik zu verzichten. Das könnte ein erster wichtiger Meilenstein werden – sofern er nicht vorher recycelt wird.
Adidas will nachhaltiger werden und setzt dabei auf Kreislaufwirtschaft und innovative Materialien. Kann dem Konzern eine echte grüne Wende gelingen?