Nachhaltige Städteplanung

Die Superblocks von Barcelona

Die Hauptstadt Kataloniens ist dabei, eine Vision der ­Urbanität im 21. Jahrhundert in die Tat umzusetzen – eine ­Vision, die das Auto zurückdrängt und das Gemeinschaftsgefühl der Bürger wiederherstellt

Salvador Rueda ist von einer Vision für Barcelona ergriffen: Vor seinem geistigen Auge sieht er eine Stadt, die nicht mehr von Autos dominiert wird. Die meisten Straßen wurden in fußgängerfreundliche öffentliche Räume verwandelt, in denen sich die Bürger treffen. Er nennt sie „Superblocks“: vier bis neun benachbarte, durch Autofreiheit verbundene Wohnquartiere. Jeder Bewohner hat Zugang zu seinem eigenen Superblock und kann die Stadt durchqueren, um andere zu besuchen, ohne überhaupt ein Auto zu benötigen.

Ruedas Vision für die Stadt hat ihren Weg in einen Plan gefunden, der von der Stadtverwaltung unterstützt wird. Ihr kühnes Ziel ist es, aus den bereits vorhandenen 5 Superblocks ganze 500 zu machen.

Der Plan, der nicht nur Superblocks, sondern auch umfassende Programme für Grünflächen, Fahrrad- und Busnetze und vieles mehr enthält, wird Autos in der Stadt nicht eliminieren. Aber er wird ihre Dominanz radikal reduzieren. Wenn der Plan vollständig umgesetzt wird (eine Aufgabe, die mehrere Bürgermeisterinnen, ja sogar mehrere Generationen in Anspruch nehmen könnte), könnte er Barcelona zur ersten Post-Auto-Metropole der Welt machen – ein Ort, an dem die meisten Straßen nicht für Autos sind und die meisten Menschen keines haben.

Die Stadt kann wieder ein Ort werden, an dem die meisten Straßen nicht für Autos sind, und die meisten Menschen keines haben

Weniger Autos – weniger Klimakrise

Ich gehe mit Rueda am Rand eines Superblocks entlang, der den neu renovierten Markt Sant Antoni im Südwesten Barcelonas umgibt. Die Stadt hat die Straßen von vier Wohnblöcken mit etwa 5000 Quadratmeter Fläche den Fußgängern zurückgegeben und für eine Vielzahl von Nutzungen geöffnet. Nur Anwohner- und Lieferfahrzeuge dürfen hineinfahren, müssen sich aber den Platz mit den Fußgängern teilen und ihre Geschwindigkeit entsprechend anpassen.

Die Härte des Kontrastes überrascht mich. Auf der einen Seite von uns ist der Superblock, gefüllt mit Menschen, die mit ihren Einkaufstaschen und kleinen Hunden laufen, in Gruppen sitzen, überall reden und reden. Zumindest sehen sie so aus, als würden sie reden. Denn alles wird von dem übertönt, was auf unserer anderen Seite ist: Autos. Eine lange Reihe von rülpsenden, hupenden, langsam vorrückenden Autos, die um den Superblock herumgeführt werden. Ihre stechenden Dämpfe erinnern daran, dass sich Barcelona in einem harten Kampf befindet. Es ist nie einfach, den Autos Fläche zu nehmen.

Aber genau das, die Zurückdrängung der Autos, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Städte überfluteten, ist die nächste große Aufgabe für die Stadtplaner der Welt. Und sie beginnen, sie anzugehen.

Jüngste Berichte des Weltklimarats IPCC haben dem Kampf gegen die Klimakrise neue Dringlichkeit verliehen. Sie wird die Städte besonders hart treffen. Nicht nur durch Stürme und steigende Meeresspiegel, sondern auch durch Hitzewellen oder Wasserknappheit. Die globale Erwärmung bringt für Städte zwei zentrale Herausforderungen mit sich: Sie müssen ihre CO2-Emissionen reduzieren und gleichzeitig widerstandsfähiger werden, um den extremen klimatischen Bedingungen besser gewachsen zu sein. Beide Herausforderungen laufen auf eine Reduzierung des Autoverkehrs hinaus.

Oftmals geschieht dies in Form einer vorübergehenden oder dauerhaften Verbannung aus den Innenstädten. Die norwe­gische Hauptstadt Oslo hat ihr Zentrum für Autos komplett gesperrt. Madrid kündigte an, nur noch die Fahrzeu…

TITELBILD: SHAI PAL / UNSPLASHED

Städteplanung wird immer bedeutender in Zeiten der Klimakrise und viel mehr noch für ein starkes Gemeinschaftsgefühl der Bürger. Barcelona geht als Beispiel voran und Menschen füllen die Straßen mit Leben – wie wärs mit einem Picknick im Ampellicht?

David Roberts

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