Schwerpunkt: Jetzt erst recht

Naturschutz nach Biberart

Dürren, Brände, Fluten – die Klimakrise bedroht Ökosysteme. Maßnahmen zu ihrem Schutz sind oft teuer. Aber es gibt ja noch ihn: den Biber. Wie kann er helfen?

Irgendwo im südlichen Finnland, tief in den Kiefern- und Fichtenwäldern, steht Petri Nummi knietief im Wasser. Es ist Herbst, die Luft beißt in den Lungen, Birkenblätter schaukeln wie kleine goldene Boote über die glatten Seen. Vor Nummi türmen sich Zweige, die er mit einem Bagger ins Bachbett schaufelt. Er versucht sich an einem Damm, so, wie es die eigentlichen Meister des Fachs tun: die Biber. Einige Äste treiben auseinander, doch der Bach beginnt sich langsam zu stauen. Für einen Moment hält Nummi inne und betrachtet sein Werk: ein Experiment, Teil einer Forschungsarbeit.

Mehrmals kehrt er zurück ins Evo-Gebiet, eine riesige Wald- und Seenlandschaft, die seit Jahrzehnten als Freiluftlabor für Forschende dient. Er macht seinen Damm mit Kies und Steinen stabiler. Schnee knirscht unter seinen Stiefeln, die Ufer sind weiß überzogen. Irgendwann hat er nichts mehr zu tun. Die Biber übernehmen von selbst die Reparatur des Dammes, verstärken ihn, dichten ab. Was Nummi mühsam ausprobierte,
haben sie instinktiv erledigt.

Das ist nun 40 Jahre her. Aus dem Studenten wurde ein Dozent an der Universität Helsinki, aus dem Versuch eine Laufbahn. Seitdem hat Nummi mehr als 200 Forschungsarbeiten veröffentlicht und sich zu einem der führenden Experten der Biber- und Feuchtgebietsforschung in Europa entwickelt. Seine Arbeiten zeigen unter anderem, wie neue Biberteiche als Hotspots für Artenvielfalt dienen und wie Biber nachhaltig Landschaften strukturieren. Selbst wenn die Tiere weiterziehen, bleiben feuchte Wiesen zurück, die Landschaften widerstandsfähiger machen. Die Ansiedlung von Bibern kann  so ein äußerst effektives Mittel sein, um Folgen der Klimakrise abzufedern. Zum Beispiel das Risiko extremer Überschwemmungen. „Biberteiche wirken dann wie ein Schwamm“, sagt Nummi. Wissenschaftler:innen nennen das Resilienz der Natur– ein entscheidender Baustein zur Anpassung.

Rückkehr der fluffigen Bauarbeiter

In Finnland ist das vergleichsweise einfach, denn weite Wälder und Seen machen das Land zu einem idealen Lebensraum für Biber. England dagegen sieht ganz anders aus. Dort waren, wie fast überall in Europa und Nordamerika, Biber jahrhundertelang nahezu ausgerottet. Gejagt wurden sie für ihren Pelz, ihr Fleisch und das Castoreum, ein Drüsensekret, das in der Medizin als Heilmittel bei beispielsweise Angst oder Nervosität und in der Parfümherstellung verwendet wurde. Zugleich wurden Flüsse begradigt und Auenlandschaften trockengelegt. Heute fehlen also insbesondere in England genau die Strukturen, die Biber natürlicherweise schaffen: Feuchtgebiete.

Mit ihren Knopfaugen und dem dicken, fluffigen Fell wirken Biber fast unbeholfen. Und doch sind sie Bauarbeiter, Hydrologen und Landschaftsarchitekten in einem. Trotzdem gelten sie vielerorts noch immer als Störer. Wie in England, wo man ihr…

Foto: Berit Arendt

Der Biber: Nicht nur knuffig, auch hilfreich für den Schutz der Natur in der Klimakrise

Julia Mayer

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