Bunte Kindershirts für 4,99 Euro, Babykleider im 2er-Pack für 9,99 Euro, Damenkleider für 12,90 Euro – Kleidung aus Bio-Baumwolle bei großen Ketten wie H&M oder C&A ist heute unschlagbar billig. Und liegt im Trend: Fast alle großen Fast-Fashion-Ketten werben mit „nachhaltigen“ Kollektionen und zeichnen sie mit eigens entwickelten Labels aus.
Doch Bio-Baumwoll-Kleidung zu Discounter-Preisen – geht das überhaupt? Wie bio ist das wirklich und kann das noch nachhaltig sein?
Baumwolle: Warum Bio besser ist
Baumwolle ist weltweit eine der bedeutendsten Nutzpflanzen: Sie ist der Rohstoff für beinahe die Hälfte aller Textilien. Ihr Anbau und ihre Verarbeitung gehörten damit zu den weltweit wichtigsten Industriesektoren – und das hat inzwischen massive Auswirkungen auf die Umwelt.
- Baumwolle benötigt zum Wachsen sehr viel Wasser. Die Produktion von einem Kilo Baumwolle braucht durchschnittlich um die 10.000 Liter Wasser. Im konventionellen Anbau wird sie mit großen Mengen an synthetischen Pestiziden und Kunstdüngern behandelt, welche die Umwelt und Arbeiter*innen belasten. Hinzu kommt, dass um die 80 Prozent der weltweit angebauten Baumwollpflanzen gentechnisch verändert sind.
- Bio-Baumwolle braucht aufgrund nachhaltigerer Anbaumethoden meist weniger Wasser: Tröpfchen- und Regenbewässerung kann bis zu 90 Prozent Wasser sparen. Es dürfen weder synthetische Pestizide und Dünger noch Gentechnik eingesetzt werden. Das schont die Böden, Gewässer, Artenvielfalt, Arbeiter*innen und Gemeinden vor Ort.
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Bio-Baumwolle bei den Fast-Fashion-Ketten
Die Branchenriesen H&M und C&A wechseln sich in den vergangenen Jahren immer wieder ab, was den Titel „weltweit größter Abnehmer von Bio-Baumwolle“ angeht. Dazu sollte man vor allem im Hinterkopf behalten, dass sie eben auch zu den größten Abnehmern von konventioneller Baumwolle gehören.
Beide Unternehmen sind stolz darauf, große Mengen biologisch angebauter Baumwolle zu verarbeiten – das zeigt, wie bedeutend der Rohstoff für die Fast-Fashion-Branche inzwischen ist. Fast jede große Kette vermarktet ihre eigene „nachhaltige“ Kollektion, von der zumindest ein Teil aus Bio-Fasern besteht.
Bio-Baumwolle bei H&M
Bei H&M beispielsweise heißt dieser Teil des Sortiments „Conscious“: Die Kleidungsstücke „bestehen mindestens zu 50 % aus nachhaltig gewonnenen Materialien – wie Bio-Baumwolle und recyceltem Polyester.“
Insgesamt waren im Jahr 2019 nach Unternehmensangaben 97 Prozent der gesamten verwendeten Baumwolle „nachhaltiger“: entweder bio, recycelt oder aus „nachhaltigem“ Anbau („Better Cotton“, s. unten).
Bio waren etwa 16 Prozent des gesamten H&M-Baumwollangebots – nach Angaben des Unternehmens „unter Einhaltung strenger Standards […] produziert und durch eine unabhängige Zertifizierungsorganisation […] geprüft“, schreibt uns eine Sprecherin von H&M Deutschland. Und: „In diesem Jahr (2020) werden wir unser Ziel erreichen, dass 100% unserer Baumwolle aus nachhaltigen Quellen besteht.“
H&M ist Mitglied der Initiative Organic Cotton Accelerator (OCA), die sich für die Ausweitung des Bio-Baumwollanbaus weltweit einsetzt.
Bio-Baumwolle bei C&A
Konkurrent C&A labelt seine nachhaltigeren Textilien als „#wearethechange“ bzw. „Bio Cotton“. Im Jahr 2018 waren nach Unternehmensangaben insgesamt 71 Prozent der verwendeten Baumwolle entweder Bio-Baumwolle oder „Better Cotton“.
