Historismus: Fantasy-Serien

Diverse Gesichter reichen nicht

Moderne Fantasy-Verfilmungen wie House of the Dragon wollen divers sein. Sie zeigen nun zwar nicht-weiße Gesichter, von anderen Kulturen und einer Auseinandersetzung mit Kolonialismus fehlt jedoch jede Spur. Wie geht es anders?

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2022 war ein Fantasy-Füllhorn. Vom Game of Thrones Prequel House of the Dragon über die Amazon-Serie Rings of Power und die Netflix-Adaption von Neil Gaiman‘s Sandman: Jeden Monat prasselte es milliardenschwere Produktionen, die in Zeiten der Dauerkrise epischen Eskapismus und feinstes Heim-Entertainment versprechen. 

Neu: In all diesen Verfilmungen wurde darauf geachtet, nicht nur weiße Menschen zu casten. Der Backlash gegen diese Entscheidungen folgte prompt und war meist – Überraschung – rassistisch motiviert. Es hieß: High-Fantasy basiere auf dem europäischen Mittelalter, auch erfundene Völker wie Elfen hätten dementsprechend gefälligst bleich zu sein. Das ist natürlich schon faktisch völliger Unsinn, da unter anderem durch das römische Reich, die Mauren und die Kreuzzüge schon seit der Antike nicht nur kaukasische Gestalten durch Europa gezogen sind. Eine andere Kritik kann ich dagegen viel besser nachvollziehen: Warum spielt es für die Protagonist:innen in diesen Geschichten so gar keine Rolle, welche Hautfarbe sie haben? Ist das nicht eine vertane Chance? Ihre Leben werden so dargestellt, als hätte ein höherer Melanin-Spiegel weder kulturelle Bedeutung, noch Konsequenzen – es wird keine ausgeprägte Identität sichtbar, auf die man stolz sein kann, aber auch keine Form von Diskriminierung. Wie schade.

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Fantasy ist ein Genre, in dem wir Krieg und Faschismus verarbeiten und vom Sieg der Gerechtigkeit träumen. Grundkonflikte unserer Gesellschaft auszublenden – und da sind Kolonialismus und Rassismus leider ganz vorn dabei – kann für manche zwar eine erholsame Pause von einem belastenden Alltag sein. In der derzeitigen Umsetzung ist es schlicht schlechtes Storytelling. Genauso wenig würde es uns doch auch überzeugen, wenn weibliche oder queere Figuren auf der Leinwand keinerlei eigene, von der cis-männlichen Erfahrung abweichenden Erlebnisse mehr hätten. Mit uniformen Personen identifiziert es sich schlecht. Und das ist schließlich das, was wir von guten Geschichten wollen. Diverse Gesichter ändern außerdem nichts an der Tatsache, dass fast alle erfolgreichen Fantasy-Serien auf Büchern von weißen Männern basieren. Dabei gibt es eben auch dutzende Beispiele von fantastischer Literatur, die in anderen Kulturkreisen spielt, von anderen Menschen geschrieben wurde und die die Gattung wirklich vielfältiger machen könnte.

Die mexikanische Autorin Silvia Moreno-Garcia etwa, die auf der Buchempfehlungsliste 2022 von Barack Obama steht. Ihr Roman Gods of Jade and Shadow aus dem Jahr 2020 spielt in der kolonial geprägten Gesellschaft im Yucatán der Zwanziger Jahre und ist in der Mythologie der Maya angesiedelt. Oder: Die aus Sierra Leone stammende Namina Forna schreibt in  ihrem Debüt-Roman The Gilded Ones, eine feministische Fantasy-Geschichte über eine Welt, die von westafrikanischer Kultur und einem brutalen Patriarchat geprägt ist. 

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Beide Autorinnen haben Preise und gute Kritiken abgeräumt, mittlerweile auch Verträge für die Verfilmung ihrer Werke. Es wird bunter auf den Bildschirmen. Zeit, hinzuschauen.

Kolumne Histourismus

In der Kolumne Histourismus wirft unsere Redakteurin Morgane Llanque einen feministischen und postkolonialen Blick auf Geschichte. Sie erscheint auch in jeder neuen Ausgabe des GOOD IMPACT Magazins

Bild: IMAGO / ZUMA Press

Schauspieler Steve Toussaint als Corlys Velaryon in der Fantasy-Serie House of the Dragon.

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