Zukunftsbegriff: Brutto-Ökosystem-Produkt

Regenwälder voller Kapital

Das Brutto-Ökosystem-Produkt soll helfen, ökologische Entscheidungen zu treffen, denn es bezieht das Kapital natürlicher Ressourcen mit ein. Was kann der Ansatz bewirken?

Warum ist es so schwer, Naturschutzmaßnahmen umzusetzen? Unter anderem, weil der Wert der Natur schwer quantifizierbar und damit schwer vermittelbar ist. Sicher, Insektensterben ist schlecht, doch ohne Pestizide gehen Teile der Ernte verloren. Sicher, Parks in Städten sind toll, aber wir brauchen Wohnraum. Außerdem sind Naturschutzmaßnahmen langfristig angelegt – für Ressourcen, die nicht selten als selbstverständlich angesehen werden. Also werden sie oft von kurzfristig akuteren Problemen übertrumpft. Und selbst, wenn man die Natur als so unfassbar wertvoll einschätzt, wie sie ist: Mit „unendlich“ lässt sich so wenig rechnen wie mit „null“.

Ein Ansatz, daran etwas zu ändern, ist das Brutto-Ökosystem-Produkt (BÖP). Der Index funktioniert ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt, bezieht aber auch das sogenannte Natürliche Kapital mit ein. Das ist, vereinfacht gesagt, eine Berechnung aller Aspekte der Natur, die einen Nutzen für Menschen und Wirtschaft haben. Natürliche Auen, die vor Hochwasser schützen; Gewässer, die sich selbst reinigen und damit für besseres Grundwasser sorgen. Holz, wilde Früchte, Heilpflanzen. Dabei geht es nicht darum, dem Wind ein Preisschild aufzudrücken. Der Index soll es in erster Linie Staaten ermöglichen, mit natürlichen Einflüssen und Leistungen zu rechnen.

Umwelteinflüsse kalkulieren

Der Ansatz geht vor allem auf die US-amerikanische Professorin Gretchen Daily zurück, die 2005 das Stanford Natural Capital Project mitgründete. Die Initiative arbeitet mit Staaten zusammen, um Umwelteinflüsse zu berechnen, die diese dann in ihren politischen Entscheidungen berücksichtigen können.

Als Beispiel nennt Daily die Kaffeeernte in Costa Rica. Wo Felder an den Regenwald grenzen, gibt es eine Zone, in der Tiere aus dem Wald in die Felder kommen – vor allem Bienen. In einer solchen Zone erwies sich die Ernte um 20 Prozent besser als außerhalb; ein Argument, mit dem Costa Rica seine Umweltstrategie anpasste. Mit 20 Prozent lässt sich schließlich rechnen: Auf der Farm, auf der gemessen wurde, bedeutete das 60.000 US-Dollar mehr Umsatz.

Entwickelt hat das Stanforder Projekt auch eine Software namens InVEST. Sie soll die Methodik des BÖP verfügbarer machen und verbindet den Index mit Karten, die Zonen wie die Kaffeeplantagen in Costa Rica zeigen.

Foto: IMAGO / Design Pics

Regenwald in Costa Rica. Hier wurde das BÖP beispielhaft für die Kaffeeernte errechnet.

Carla Behnke

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