Wildbrände in den USA

Wie Oregon gegen das Feuer kämpft

In Oregon wüten verheerende Feuer, weite Teile des Bundesstaats an der amerikanischen Westküste liegen in einer Rauchwolke. Feuerwehrleute und Freiwillige kämpfen gemeinsam gegen die Flammen, organisieren Notunterkünfte und retten über 1000 Tiere.

Die Botschaft vor der Feuerwehr in Scotts Mills im US-Bundesstaat Oregon ist eigentlich eindeutig, irgendwer hat sie trotzdem mit zwei Ausrufezeichen versehen, um die Dringlichkeit zu unterstreichen. „Evakuierung Stufe drei“, steht am Montag (Ortszeit) auf der roten Leuchttafel. „Gehen Sie jetzt!!“ Stufe drei heißt, dass die Flucht vor den Flammen keine Empfehlung mehr, sondern von den Behörden angeordnet ist. Zehntausende Menschen haben in Oregon ihre Häuser verlassen, zahlreichen weiteren könnte dasselbe Schicksal drohen. Der Bundesstaat an der amerikanischen Westküste erlebt Flächenbrände, die die Menschen dort als historisch beschreiben.

400 000 Hektar Land in einer Woche abgebrannt

In den vergangenen zehn Jahren fielen in der Feuersaison nach Angaben von Oregons Gouverneurin Kate Brown jeweils rund 200 000 Hektar den Flammen zum Opfer. In diesem Jahr haben sie mehr als 400 000 Hektar versengt – in nur einer einzigen Woche. Zum Vergleich: Das ist mehr als die eineinhalbfache Fläche des Saarlands. In Kalifornien südlich von Oregon sind die Brände zwar noch verheerender. Anders als in Kalifornien – wo es immer wieder zu gigantischen Flächenbränden kommt – kennt man in Oregon solche Zustände aber eigentlich nicht.

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Weite Teile Oregons liegen derzeit in einer Rauchwolke. Der beißende Brandgeruch schlägt Besuchern entgegen, sobald sich am Flughafen in Portland die Flugzeugtüren öffnen. Einige der Brände wüten unweit Portlands im Südosten der Metropole. Wegen der miserablen Luftqualität hat der Wetterdienst eine Warnung herausgegeben. Je näher man den Bränden kommt, desto mehr kratzt der Rauch im Hals. Irgendwann wirkt es, als würde es leicht schneien, Aschepartikel fallen vom Himmel. Die Sicht liegt unter einem halben Kilometer.

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Die Feuerwehrleute um Sprecher Stefan Myers kämpfen gegen das Beachie-Creek-Feuer, eines von mehreren im Südosten Portlands. Myers sagt, der Brand – dessen Ursache noch unbekannt sei – habe auf einer Fläche von rund 200 Hektar begonnen. Am Montag vor einer Woche sei der Wind dann unüblicherweise von Osten statt vom Pazifik im Westen gekommen – mit Geschwindigkeiten von rund 100 Kilometern pro Stunde. Über Nacht habe sich das Feuer auf eine Fläche von gut 53 000 Hektar ausgebreitet. Die Feuerwehrleute wurden davon überrascht, sie mussten ihren Kommandostand räumen – der den Flammen zum Opfer fiel.

Die Feuerwehrleute brachten Anwohner*innen und sich selber in Sicherheit, und sie suchten nach Überlebenden. „Wir fanden Menschen im Fluss, die dort die ganze Nacht geblieben waren, um sich von der Hitze und den Flammen fernzuhalten“, sagt Myers. Mindestens vier Menschen seien ums Leben gekommen, mehrere weitere würden vermisst. „Viele Leute haben in der Gegend gecampt.“ Viele Orte seien einer „katastrophalen Zerstörung“ ausgesetzt gewesen. 540 Feuerwehrleute bekämpften derzeit alleine das Beachie-Creek-Feuer. Wie weit ihnen inzwischen die Eindämmung des gelungen sei? „Null Prozent“, sagt Myers.

