Der Tourismus gilt als Frauenbranche. Wie weiblich ist das Business tatsächlich?
Im Studium sind Frauen gut vertreten. Vier bis fünf von 40 Plätzen in Tourismusstudiengängen sind mit Männern besetzt, der Rest mit Frauen. Doch danach wandelt sich das Bild, vor allem in den Führungsjobs. Die Welttourismusorganisation UNWTO hat 2019 den zweiten Global Report on Women in Tourism herausgegeben. Demnach sind zwar gut 54 Prozent der Mitarbeitenden im Tourismus weiblich. Aber die meisten arbeiten in weniger qualifizierten Jobs, sie stehen an der Rezeption, kellnern, putzen Zimmer. Im Schnitt verdienen sie 14,7 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. An der Spitze von Reise-Unternehmen stehen meist Männer, von TUI bis zum Robinson-Club. Sie haben übrigens nur in Ausnahmefällen Tourismus studiert, sondern meist allgemeine Betriebswirtschaft. 20 Prozent der Mitarbeitenden im Tourismus arbeiten Teilzeit, fast immer Frauen, viele sind selbstständig, leiten zum Beispiel kleine Reiseunternehmen, Hotels oder Pensionen.
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Warum haben es Frauen in der Tourismusbranche schwerer?
Weil die Branche alten Mustern folgt, Gender-Stereotypen halten sich beharrlich. In der muslimischen Welt etwa dürfen Frauen nach wie vor nicht als Tour-Guides arbeiten. Auch in der westlichen Welt sind alte Muster verbreitet. Ich erinnere mich etwa an eine Tourismus-Veranstaltung im vergangenen Jahr im Berliner Hotel Adlon: Nur weiße alte Herren saßen auf dem Podium. Als ich den Pressesprecher des Events darauf ansprach, sagte er: „Wir haben alles versucht, aber einfach keine Frau aus der Branche gefunden, die auf der Bühne sprechen wollte.“ Ich glaube das nicht. Nein, sondern man rekrutiert einfach immer wieder dieselben Topmanager. Und da gibt es halt fast keine Frau. Aber warum nicht in der Riege unter dem CEO anfragen? Es ist Zeit, dass die Branche nach rechts und links sieht: auf Online-Plattformen nach interessanten Frauen suchen, mal kleinere Tourenunternehmen einbinden. Bei Visit Berlin etwa ist die zweite Position im Laden mit einer Frau besetzt. Oder Frauen aus der Hotellerie ansprechen, da sind viele Führungskräfte weiblich.
Was muss geschehen, um Frauen in der Tourismusbranche zu fördern?
Digitale Plattformen befeuern spürbar die Gleichberechtigung. Sie machen es Frauen weltweit einfacher, eine Berufstätigkeit in dem Feld aufzuziehen. Bei Airbnb etwa ist ein großer Teil der Hosts weiblich. Technologien wie die Buchungssoftware Traveltech Deutschland erleichtern die Arbeit aus dem Homeoffice. Immerhin wächst gerade die Aufmerksamkeit für das Thema Gender. Erste Interessenvertretungen kümmern sich darum, dass Frauen häufiger in Diskussionsforen vertreten sind. Aber Frauen zögern oft, sich öffentlich zu exponieren. Viele haben auch kein großes Interesse an Karriere.
Wie sieht es mit aktuellen Forschungsarbeiten zu Frauen in der Tourismusbranche aus?
In den vergangenen vier Jahren haben drei meiner Studentinnen Masterarbeiten über das Thema Gender und Tourismus geschrieben. Zentrales Ergebnis einer Biographieanlyse: Frauen haben einen anderen Karrierebegriff als Männer, sie wollen nicht Status und Geld, sondern suchen vor allem Sinn, Spaß, Verantwortung im Team, Selbstverwirklichung. Eine Führungskarriere wurde unisono durch vier Faktoren gefördert: ein modernes Bild von Frauen im Tourismus, das Trio Vorbilder, Mentoren, Netzwerke, gute digitale Tools für den jeweiligen Arbeitsbereich und eine gute Kinderbetreuung. Das ermöglicht Frauen, so flexibel zu arbeiten, wie sie es sich wünschen, und trotzdem Kinder zu haben. Für diese Frauen hat eine Studentin einen Begriff entwickelt: „Mampreneure“.
Auch die Arbeit aus dem Homeoffice mache es Frauen weltweit einfacher, eine Berufstätigkeit in der Tourismusbranche aufzuziehen, sagt Expertin Claudia Brözel.