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Wie sprechen wir über Gefühle?

Die menschliche Psyche ist vielschichtig. Wie können wir komplexe Emotionen in Worte fassen, ohne dabei psychische Erkrankungen zu verharmlosen oder misszuverstehen?

Das Innerste nach Außen tragen muss natürlich niemand, tut aber oft sehr gut. Doch Emotionen sind komplex. Freude, Trauer, Furcht, Ekel, Überraschung und Wut – das sind nur die sogenannten Basisemotionen. Der Begriff Gefühl wird zwar oft synonym verwendet, beschreibt aber per definitionem das Erleben, die subjektive Komponente von Emotionen. Gefühle sind nach außen zunächst nicht sichtbar. Emotionen zeigen sich auch in körperlichen Reaktionen, seien es schwitzige Hände oder Herzrasen. Dazu kommt noch, wie wir Emotionen bewerten, sie ausdrücken oder uns verhalten.

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Vielschichtig ist sie also, unsere Psyche. Für uns selbst, umso mehr aber für andere. Verständlich, dass griffige Beschreibungen Eingang in die Alltagssprache finden: Wir sind „depri“, „traumatisiert“, werden „getriggert“ oder finden ein  Verhalten „schizophren“. All das scheint es auf den Punkt zu bringen. Doch dahinter stehen Fachbegriffe und Diagnosen psychischer Erkrankungen.

Blasen wir Gefühle mit diesen Modephrasen also auf? Verharmlosen, woran andere leiden? Wo hört „gesund“ überhaupt auf, wo fängt „krank“ an? Übergänge sind fließend. Auch Sprache wandelt sich: Als „schizophren“ verstehen wir umgangssprachlich Menschen, die uns widersprüchlich erscheinen oder sich absurd verhalten. Diese Wortbedeutung etablierte sich bereits Mitte des 20. Jahrhunderts. Dem Krankheitsbild der Schizophrenie widerspricht sie jedoch: Ihre Symptome sind etwa Halluzinationen, Wahn und Ich-Störungen. Eine „gespaltene Persönlichkeit“ gehört nicht dazu, manche Betroffenen nehmen diese laienhafte Vorstellung als diffamierend wahr. Wörtlicher Sinn und Wortbedeutungen klaffen also auseinander.

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Das Beispiel zeigt: Umgangssprache kann dazu führen, dass ganze Krankheitsbilder missverstanden werden. Umso bedeutender ist es, präzise über eigene Gefühle, aber auch über psychische Erkrankungen zu sprechen. Das kann unser Verständnis von und für Krankheitsbilder schärfen und uns helfen, sie zu enttabuisieren. Weg mit dem Stigma hin zu einem offenen gesellschaftlichen Umgang! Aber wenn, dann richtig. Wer Worte achtsamer wählt, kann sich fragen: Was spüre ich genau, wenn ich „depri“ sage? Müdigkeit – während der Pandemie nicht selten – oder Niedergeschlagenheit vielleicht? Und was wird konkret ausgelöst, also „getriggert“? Was stört mich am Verhalten eines anderen, das ich „schizophren“ finde? Diese Fragen helfen, präziser zu benennen, was passiert. Das erleichtert anderen, uns zu verstehen – und darum geht es am Ende ja.

Emojis auf dem Smartphone helfen uns, Gefühle in der digitalen Kommunikation auszudrücken. Doch wie finden wir auch in der Sprache die richtigen Worte?

Astrid Ehrenhauser

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