Schwerpunkt: Tschüss, Kolonialismus

Wie können wir Kunst und Museen dekolonialisieren?

Die Berliner Aktivist:innengruppe Barazani.berlin kämpft mit virtuellen Ausstellungen und kulturellen Aktionen für die Dekolonialisierung des Humboldt Forums. Eine Stellungnahme zu Kunst, Kultur und Kolonialismus von Christoph Balzar, Ibou Diop und hn. lyonga.

„Dreißig Jahre lang drehte sich der Diskurs in der Museumstheorie darum, ethnologische Museen, früher Völkerkundemuseen, von kolonialen Mustern zu befreien. Die Entscheidung, das Humboldt Forum im Berliner Schloss zu eröffnen, verneint diese dreißig Jahre völlig. 

Ethnologische Museen haben ein Problem: Ein Museum ist ein Ort, der darauf ausgerichtet ist, etwas zu zeigen. Ethnologische Museen wollen andere Kulturen zeigen. Was anders ist, wird aber aus einer eurozentrischen Perspektive festgelegt. Weiße Menschen entscheiden, wie sie andere, nicht-weiße Kulturen präsentieren. Wenn eine ethnologische Ausstellung voller kolonialer Raubkunst in diesem preußischen Schloss eröffnet, kann das niemals nicht rassistisch sein. 

Die Objekte der ethnologischen Sammlung sollen Kulturen, ihre Glaubensvorstellungen und ihre Wertesysteme darstellen. Ein prominentes Beispiel ist die Statue der Ngonnso, der Gründerin des Volkes der Nso aus Kamerun. In ihrem Land fehlt sie, dort ist sie unersetzlich. Stattdessen steht sie im Humboldt Forum auf einem kalten, cleanen Sockel. Sie wurde ihrem eigentlichen Kontext entrissen und als „außereuropäisches Kunstwerkdargestellt. Eigentlich ist sie gar kein Kunstwerk. Sie ist das Heiligtum einer lebenden Kultur, das an Orten wie einem Museum überhaupt nicht gezeigt werden darf, sofern die lebende Kultur sie nicht selbstbestimmt dort hinstellt. Das tun die Nso aber nicht. Die Nso bemühen sich seit Jahrzehnten, Ngonnso zurück nach Kamerun zu bringen. Am Mittwoch haben sie mit uns gegen die Politik des Humboldt Forums demonstriert. 

Weiße Menschen bestimmen also, was mit den geraubten Objekten passiert. Sie reagieren nicht angemessen auf die Forderungen der sogenannten Herkunftsgesellschaften. Das ändert sich auch dadurch nicht, dass die Verantwortlichen des Humboldt Forums die Herkunftsgesellschaften mit einbinden wollen und dies auch tun. Wir müssen zugeben, dass sie spannende Diskussionen teilweise mit außereuropäischen Künstler:innen und Wissenschaftler:innen organisieren, die sich auch kritisch über das Museum äußern: Bei der Eröffnung am Mittwoch sprach zum Beispiel die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie. Aber es reicht nicht, in einzelnen Momenten People of Colour auf der Bildfläche erscheinen zu lassen, wenn die Menschen, die Programme kuratieren, fast alle weiß sind.  

Auch auf Forderungen der Restitution, also der Rückgabe, reagiert das Humboldt Forum immer nur mit minimalen Zugeständnissen<…

BILD: BARAZANI.berlin

Künstler:innen und Aktivist:innen demonstrieren mit Barazani.berlin für die Überwindung kolonialer Strukturen in Museen. Die Forderung ist eindeutig: Kein Geld fürs Humboldt Forum, wenn dort koloniales Raubgut ausgestellt wird!

Protokoll von Nanja Boenisch

Schwerpunkt Dekolonisierung

Tschüss, Kolonialismus

Kolonialismus ist längst nicht Geschichte – seine Spuren durchziehen unsere Sprache, Kunst, Wirtschaft und unser Denken bis heute. Doch weltweit entstehen Bewegungen, Projekte und Perspektiven, die koloniale Muster hinterfragen und überwinden wollen.

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