Verschreckt schaut der Jaguar aus dem Käfig. Die Tierärzt*innen und Freiwilligen der „Jaguar Ecological Reserve“ haben das mehr als 80 Kilo schwere Raubtier betäubt, um es bergen und transportieren zu können. Der Jaguar verletzte sich bei den schlimmen Bränden in Brasiliens Pantanal an den Pfoten. Das Pantanal, das sich von Brasilien auch auf die Nachbarländer Bolivien und Paraguay erstreckt, besteht aus einem verzweigten System von Flüssen und Seen. Es ist ein einzigartiges Natur- und Touristenparadies. Beheimatet sind dort die dichteste Jaguar-Population der Welt sowie Hunderte Vogelarten, darunter der bedrohte Hyazinth-Ara. In einer Lodge in Poconé bekommt der Jaguar Erste Hilfe.
„Früher hat die Familie Jaguare gejagt“, sagt Besitzer Eduardo Falcão. „Ich habe als Junge auch mitgemacht.“ Heute ist sie einer der Vorreiter beim Schutz, hat ihren Grund in ein Reservat umgewandelt und betreibt Tourismus. Doch statt Gästen den Lebensraum der Jaguare zu zeigen, sind die Falcões seit fast vier Monaten mit Tierrettung beschäftigt.
„Der Boden war so heiß, dass mein Stiefel geschmolzen ist.“
Den ersten Jaguar, den Eduardo, Sohn João, die Tierärzt*innen und Freiwilligen der „Jaguar Ecological Reserve“ aus verbrannten Gebieten geholt hatten, haben sie bereits wieder in die freie Natur entlassen. Erfolgsgeschichten wie diese lassen die Helfer*innen im Pantanal weitermachen. Denn sie sehen viele tote Jaguare, verendete Kaimane oder verkohlte Fische. „Das werde ich nicht vergessen, das vergeht vielleicht nie“, sagt die Tierärztin Caroline Machado, als sie an der Notfallstation für Wildtiere des Bundesstaates Mato Grosso arbeitet. „Der Boden war so heiß, dass mein Stiefel geschmolzen ist. Alle zehn Schritte fanden wir eine verkohlte Schlange. Wir fanden Ameisenbären, Sumpfhirsche, Kaimane… Manchmal haben wir ein schreckliches Gefühl, wir schauen und sagen: Es sind Hunderte hier, ich werde zwei retten können. Auf das Leben dieser beiden konzentrieren wir uns. Darauf, ihr Leiden zu lindern.“
Feuer in Brasiliens Pantanal: Tiere leiden besonders
Das Feuer im Pantanal ist nach Monaten weitgehend unter Kontrolle, aber trotz der jüngsten Regenfälle halten einzelne Brände im größten Binnen-Feuchtgebiet der Welt an – und ziehen Tiere in Mitleidenschaft. Wenn sie nicht Opfer der Flammen werden, dann kann es inzwischen sein, dass sie an Hunger sterben. Denn das Feuer hat einen großen Teil ihrer Nahrungsquellen zerstört. „Viele Tiere kehren zurück und haben nichts zu fressen“, sagt der Biologe Mahal Massavi vom Umweltprojekt „Bichos do Pantanal“.
Die Brände haben vielerorts nur braune Erde und Baumstümpfe zurückgelassen. Sie zerstörten nach jüngsten Daten der Bundesuniversität Rio de Janeiro bislang 30 Prozent – rund 43 500 Quadratkilometer – des Pantanal in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Das ist laut Fachzeitschrift „Nature“ mehr als das Doppelte der bei den Waldbränden in Kalifornien vernichteten Fläche. Doch während es in Kalifornien vor allem Menschen trifft, leiden im Pantanal besonders die Tiere.
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„Die Zerstörung ist Teil der Landschaft geworden“
Zahlen zu toten und verletzten Tieren in der Gegend liegen dem Biologen Massavi zufolge noch nicht vor. Erst in den kommenden Jahren dürften Universitäten und andere Einrichtungen Erhebungen dazu abschließen, was verloren ging.
Schätzungsweise ist der Schaden für die Flora und Fauna des Pantanal der größte der vergangenen 50 Jahre. „Die Zerstörung ist Teil der Landschaft geworden“, schrieb das Internetportal „UOL“. „Tierkadaver und das Aschemeer bilden heute die Postkarte des Pantanal.“
In dem Feuchtgebiet herrscht extreme Trockenheit. Aber es besteht wie im Amazonas-Gebiet auch eine „Kultur des Feuers“, mit dem Bauern Äcker reinigen. Manchmal geraten die Brände außer Kontrolle. Die Bundespolizei ermittelt auch gegen Farmer*innen mit dem Verdacht, dass sie Feuer zur Landnahme gelegt haben. Kritiker*innen werfen Präsident Jair Bolsonaro vor, ein Klima geschaffen zu haben, das Farmer*innen zum Abbrennen von Flächen ermutigt.
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Feuer in Brasiliens Pantanal: NGOs leisten Erste Hilfe
Wie häufig in Lateinamerika, wenn vorbeugende Maßnahmen fehlen und der Staat abwesend ist, haben vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Freiwillige – die Familie Falcão oder „Bichos do Pantanal“ etwa – die Initiative ergriffen, um die Auswirkungen etwas abzumildern. Ihre Liebe zu den Tieren ist groß. So bildete die NGO eine Task Force, die vom Sitz in Cáceres mit Fahrzeugen und Booten täglich 250 Kilometer zurücklegt, um hungrigen und ausgetrockneten Tieren Wasser und Obst zu bringen. Kleinen verletzten Tiere, die nicht betäubt werden müssen, leisten die Freiwilligen Erste Hilfe. „Wir haben eine Beuteltier-Familie gefunden, die vor dem Feuer geflohen ist. Leider ist die Mutter den Verletzungen erlegen“, erzählt Biologe Massavi. „Wir leiden mit jedem verlorenen Leben, aber wir freuen uns auch über jedes, das wir retten.“ Ergriffen erzählt Massavi, dass die drei Sprösslinge dank einer Art Schutzbeutel überlebten, in dem die Mutter sie trug.
Bei größeren Tieren geben die Helfer*innen der Notfallstation für Wildtiere Bescheid, wo Fachleute wie Caroline Machado die Tiere intensiv behandeln. Mehr als 80 Tiere hat „Bichos do Pantanal“ so gerettet. Auch die Familie Falcão ist stundenlang auf der nur teilweise geteerten „Transpantaneira“, der Straße durch die Heimat der Jaguare, unterwegs. Sie bringt die Tiere nach der Ersten Hilfe von der Lodge in das Tierkrankenhaus der Bundesuniversität von Mato Grosso in Cuiabá. Tierärzt*innen in Brasilien arbeiten zur Heilung mit Methoden von Ozontherapie bis hin zu Behandlung mit Fischhaut. Während die Falcãos die Arbeit Ende November einstellten, will die NGO „Bichos do Pantanal“ bis Anfang 2021 weitermachen. Der Regen spült die Asche von den Bränden in den Fluss, verschmutzt das Wasser. „Arten, die Sauerstoff benötigen, sind direkt betroffen“, sagt Biologe Massavi. „In der Folge wird es eine zweite Sterbewelle geben, vor allem von Fischen, was sich auf die Nahrungskette mehrerer anderer Tierarten im Pantanal auswirkt.“
Brasiliens Pantanal beheimatet die dichteste Jaguar-Population der Welt. Die extreme Trockenheit und „Kultur des Feuers“ bedroht ihr Überleben.