Beitrag zur Verkehrswende

Sind Elektroschiffe die besseren LKWs?

Auf den Autobahnen stauen sich die Lastwagen, und in den Städten blockieren Lieferwagen den Verkehr. Dagegen herrscht auf den Wasserstraßen fast nur Ausflugsverkehr. Ein Forschungsprojekt will das ändern.

Christian Masilge bringt den Ansatz seines Forschungsprojekts zur Binnenschifffahrt mit einem Satz auf den Punkt. „Während die Straßen und Schienenwege zunehmend mit Lieferverkehr verstopft sind, ist der Verkehrsträger Wasserstraße praktisch ungenutzt”, sagt der Geschäftsführer der Schiffbau-Versuchsanstalt Potsdam (SVA). Das will die SVA mit ihrem Projekt A-SWARM grundlegend ändern: Ein Verbund autonom gesteuerter Schiffe, die Baumaterialien, Waren und Pakete in der wasserreichen Region Berlin-Brandenburg auf dem Wasserwege zum Bestimmungsort bringt.

Inzwischen würden selbst große Baustellen am Wasser in Berlin nur noch von Lastwagen beliefert, erläutert Masilge. Die SVA will dagegen auf die Lieferwege früherer Zeiten zurückgreifen. „Alle Lieferungen über 10 Tonnen liefen damals mit Schiffen, denn Lastwagen gab es nicht”, erklärt der Geschäftsführer. „Städte wie Berlin wurden an Flüssen gebaut, weil man darüber die Baumaterialien wie Holz und Ziegelsteine heranschaffen konnte.”

Autonome Elektroschiffe für effizienten Gütertransport

Und da will Masilge mit seinem Forschungsprojekt wieder hin. Nicht nur Baumaterialien, sondern auch andere Waren, Pakete oder gar Siedlungsabfälle könnten mit kleinen selbstgesteuerten Booten zunächst in einem Verbund aus der oder in die Stadt gebracht werden, erläutert der Ingenieur. Am Ziel könnten sich die Schiffe aus dem Verbund abkoppeln und Umschlagplätze ansteuern, an denen umweltfreundliche Transportmittel wie Lastenräder oder Elektro-Lastwagen die „letzte Meile” übernähmen. „Damit verbindet man den Vorteil großer Schiffe, die vergleichsweise weniger Energie brauchen, mit kleinen Einheiten”, erläutert der Ingenieur.

Und nicht nur der Transport auf der letzte Meile, sondern auch die Schifffahrt selbst soll umweltfreundlich sein: Das Projekt der SVA setzt auf Elektromotoren, mit denen sich die Schiffe auf den Wasserstraßen in und um Berlin fortbewegen können. Das soll nicht nur für weniger Stau auf den Straßen sorgen, sondern die Schadstoffkonzentration in der Innenstadt senken und die nächtliche Lärmbelastung durch Lastwagen reduzieren.

Auch bei Good Impact: Greenpeace-Studie: Könnte Europas Verkehr in 20 Jahren klimaneutral werden?

Die autonome Steuerung spare außerdem Personalkosten, denn nicht für jede kleine Bootseinheit könnten die vorgeschriebenen zwei Mann Personal beschäftigt werden, erläutert Masilge. Die Firma Infineon sei mit im Forschungsboot, weil neben der Steuerung über Satellitensysteme Sensoren für die direkte Umgebung der Boote notwendig seien. „Dies ist bei einer spiegelnden Wasseroberfläche schwieriger als bei autonom fahrenden Autos die Fahrbahndecke”, berichtet der Ingenieur. „Die Künstliche Intelligenz muss auch erkennen, ob es etwa einen Ball vor sich hat oder den Kopf eines Schwimmers.”

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Die Universität Rostock kümmert sich um die Regelungs- und Steuertechnik und eine Werft in Spandau hat zwei 6 Meter lange und 2,50 Meter breite Prototypen gebaut, die im Frühjahr bereits im 280 Meter langen Versuchsbecken der SVA getestet wurden. Mit zwei weiteren Prototypen will Masilge einen Verbund von vier hintereinander gekoppelten Transportbooten im Sommer erstmals im Berliner Westhafen testen. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

„Zur dringend notwendigen Verkehrswende gehört klimafreundliche, leistungsfähige Schifffahrt”, sagt Martin Bastian, der Präsident der Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse, der die Potsdamer SVA angehört. „Denn in Binnengewässern und auf See gibt es für umweltgerechte Mobilität noch viel Potenzial.”

Weitere Projekte zur Binnenschifffahrt in Duisburg und Kiel

Das sieht auch der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt so. Der Verband verfolge die Forschungen zu den Möglichkeiten der Automatisierung in der Binnenschifffahrt mit großem Interesse, sagt Verbandsreferent Fabian Spieß. „Langfristig können autonom fahrende Binnenschiffe dazu beitragen, den Gütertransport per Binnenschiff noch effizienter, sicherer und umweltfreundlicher zu machen.” Einzelne Reedereien hätten bereits angekündigt, Schiffe für Erprobungen in Kanalgebieten zur Verfügung zu stellen.

Spieß verwies auch auf das Projekt „AutoBin” des Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg. Dort soll ein autonom fahrendes Binnenschiff entwickelt werden, das auch ohne menschliches Eingreifen an einem Startpunkt ablegen und am Ziel anlegen kann. Dies soll auf einer Teststrecke in der Nähe von Dortmund erprobt werden.

Auch das Bundesverkehrsministerium unterstützt die Weiterentwicklung der automatisierten Schifffahrt mit 23 Millionen Euro für die Einrichtung von Testfeldern auf den Bundeswasserstraßen. „Mit unserer Förderung wollen wir die Schifffahrt auf Kurs Richtung Zukunft bringen und die Vorteile des autonomen Fahrens voll ausschöpfen: weniger Unfälle, mehr Verlässlichkeit und Effizienz”, erklärt eine Sprecherin. „Nur so können wir es schaffen, die Attraktivität dieses umweltfreundlichen Verkehrsträgers zu steigern und mehr Güter runter von der Straße auf die Wasserstraßen holen.”

Das Potenzial reiche vom Fährverkehr bis hin zum Gütertransport in der Binnenschifffahrt, sagte die Sprecherin. So fördere das Ministerium in Kiel das Projektkonsortium CAPTN „Förde Areal” mit 6,5 Millionen Euro. Dieses will die Stadtteile Ost- und West-Kiel über die Förde mit einer teilautonomen Personenfähre verbinden.

Bild: IMAGO / Hans Blossey

Mehrere Forschungsprojekte arbeiten daran, dass automatisierte Elektroschiffe bald Güter über Wasserstraßen wie diese in Duisburg transportieren können. Damit würde sich die Schadstoff- und Lärmbelastung in urbanen Regionen verbessern.

Klaus Peters, dpa

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