„Zertifizierte Bio-Baumwolle ist unsere nachhaltigste Option und machte im Jahr 2018 38 % der von uns verwendeten Baumwolle aus“, schreibt uns C&A-Pressesprecherin Martina Schenk. In Kleidungsstücken, die als „Bio Cotton“ gelabelt sind, wird ausschließlich Bio-Baumwolle eingesetzt.
C&A fördert durch eine eigene Stiftung (C&A Foundation) den weiteren Ausbau des Bio-Baumwollanbaus. Genau wie H&M hat auch C&A angekündigt, ab 2020 solle die gesamte Baumwolle „nachhaltiger“ sein. Die Zahlen dazu liegen noch nicht vor.
Bio-Baumwolle bei Zara
Auch die Fast-Fashion-Kette Zara bietet unter dem Label „Join Life“ umweltfreundlichere Kleidung an. Allerdings machte diese im Jahr 2019 gerade mal 21 Prozent am Gesamtsortiment aus.
Kleidungsstücke, die ein „Care for Fiber“-Etikett tragen, werden „aus Rohstoffen wie Biobaumwolle, Tencel Lyocell oder recyceltem Polyester hergestellt“. Allerdings müssen die Teile nur teilweise aus diesen „nachhaltigeren“ Materialien bestehen; viele bestehen etwa zu 50 oder 75 Prozent aus Bio-Baumwolle.
Auch Zara ist Mitglied bei der Initiative OCA. Welche Rolle Bio-Baumwolle derzeit für Zara spielt, konnten wir nicht in Erfahrung bringen: Auf unsere Anfrage beim Zara-Mutterkonzern Inditex bekamen wir keine Antwort.
Wie kann Bio so billig sein?
Der Bio-Anbau von Baumwolle ist aufwändiger und der Marktpreis deshalb üblicherweise etwas höher als für konventionelle Baumwolle, er unterliegt aber starken Schwankungen.
Der NGO Textile Exchange zufolge liegt der durchschnittliche Aufpreis für biologische Baumwolle zwischen fünf und 20 Prozent. Daher ist es für Unternehmen, die sehr große Mengen beziehen und eine effiziente Logistik- und Produktionskette unterhalten, durchaus möglich, Produkte aus Bio-Baumwolle zu ähnlichen Preisen zu verkaufen wie herkömmliche Mode.
C&A-Pressesprecherin Martina Schenk sagt dazu: „Unser Ziel ist es, Bio Baumwoll-Produkte nicht teurer zu verkaufen als Produkte aus konventioneller Baumwolle.“ Auch H&M sagt, es gehöre zur Firmenstrategie, „dass sich jede*r nachhaltige Mode leisten kann“.
Die Konzerne sind dafür offenbar auch bereit, geringere Gewinnspannen zu akzeptieren; die H&M-Sprecherin schreibt, man habe sich „entschieden, gestiegene Rohstoffpreise nicht an unsere Kunden weiterzugeben.“
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Nachhaltige Baumwolle ist nicht gleich Bio-Baumwolle
Im krassen Gegensatz zu den oft bekundeten Absichten der Modeketten, verstärkt Bio-Baumwolle einzusetzen, steht der verschwindend geringe Anteil auf dem Weltmarkt: Weniger als ein Prozent der Baumwolle wird derzeit biologisch angebaut. Immerhin: mit steigender Tendenz.
„Der Eindruck, dass nun fast überall – auch in Fast Fashion – Bio-Baumwolle eingesetzt würde, täuscht,“ sagt uns Dr. Sabine Ferenschild, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Südwind Institut und Textilexpertin. „Man muss also genauer hinschauen, wenn Unternehmen mit Bio-Baumwolle werben.“
Das gilt besonders für eigene „Nachhaltigkeits“-Labels der Modeketten: Dass diese Kollektionen oft nur teilweise aus Bio-Baumwolle bestehen, nimmt man als Kund*in beim Stöbern nicht unbedingt sofort wahr.
Ferenschild, die bei der Kampagne für Saubere Kleidung und beim Textilbündnis mitarbeitet, rät, Materialbezeichnungen und Labels kritisch zu prüfen: „Handelt es sich um zertifizierte Bio-Ware oder um eine nicht-zertifizierte Eigenbezeichnung? Oder sprechen die Unternehmen vielleicht nur von „nachhaltiger“ Baumwolle?“
Letztere mache inzwischen fast 30 Prozent der weltweit verarbeiteten Baumwolle aus. Sie kann aber im Gegensatz zu biologisch angebauter Baumwolle unter Einsatz von Pestiziden und mit gentechnisch verändertem Saatgut hergestellt werden.
