Wer im Supermarkt eine gute Flasche Wein kaufen will, kann schnell mal den Überblick verlieren – denn gerade in großen Läden platzen die Weinregale aus allen Nähten. Der Billig-Sangria aus dem Tetrapack steht direkt neben dem veganen Bio-Wein, darüber findet sich der regionale Rotwein aus der Pfalz oder aus Rheinhessen. Und dann gibt es noch den vermeintlichen Edel-Wein aus Frankreich für zwanzig Euro pro Flasche. Auf manchen Etiketten diese Bilder: Ein Winzer erntet inmitten eines sattgrünen Weinstocks seine Trauben, per Hand und in traditioneller Kluft, im Hintergrund schlängelt sich ein Fluss Richtung Sonnenuntergang.
Dabei ist Wein alles andere als naturverbunden. Anbau, Produktion und Transport verursachen einen hohen CO2-Ausstoß. Er schwankt Experten zufolge zwischen einem und zwei Kilogramm pro Liter Wein. In einer Studie der Fachhochschule Bingen haben Wissenschaftler die Treibhausgasemissionen am Beispiel von zwei Weinen unterschiedlicher Weingüter berechnet, einmal aus konventioneller Produktion, einmal Bio. Ergebnis: Ein Liter konventioneller Wein verursacht einen CO2-Ausstoß von etwa 1,3 Kilogramm, bei Bio-Wein sind es immer noch rund 1,1 Kilogramm CO2. Zudem nimmt der Weinanbau riesige Flächen Land in Anspruch, die bewässert werden müssen. Bei konventioneller Produktion sind außerdem glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel erlaubt, die nach Studien des BUND und der Universität Bozen der Gesundheit des Bodens langfristig schaden können.
Bio-Wein liegt im Trend
Zunehmend werden sich Käuferinnen dieser Schwierigkeiten offenbar bewusst und greifen zu nachhaltigem Wein. Zwar sind es immer noch wenige, aber ihre Zahl wächst: Während der Anteil der Bio-Weine am Weltmarkt im Jahr 2013 nur bei rund 1,5 Prozent lag, dürften es nach einer Studie des britischen Marktforschungsinstituts IWSR im Jahr 2023 etwa 3,5 Prozent sein. Entsprechend haben sich nach Angaben des Deutschen Weininstituts die Anbauflächen im Öko-Weinbau zwischen 2008 und 2018 mehr als verdreifacht. 100.000 Hektar Gesamtrebfläche gibt es in Deutschland, 9.000 Hektar und damit neun Prozent werden mittlerweile ökologisch bewirtschaftet. In Frankreich sind von fast 800.000 Hektar rund 12 Prozent Bio-Anbau, in Italien liegt der Anteil bei rund 15 Prozent, in der Türkei bei etwa drei Prozent.
Bio-Winzer, deren Weine zum Beispiel mit dem Bioland-Siegel oder dem EU-Biosiegel versehen sind, verzichten weitgehend auf Pestizide. Denn diese vergiften nicht nur Wasser und Boden, sondern treiben auch das Bienensterben voran. Je nach Siegel müssen die Zutaten mindestens zu 95 Prozent aus biologischem Anbau stammen sowie ohne Sulfite und andere Zusatzstoffe auskommen. Ökologischer Weinbau verzichtet weitgehend auf synthetische Dünger und reduziert den Einsatz kupferhaltiger Pflanzenschutzmittel auf ein Mindestmaß.
Das EU-Bio-Siegel definiert seit 2012 gesetzliche Mindestbestimmungen, nach denen sich Wein bio nennen darf. Bis dahin gab es lediglich Vorschriften für die ökologische Erzeugung der Trauben. Mit der EU-Bio-Verordnung wurde auch die Verarbeitung der Trauben in den Kellereien geregelt. Seitdem ist etwa die Entschwefelung durch physikalische Prozesse oder die Behandlung mit Elektrodialyse gegen Weinstein verboten. Andreas Hettmer vom Bundesverband Ökologischer Weinbau, Ecovin, sagt: „Die Anforderungen des EU-Siegels sind noch nicht ausreichend, aber für Betriebe, die es mit ökologischem Weinbau ernst meinen, sind sie ein wichtiger Ausgangspunkt.“ Die Einhaltung der Standards wird dabei regelmäßig von einem unabhängigen Prüfinstitut kontrolliert.
Wenn sich Winzer über diesen ersten Ausgangspunkt für nachhaltige Standards hinaus noch weiter mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wollen, sollten sie sich allerdings detaillierter mit der Frage befassen, welche Strategien und Prozesse langfristig wichtig sind, um konsequent nachhaltig zu arbeiten. Desiree Palmes und Gerhard Roller forschen an der TH Bingen zu nachhaltigem Wein und haben im vergangenen Jahr im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz einen Branchenleitfaden für Weinbetriebe veröffentlicht, der sich am Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) ausrichtet.