Wildbrände in den USA: Hotelgutscheine und Notunterkünfte

In Oregons Hauptstadt Salem haben die Behörden und das Rote Kreuz ein Auffanglager auf dem Messegelände eingerichtet. Auf dem Parkplatz stehen Wohnmobile von Menschen, die vor den Flammen geflohen sind. Wer kein mobiles Zuhause hat, kann einen Hotelgutschein bekommen oder Feldbetten in einer Notunterkunft beziehen. In einer Halle – in der trotz Klimaanlage kein Entkommen vor dem Brandgeruch ist – werden Lebensmittel, Windeln, Decken und andere Dinge des täglichen Bedarfs verteilt. Auch eine Spielecke für Kinder ist dort eingerichtet.

Neben der Spielecke sitzt Cydney Nestor, sie arbeitet für den Bezirk Marion und leistet Krisenunterstützung für Brandgeflüchtete. „Die meisten von ihnen sind in den frühen Phasen eines Schocks“, sagt Nestor. „Sie wollen nur durch den heutigen Tag kommen.“ Erschwert werde die Hilfe durch die Coronavirus-Pandemie. „Das verkompliziert die Dinge sehr“, sagt Nestor. So würden die betroffenen Kinder normalerweise in die Schulen in Salem geschickt – die aber weiterhin geschlossen seien und nur Online-Unterricht anböten.

In der Mitte der Halle sind Tische aufgebaut. An einem davon sitzt Christel Clay und isst ein Sandwich, zu ihren Füßen liegt ein kleiner Hund. Die 36-Jährige sagt, sie sei nach ihrer Scheidung bei Freund*innen untergekommen, ein anderes Zuhause habe sie nicht. Gemeinsam hätten sie vor den Flammen fliehen müssen. Das Haus sei durch den Rauch unbewohnbar geworden. Mehrere dazugehörige Schuppen seien abgebrannt, dort seien ihre Sachen gelagert gewesen. „Ich habe alles verloren bis auf das, was ich in meinem Auto habe.“ Sie wohne nun mit ihrem Hund in einem Zelt auf dem Parkplatz und warte auf einen Hotelgutschein.

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Bis lang 1400 Tiere gerettet

Clay ist nicht die einzige, die mit einem Tier ins Auffanglager gekommen ist. Marion ist ein landwirtschaftlich geprägter Bezirk, viele Menschen haben nicht nur ihre Haus-, sondern auch ihre Nutztiere vor den Flammen retten können. „Vögel, Pferde, Kühe, Hunde, Katzen, Hühner, Lamas, Alpakas, Schweine“ zählt Tamra Goetsch auf, und bestimmt habe sie da noch etwas vergessen. Goetsch arbeitet ebenfalls für den Bezirk und kümmert sich nun um die mehr als 1400 Tiere, die in dem Auffanglager ein Dach über dem Kopf gefunden habe.

„So etwas hatten wir noch nie“, sagt Goetsch mit Blick auf die Brände. „Es ist beispiellos. Und ich habe hier mein ganzes Leben lang gelebt.“ Einige Menschen seien mitten in der Nacht alarmiert worden, weil die Flammen plötzlich näher rückten, und hätten dann Hals über Kopf fliehen müssen. „Wir haben hier Waldbrände, aber nicht in bewohnten Gebieten. Das gab es im Bezirk Marion niemals zuvor“, sagt sie. „Die Menschen hier waren nicht vorbereitet. Das ist hier nicht wie in Kalifornien, wo das dauernd passiert.“

Goetsch führt durch die Hallen mit den Tieren, die eher einem Zoo gleichen. Den neugierig blickenden Lamas sieht man an, dass sie vor den Bränden noch geschoren wurden. Eine Sau liegt wie erschlagen auf dem Boden, ihre Ferkel dicht gedrängt im Gatter daneben. In einem anderen Gatter haust ein gigantisches Schwein, „700 Pfund“, sagt Goetsch fast ehrfürchtig, das Tier wiegt also beinahe 320 Kilo.

Goetsch ist stolz, dass die Gemeinschaft in der Not hilft. Futter und Streu seien in großen Mengen gespendet worden, sagt sie. Etliche Freiwillige kümmerten sich um die vielen Tiere. „Diese Welle der Unterstützung gibt einem den Glauben an die Menschlichkeit zurück.“

Bild: imago images / UPI Photo

Ein Mitglied des United States Forest Service im Einsatz in Oregon.

Can Merey, dpa

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