Better Cotton
Das betrifft vor allem „Better Cotton“. Diese „nachhaltigere“ Baumwolle wird im großen Stil von H&M, C&A, Zara und anderen Modeketten eingesetzt. Sie hat mit Bio-Anbau nichts zu tun: Der Anbau ist nur etwas ressourcenschonender als der konventionelle. Die wirtschaftsnahe Better Cotton Initiative (BCI) will zwar durchaus die Umwelt schonen und den Baumwollfarmerinnen ein besseres Auskommen sichern. Sie schreibt einen nachhaltigen Umgang mit Wasser und Böden und reduzierte Agrarchemikalien vor. „Better Cotton“ enthält aber vor allem konventionelle – auch gentechnisch veränderte – Baumwolle. Bei H&M etwa macht Better Cotton 80 Prozent der verwendeten „nachhaltigeren“ Baumwolle aus.
Auch wo „echte“ Bio-Baumwolle verarbeitet wird, erfüllt diese bei den Fast-Fashion-Konzernen meist schwächere Standards, als es möglich wäre. Zertifiziert wird die Baumwolle bei den Modekonzernen gerne nach den Kriterien des Organic Content Standard (OCS). Der OCS allerdings kontrolliert nur den Anteil biologischer Fasern in den Produkten, berücksichtigt aber keine Produktionsprozesse, Chemikalien oder soziale Kriterien.
Zwar geben einige Modeketten auch an, nach dem deutlich strengeren GOTS-Standard zertifizierte Bio-Baumwolle zu verwenden. Aber kein Unternehmen beantwortete unsere Frage, welchen Anteil diese ausmacht. Noch bedeutender: Sie dürften damit eigentlich gar nicht werben, denn der GOTS-Standard umfasst weitaus mehr als „nur“ die Baumwollproduktion. Nur, wenn alle Produktionsschritte zertifiziert sind, darf ein Unternehmen seine Produkte mit dem GOTS-Label anpreisen – das ist bei keiner der Fast-Fashion-Ketten der Fall.
Viele der reinen Ökomode-Labels bieten dagegen vollständig GOTS-zertifizierte Produkte. „Ich kann nicht beurteilen, ob diese Kleidungsstücke dann haltbarer sind als andere Fast-Fashion-Kleidungstücke – was unter der Perspektive der Nachhaltigkeit ja wichtig wäre“, so Ferenschild. „Aber sie verursachen zumindest in ihrem gesamten Lebenszyklus weniger Umweltprobleme als die konventionelle Fast-Fashion-Mode.“
Fazit: Bio-Baumwolle macht bei den großen Fast-Fashion-Ketten nur einen Teil der als umweltfreundlicher vermarkteten Kollektionen aus. Die überwiegend verwendete „nachhaltige“ Baumwolle steht für einen etwas umweltschonenderen Anbau und ist damit besser als konventionelle – aber eben nicht bio.
Bio-Baumwolle ist nicht gleich faire Baumwolle
Der Begriff „Bio“ bezieht sich zunächst nur auf den Anbau der Baumwolle. Bis aus der Baumwolle ein T-Shirt wird, passieren aber noch viele weitere Produktionsschritte – etwa Entkörnen, Spinnen, Färben, Nähen – , die potenziell sehr umweltschädigend sind und von der Bio-Zertifizierung nicht erfasst werden.
„Wenn Bio-Baumwolle zu Stoffen verarbeitet wird, die mit den umweltschädlichsten Farben bearbeitet wurden, dann ist es nur halb so viel wert, dass zumindest beim Anbau der Baumwolle Mensch und Umwelt geschont wurden“, so Ferenschild. „Auch für die weitere Verarbeitung kommt es also darauf an, durch glaubwürdige Zertifizierungen ökologische und soziale Nachhaltigkeit sicherzustellen.“
Zum Umweltaspekt kommt also auch ein ebenso wichtiger sozialer: Unter welchen Bedingungen die Menschen Baumwolle anbauen, ernten, spinnen, nähen usw. und wie sie dafür bezahlt werden – darüber sagt der bloße Begriff „Bio“ so gut wie gar nichts aus. Die von C&A, H&M und Zara gerne verwendete OCS-Zertifizierung macht über soziale Standards keine Aussagen.
