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Das ist die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung

Wenn es um die Energie der Zukunft geht, fällt immer das Zauberwort Wasserstoff. Er soll die Wirtschaft am Laufen halten und zugleich das Klima schützen. Nun hat Deutschland dafür eine Strategie. Worum es geht – und warum das Thema so wichtig, aber auch so umkämpft ist.

Bis 2050 soll Deutschland „klimaneutral“ sein. Das klingt nach ferner Zukunft. Aber wenn in 30 Jahren wirklich Fabriken produzieren, Autos und Lkw fahren, Flugzeuge fliegen und Heizungen laufen sollen, ohne dass zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, dann ist dafür ein kaum vorstellbarer Wandel notwendig – und zwar zügig. Es reicht nicht, Kohlekraft durch Windräder und Solaranlagen zu ersetzen oder E-Autos zu fahren. Experten sind sich einig, dass es ohne eine Technologie nicht geht: Wasserstoff als Energieträger. An diesem Mittwoch verabschiedet das Bundeskabinett deswegen eine Wasserstoffstrategie für Deutschland.

Dass diese Strategie mehr als ein halbes Jahr später kommt als geplant, ist eigentlich kein Wunder: Es geht nicht nur um sehr viel Geld, sondern viele Wirtschaftszweige wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Dazu kommt, dass Energie auf Wasserstoff-Basis den Klimaschutz voranbringen kann – aber nicht muss. Und dass Deutschland alleine bei dem Thema nicht sehr weit kommen kann.

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Was die Bundesregierung mit der Wasserstoffstrategie plant

Der Bund hat schon viele Hundert Millionen Euro in die Forschung zum Wasserstoff gesteckt, weitere, milliardenschwere Förderprogramme laufen. Im großen Konjunkturpaket gegen die Corona-Krise sind weitere 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien vorgesehen und 2 Milliarden für internationale Partnerschaften. Denn es wird längerfristig so viel Wasserstoff gebraucht, dass Deutschland diesen nicht alleine produzieren kann – allein schon wegen der enormen Strommengen, die dafür notwendig sind.

Bis 2030 sollen in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen, heißt es in der Wasserstoff-Strategie. Diese sollen etwa ein Siebtel des erwarteten Bedarfs herstellen. Der Rest muss importiert werden. Die SPD wollte eigentlich doppelt so viel Kapazität.

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Umstritten war auch, welche Rolle nicht-grüner Wasserstoff spielen soll. In der Strategie heißt es nun, dass nur grüner Wasserstoff, an dessen Produktion ausschließlich regenerative Energien beteiligt seien dürfen, „auf Dauer nachhaltig“ sei – aber auf dem weltweiten und europäischen Markt auch blauer oder türkiser Wasserstoff (siehe Infobox am Ende des Textes) gehandelt werde, der daher auch in Deutschland „eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt“ werde.

Ziel ist es, neben der Förderung von Investitionen auch einen Markt für Wasserstoff zu schaffen, damit Unternehmen überhaupt im großen Stil auf Wasserstoff-Produktion setzen. Denn bisher ist oft die Rede von einem „Henne-Ei-Problem“: Es ist nicht genug Wasserstoff da, um Anwendungen voranzubringen – und es gibt nicht genug Anwendungen, um in die Produktion einzusteigen.

Im Gespräch ist unter anderem eine Quote für Kerosin, also Flugzeug-Treibstoff, in Höhe von mindestens zwei Prozent für das Jahr 2030, oder eine Quote für klimafreundlichen Stahl. Beschlossen ist das aber nicht. Die Produktion von grünem Wasserstoff soll zudem über eine Befreiung von der Ökostrom-Umlage gefördert werden, die Bürger mit der Stromrechnung zahlen.

