Ihre Hände greifen in die Wellen, wirbeln das Wasser nach oben: Nitro! So heißt die Superheldin im grau-goldenen Anzug. In der Zeichnung auf der kleinen rechteckigen Sammelkarte lächelt sie, auf ihrer Brust prangt 15N, die Bezeichnung für Stickstoff-15.
Dieses Isotop beschäftigt Kolisa Yola Sinyanya in ihrer Doktorarbeit, die sie am Institut für Ozeanforschung der Universität Kapstadt schreibt. Und deshalb gibt es Nitro. Vor gut einem Jahr wurde Sinyanya zur Super-Wissenschaftlerin – SuperScientist. Das gleichnamige südafrikanische Projekt inszeniert afrikanische Forscher:innen als Comic-Superheld:innen, um junge Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern. Denn in Südafrika ist das Bildungssystem noch immer von rassistischen Strukturen geprägt: Nur 9 Prozent der Schwarzen machen einen weiterführenden Abschluss, etwa an der Uni, nur 8 Prozent der „Coloureds“ (Selbstbezeichnung einer südafrikanischen Ethnie). Bei weißen Südafrikaner:innen sind es hingegen 38 Prozent.
Ungerechte Realität
Der gebürtige US-Amerikaner Justin Yarrow lebt seit zehn Jahren in der südafrikanischen Küstenstadt Durban und kennt diese ungerechte Realität, seit einigen Jahren arbeitet er im Bildungsbereich. Mit seiner Non-Profit-Organisation CodeMakers brachte er von 2015 bis 2019 Kindern aus finanziell schlecht ausgestatteten Gemeinden Programmieren bei. Er sah, wie prekär die Situation vieler war – und wie gering ihre Chance auf weiterführende Bildung. An einer Supermarktkasse kam ihm die Idee für die SuperScientists. Dort lagen Sammelbilder von Tieren oder Sportler:innen. „Junge Leute können ausführlich über ihre Fußballhelden sprechen, aber wenn sie nach Wissenschaftler:innen gefragt werden, fällt ihnen höchstens Albert Einstein ein.“ Das möchte Yarrow mit den SuperScientists ändern: „Kinder sollen erfolgreiche Forscher:innen kennenlernen, deren Geschichte ihrer eigenen ähnelt – das kann ihnen einen Zugang zu dem Berufsfeld eröffnen.“
Yarrow, promovierter Zellbiologe, der früher zu HIV arbeitete, hat drei Kinder zwischen drei und zwölf Jahren. Er weiß: „Kinder leben in der Welt der Superheld:innen aus Comics und Marvel-Filmen. Aber die Menschen, die wirklich Superkräfte haben, sind doch Wissenschaftler:innen.“ Im Herbst 2019 brachte er die ersten Sammelkarten heraus. Sie sollen die südafrikanische Bevölkerung abbilden, daher sind die meisten SuperScientists Schwarz oder „coloured“, noch gibt es einen Überhang Schwarzer Frauen.
Eine davon ist Kolisa Yola Sinyanya. Über die Figur Nitro soll ihre Geschichte bald als Comic erzählt werden, um jungen Schwarzen Mut zu machen und ihnen zu zeigen: Ihr könnt das auch.
Als Sinyanya in den 1980ern und 90ern als Teil der Working Class in der Kleinstadt Mthatha in der Provinz Ostkap aufwächst, herrscht in Südafrika das Apartheidsystem. Der Bantu Education Act diskriminiert nicht-weiße Kinder und Jugendliche: Sie erhalten eine schlechtere Schulbildung als weiße. Auch deshalb ist Kolisa Yola Sinyanya, heute 37 Jahre alt, nur eine der wenigen Schwarzen Ozean-Forscherinnen. „Als ich aufwuchs, hatte ich keine Vorbilder“, sagt sie. Mit ihrem rechten Zeigefinger tippt sie auf die dunkle Haut ihres Unterarms, „jetzt möchte ich genau dieses Vorbild für andere sein.“
Heldin der Ozeanforschung
Die goldene Krone auf Nitros Kopf formt die Worte OceanWomxn. Der Verweis war Sinyanya wichtig. Das
Die Sammelkarten der südafrikanischen Initiative „SuperScientists“ sollen jungen Menschen Vorbilder geben.