Zwar haben die meisten großen Modeunternehmen inzwischen einen eigenen Code of Conduct, der einigermaßen faire Produktionsbedingungen vorsieht. Das ist ein wichtiger Schritt, der zeigt, dass das Thema ernst genommen wird. Untersuchungen unabhängiger Organisationen zeigen aber immer wieder, dass sowohl Intransparenz als auch unsichere und schlecht bezahlte Arbeit in den textilen Lieferketten dennoch weit verbreitet sind (siehe z.B. fashionchecker.org, Clean Clothes Campaign).
Einige wenige Zertifizierungen decken die gesamte Produktionskette ab und legen ökologische und soziale Standards für alle Schritte und Beteiligten fest. „Dazu zähle ich zum Beispiel den Fairtrade Textilstandard, den IVN Best oder auch den GOTS“, erklärt Ferenschild.
Nur: Bei den Fast-Fashion-Konzernen kommen diese umfassenden Zertifizierungen bisher nicht vor – ebenso wenig wie die Mitgliedschaft in unabhängigen Kontroll-Initiativen wie der Fair Wear Foundation.
Fazit: Zwar bewegen sich fast alle großen Modekonzerne inzwischen hin zu mehr Sicherheit und Fairness für die Textilarbeiter*innen – und H&M und C&A machen hier schon vieles richtig. Doch noch sind die Arbeitsbedingungen und Gehälter Expert*innen zufolge nicht wirklich sozialverträglich. Die Verwendung von Bio-Baumwolle hat einige Vorteile für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen im Baumwollanbau. Sie verbessert allerdings so gut wie nichts an den Bedingungen im weiteren Produktionsprozess. Das sollte Verbraucher*innen auch beim Kauf von vermeintlich „besseren“ Kleidern mit grünen Schildchen klar sein.
Ist also billige Bio-Baumwolle nachhaltig?
Wir wollen die Bemühungen der großen Textilketten weder kleinreden, noch überbewerten. Die großen Fast-Fashion-Konzerne tun derzeit viel dafür, nachhaltige(re) Baumwolle aus der Nische in die Masse zu tragen. Mit ihrer Marktmacht gelingt es ihnen, Kleidung aus nachhaltigeren Materialien zum günstigen Massenprodukt zu machen.
Fakt ist: Bio-Baumwolle schont die Umwelt und die Gesundheit der Baumwoll-Arbeiter*innen durch den Verzicht auf Chemikalien und braucht weniger Wasser – deshalb ist sie nachhaltiger als konventionelle.
Fakt ist aber auch: Der Anbau ist nur ein Schritt in der textilen Produktionskette. Nachhaltig wird Kleidung aus Bio-Baumwolle erst, wenn die gesamte Produktionskette transparent, möglichst umweltschonend und sozialverträglich gestaltet ist. Das können derzeit nur wenige unabhängige Standards und Zertifizierungen garantieren; im Fast-Fashion-Sektor sind sie kaum zu finden.
Der Verdacht liegt nahe, dass die großen Modekonzerne Begriffe wie „bio“ und „nachhaltig“ nur allzu gerne verwenden, um sich als verantwortungsbewusster darzustellen als sie wirklich sind – und aufgrund ihres Geschäftsmodells jemals sein können.
Denn egal ob Bio oder nicht – billige Massenware regt zum schnellen Massenkonsum an. Damit werden auch Bio-Kleider Teil der Ex-und-Hopp-Kultur. Und diese ist eben überhaupt nicht nachhaltig. Nachhaltiger wäre es, insgesamt weniger Klamotten zu kaufen und wenn, dann auf verlässliche Zertifizierungen (wie Fairtrade Textilstandard, IVN Best, GOTS) bei echten Fair-Fashion-Labels zu achten – oder gebraucht zu kaufen.
Unsere Kooperationspartner*innen
Enorm kooperiert mit Utopia.de, einer deutschsprachigen Website über nachhaltiges Leben und bewussten Konsum.Große Fast-Fashion-Ketten wie H&M bemühen sich mit dem Einsatz von Biobaumwolle um ihr grüneres Image.