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Wofür der Wasserstoff verwendet werden soll

Klar ist, dass etwa die Stahl-, Chemie- und Zementbranche ihn braucht, um CO2-Emissionen zu drücken. Auch „Teile des Wärmemarkts“ hat die Regierung „im Blick“, wie es in der Strategie heißt. Und wie sieht es beim „Klimaschutz-Sorgenkind“ Verkehr aus? „Sowohl im Luft- als auch im Seeverkehr sind für die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erforderlich“, heißt es in der Wasserstoffstrategie. Das bezweifelt keiner, auch Brennstoffzellen in Bussen, Zügen und Lkw sind ziemlich unstrittig.

Der Satz „Auch in bestimmten Bereichen bei PKWs kann der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein“, kommt dagegen bei Umweltschützern eher schlecht an: Sie werfen der Branche vor, nicht auf batterieelektrische Fahrzeuge umsteigen zu wollen, in denen Strom effizienter genutzt wird als über den Wasserstoff-Umweg.

Kleine Farbenlehre

GRÜNER WASSERSTOFF

Er wird in Elektrolyse-Anlagen (Elektrolyseuren) hergestellt. Da- für wird Strom regenerativer Energien, zumeist Windkraft, genutzt. Es entstehen somit bei der Herstellung keine CO2-Emissionen. Bei dem Vorgang wird Wasser in seine Bestandteile Wasser und Sauerstoff zerlegt. Drei Verfahren sind zu unterscheiden: die alkalische Elektrolyse (AEL), die saure Elektrolyse PEM (Proton Exchange Membrane) sowie die Hochtemperatur-Elektrolyse SOEC (Solid Oxide Electrolysis Cell). Das Interesse an der nahezu klimaneutralen Technologie – Emissionen entstehen nur bei der Produktion der Windkraftanlagen – hat deutlich zugenommen. In den vergangenen 20 Jahren gingen 230 kleinere Anlagen mit einer Leistung von bis zu 10 Megawatt in Betrieb.

BLAUER WASSERSTOFF

Er wird aus Erdgas hergestellt. Die dafür genutzten Verfahren sind ebenfalls SMR und die effektivere autotherme Reformierung. Ein großer Teil des entstehenden CO2 (65–90 Prozent) wird abgeschieden und in Endlagern gesichert: Carbon Capture and Storage (CCS), die Verpressung von CO2 im Unterrund. Auch der Transport trägt dazu bei, dass insgesamt pro Kilogramm blauen Wasserstoffs 5 bis 7 Kilogramm CO2 entstehen. Insgesamt werden pro Jahr weltweit rund 30 Millionen Tonnen CO2 abgetrennt und eingelagert. Doch es gibt nur zwei nennenswerte CCS-Projekte – in Kanada und in den USA. Hinzu kommt, dass die schwankenden Erdgaspreise hohe Investitionsrisiken bedingen.

GRAUER WASSERSTOFF

Dieser Typ ist der momentan gängigste am Markt – und der klimaschädlichste. Grauer Wasserstoff wird aus Erdgas oder Kohle hergestellt. Zwei Verfahren sind zu unterscheiden: In SMR-Anlagen (Steam Methane Reformer) wird Erdgas erhitzt und reagiert mit Wasserdampf. Alternativ kombiniert die autotherme Reformierung (ATR) die Dampfreformierung und die sogenannte partielle Oxidation (POX). Wasserstoff entsteht in diesen Anlagen im Rahmen einer Umwandlung von Erdgas mit einer Mischung von Wasserdampf und Luft. Bei beiden Produktionsweisen fallen große Mengen CO2 an. Man spricht zudem von „grauem Wasserstoff“, wenn Elektrolyseure Strom aus fossilen Brennstoffen nutzen müssen.

TÜRKISER WASSERSTOFF

Das zur Herstellung von türkisem Wasserstoff genutzte Verfahren ist noch in der Testphase. Es heißt Methanpyrolyse (Methane Splitting). In einem Hochtemperaturreaktor wird dabei Erdgas thermisch in Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt. Die Methode ist weniger energieeffizient als SMR, allerdings fallen im Herstellungsprozess keine CO2-Emissionen an. Der so enstehende, feste Kohlenstoff kann weiter genutzt werden.

Bild: imago images / photothek

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Teresa Dapp, dpa

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