Antibaby-Gel: Schmiers dir sonst wohin
Bereits 2008 testeten in einer klinischen Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO 320 Männer aus verschiedenen Ländern eine Hormonspritze zur Empfängnisverhütung. Die Kombination aus Testosteron plus Gestagen alle acht Wochen per Injektion in den Pomuskel verabreicht, sollte die Spermienzahl deutlich verringern – was sie in 96 Prozent der Fälle auch effektiv tat. Allerdings brachen viele Probanden die Studie ab. Sie berichteten von Nebenwirkungen, die von starker Akne über Stimmungsschwankungen bis zu Suizidalität reichten. Die Studie wurde abgebrochen. Zu Recht – auch 60 Jahre Nebenwirkungen der Antibabypille dürfen ein Medikament, das Menschen in den Suizid treiben kann, selbstverständlich nicht rechtfertigen.
Doch so wie die Antibabypille im Laufe der Zeit durch niedrigere Hormondosen verträglicher wurde, könnte hier ein Hormon-Gel die Lösung sein. NES/T nennt es sich, entwickelt vom US National Institute of Child Health and Human Development und der NGO Population Council. NES/T steht für die beiden Hauptbestandteile des Gels: Nestoron, eine synthetische Version des Hormons Progesteron, und Testosteron. Die beiden synthetischen Hormone gleichen sich gegenseitig aus wie eine Waage: Progesteron vermindert die Spermienproduktion in den Hoden und senkt den natürlichen Testosteronspiegel im Blut. Den depressiven Verstimmungen, die dadurch ausgelöst werden können, wirkt wiederum das synthetische Testosteron entgegen.
Man schmiert sich NES/T täglich auf beide Schultern – eine große Fläche ist wichtig –, über die Haut gelangen die Hormone in den Blutkreislauf. Nach ein paar Wochen ist die Spermienzahl so weit gesunken, dass eine Schwangerschaft so unwahrscheinlich wird wie bei korrekter Einnahme einer Antibabypille. Setzt man das Gel ab, ist die Fruchtbarkeit innerhalb von ein paar Monaten wiederhergestellt.
Seit 2018 testen weltweit für eine klinische Studie rund 200 Paare das Gel. Die Ergebnisse sollen noch 2024 veröffentlicht werden und könnten „alle Hoffnungen übertreffen“, sagte die Forschungskoordinatorin Diana Blithe Anfang 2024 in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde. Um die nächste Phase der Studie starten zu können, fehlt allerdings noch ein finanzstarker Pharmapartner.
Silikonring: Push-up für die Hoden
Schon mal was vom saisonalen Hodenabstieg gehört? Manche männlichen Säugetiere, wie Feldhamster oder Feldmäuse, ziehen ihren Hodensack vor dem Winterschlaf in die Bauchhöhle zurück – dadurch steigt die Temperatur in den Hoden, weniger Spermien werden gebildet. So wird keine Energie für die Spermienproduktion verschwendet und in den kargen Wintermonaten nicht versehentlich Nachwuchs gezeugt, der nicht ernährt werden könnte. Pünktlich zur Paarungszeit im Frühjahr wandert der Hodensack wieder aus der Bauchhöhle – der saisonale Hodenabstieg eben. Ein cleverer Trick der Natur.
Menschen könnten ihn für die Verhütung nutzen. Auch die menschliche Spermienbildung, die sogenannte Spermatogenese, verlangsamt sich bei höheren Temperaturen. Deshalb liegt der Hodensack anatomisch klug außerhalb des Körpers – im Inneren wäre es bei einer Körpertemperatur von 37 Grad Celsius zu warm für die Spermienzellen.
Nun können Menschen ihre Hoden nicht in die Bauchhöhle zurückziehen. Der Andro-Switch-Ring hilft aus. Er funktioniert so: Penis und Hodensackhaut werden durch den Silikonring gezogen und nah an die Leiste gedrückt. Das Ganze bleibt an Ort und Stelle, weil die Innenseite des Rings durch noppenartige Erhebungen rutschfest ist. Der Sack liegt so näher am Körper, erwärmt sich – Produktion und Beweglichkeit der Spermien werden reduziert. Schmerzhaft soll das nicht sein.
Der Andro-Switch-Ring muss 15 Stunden am Tag getragen werden, Sex in allen Varianten und Urinieren sind mit ihm möglich. Nach etwa zwei Monaten ist nach Herstellerangaben durch die thermische Wirkung die Spermienzahl auf unter eine Million pro Milliliter Ejakulat gesunken. Das ist der von der WHO festgelegte Richtwert für Fruchtbarkeit, der nur durch ein Spermiogramm überprüft werden kann. Schwangerschaften sollen nahezu ausgeschlossen sein, meint der ehemalige französische Vertreiber Therome. Seit einer Entscheidung der französischen Arzneibehörde ANSM 2022 darf er den Andro-Switch- Ring allerdings nicht mehr vertreiben. Denn belastbare Studien zum Silikonring gibt es noch nicht, dafür fehlt das Geld.
Derzeit läuft ein Zertifizierungsprozess auf EU-Ebene. Eine eigens dafür gegründete Genossenschaft namens Entrelac-Coop hat dafür 300.000 Euro gesammelt, gebraucht werden rund eine Million. Die Aktivist:innen rechnen mit einer medizinischen Zulassung bis 2027.
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