Er soll den Weinbauern beim Erstellen von eigenen Nachhaltigkeitsreportings helfen. „Den Winzern fehlte hierzulande lange ein Instrument, mit dem sie die Nachhaltigkeit ihres Betriebs dokumentieren konnten“, sagt Palmes. Zu den 20 Kriterien des Leitfadens gehören sowohl ökologische als auch arbeitsrechtliche Aspekte.
Denn auch in dieser Hinsicht kann der Weinbau eine dreckige Angelegenheit sein, wie eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt. Große, konventionelle Kellereien in Deutschland füllen beispielsweise jährlich Millionen Liter Wein aus Südafrika ab, die dann in den Regalen deutscher Supermärkte und Discounter landen. Von einem Wein aus Südafrika, der im deutschen Discounter 2,49 Euro kostet, bleiben nur drei Cent bei den Farmarbeitern – das entspricht gerade einmal 1,4 Prozent der Marge. Der Großteil (39,4 Prozent) fließt in die Kassen der deutschen Abfüller. Ein Viertel der Marge bleibt beim Discounter.
Die Macher von Fair’n Green, einem Siegel für nachhaltigen Weinbau, das im Jahr 2013 gegründet wurde, beziehen daher zum Beispiel sowohl ökologische als auch soziale Aspekte in ihre Definition von Nachhaltigkeit ein. So müssen die von ihnen zertifizierten Winzer ihren Mitarbeitern möglichst feste Verträge geben, sich gegen innerbetriebliche Diskriminierung engagieren und einen angemessenen Lohn zahlen. Inwieweit die Anforderungen erfüllt sind, wird unter anderem durch Audits vor Ort durch Gutachter erhoben. Das Siegel ist, wie die meisten in der Branche, eine freiwillige Selbstverpflichtung.
Der Ecovin-Verband zeichnet bereits seit 1985 Winzer aus, die sich verpflichten, ihren gesamten Betrieb konsequent auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen. Dass der Anteil der Bio-Winzer in Deutschland insgesamt heute noch immer vergleichsweise gering ist, wundert Ecovin-Experten Hattemer nicht: „Bio-Weinbau ist in trockenen Sommern einfach. Aber wenn etwa wie vor vier Jahren Dauerregen die Pilzinfektionen an den Reben nach oben schnellen lässt, ist im Extremfall die ganze Ernte bedroht.“ Wer dann einmal zu konventionellen Mitteln greift, um die Reben zu schützen, darf seinen Wein für die kommenden drei Jahre nicht mehr bio nennen.
Klimakrise macht Winzern zu schaffen
Sicher ist trotz solcher Schwierigkeiten: Nachhaltigkeit wird für den Weinbau immer wichtiger. Schließlich hat der Klimakrise enormen Einfluss auf die Zukunft des Weinanbaus. Weintrauben reagieren extrem empfindlich auf klimatische Veränderungen, vor allem auf steigende Temperaturen. Deshalb zeigen sich die Folgen der Klimakrise bei ihnen besonders früh.
Nach einer Studie eines US-amerikanischen Forscherteams im Journal der National Academy of Sciences (NAS) von Januar 2020 würden es nur weniger als die Hälfte aller Weinanbau-Regionen der Welt überstehen, wenn die Erdtemperatur in den kommenden 80 Jahren um zwei Grad Celsius steigt. Bei einem Anstieg von vier Grad wären es sogar 85 Prozent. Ein nachhaltiger Weinanbau mit einem Mix vielfältiger Sorten könnte diese Folgen nach Einschätzung der Forscher um bis zu 30 bis 50 Prozent reduzieren.
Die Folgen der Klimakrise spüren viele Winzer schon jetzt: Starkregen sorgt für Pilze und faulen Boden, neue Schädlinge setzen den Reben zu, Weinklassiker wie der Riesling verlieren ihren Geschmack. Zu heiße Temperaturen und zu viel Sonne tun den Trauben ebenfalls nicht gut – sie bekommen tatsächlich einen Sonnenbrand.
Bio-Weine im Test
Der Bundesverband Ökologischer Weinbau (ECOVIN) zeichnet einmal im Jahr die besten Bio-Weine in Deutschland aus. Sie werden nach einem internationalen 100-Punkte-Schema bewertet, die Siegerweine müssen mindestens 85 Punkte erzielen. Eine Kostprobe:
Weißwein: Westhofener Kirchspiel, 2019, Weißburgunder, trocken, Weingut Hirschhof, Westhofen, Rheinhessen
Rotwein: Cuvée Lorenz, trocken, 2018, Weingut Brüder Dr. Becker, Ludwigshöhe, Rheinhessen
Schaumwein: Crémant Qualitätssekt b. A., brut, 2018, Weingut Castel Peter, Bad Dürkheim, Pfalz
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text erschien bereits am 2. Februar und wurde aktualisiert.
Konventioneller Weinanbau schadet Boden und Klima, daher wird Biowein bei Konsument*innen immer beliebter.