Sterneninsel Pellworm

„Bei uns kann man Polarlichter sehen, wenn man Glück hat“

Die kleine Nordseeinsel Pellworm ist einer von vier anerkannten Sternenparks in Deutschland. Das lockt Nachthimmel-Fans an und könnte gerade in der Nebensaison den Tourismus ankurbeln. Ein Gespräch mit Sarah Michna, Kurdirektorin der Insel, und Oliver Jedath, Mitglied der Projektgruppe Sterneninsel Pellworm.

Seit August diesen Jahres ist Pellworm Sterneninsel. Warum erst jetzt?

Sarah Michna: Auf der Insel hat sich lange Zeit niemand Gedanken darüber gemacht, wie besonders es ist, dass man nachts die Milchstraße sehen kann. Oder sogar Polarlichter, wenn man Glück hat. Mit der Auszeichnung zum Sternenpark hat diese Besonderheit jetzt endlich einen Namen.

Oliver Jedath: Das Einzige, was es dafür braucht, ist Dunkelheit. Also treten wir hier auf Pellworm jetzt für deren Schutz ein.

Für den Schutz der Dunkelheit eintreten, wie geht denn das?

Jedath: Wir haben schon 80 Prozent der öffentlichen Beleuchtung auf warmes Licht umgerüstet. Das ist gesünder für Mensch, Tier und Natur – und sorgt für weniger Lichtverschmutzung als kaltes Licht. Inzwischen haben wir zudem eine Lichtleitlinie verfasst, die unseren Bürgern und Bürgerinnen ein paar Tipps an die Hand gibt. Im Grunde genommen geht es darum, Licht nicht zu verschwenden.

Sie sprechen von warmem Licht. Was hat es damit auf sich?

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Jedath: Man unterscheidet zwischen warmem und kaltem Licht. Kaltes Licht hat einen hohen Blauanteil und wirkt dadurch befremdlich auf das menschliche Auge. Außerdem greift es stärker in die Dunkelheit ein als warmes Licht. Man misst die Lichtwärme in der Einheit Kelvin. Wer Sternenpark werden will, verpflichtet sich, das Licht möglichst warm zu halten, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren. Die Dark Sky Association (NGO, die den Titel Sternenpark verleiht, Anm. d. Red.) hat uns anfangs einen Maximalwert von maximal 2.700 Kelvin vorgegeben. Durch unsere Maßnahmen haben wir sogar direkt auf 2.200 reduziert – das sorgte für Entzücken!

Michna: Außerdem kommt es den Insekten zugute. Die werden von kaltem Licht nämlich wesentlich stärker angezogen und verenden oft daran. Insekten sind wiederum eine wichtige Nahrungsquelle für andere Wildtiere wie etwa Zugvögel. Und die haben eine bessere Orientierung, wenn es wirklich dunkel ist. Aber auch für Robben und Fische ist die Dunkelheit ein ganz wichtiger Aspekt, damit sie sich orientieren und zur Ruhe kommen können. Wenn man sich mit der Dunkelheit mal wirklich auseinandersetzt, merkt man erst, wie viel da dranhängt. Auch für uns Menschen: Wir schlafen tiefer bei absoluter Dunkelheit. Menschen, die schlecht schlafen, haben ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Depressionen und Krebserkrankungen. Eine dunkle Nacht bedeutet also viel mehr, als nur einen schönen Sternenhimmel zu sehen.

Die öffentliche Beleuchtung auf der Insel Pellworm ist schon zu 80 Prozent umgerüstet, statt kalten Lichts mit hohem Blaulichtanteil kommt warmes Licht zum Einsatz. Damit außerdem auch einzelne Bürger:innen wissen, wie sie die Lichtverschmutzung reduzieren können, hat die Projektgruppe Sterneninsel Pellworm Lichtleitlinien verfasst.

BILD: Sören Lang

Haben die Pellwormer:innen diese Idee denn von Anfang an mitgetragen – oder gab es auch Skepsis?

Jedath: Klar, Skeptiker gibt es immer – aber eigentlich war die Resonanz durchweg positiv. Alle springen nach und nach auf den Zug auf. Es sind wirklich einfache Dinge, mit denen man anfangen kann. Manchmal reicht es schon, den Winkel einer Lampe vernünftig einzustellen, um nicht den Nachbarn auszuleuchten, sondern den eigenen Gartenweg.

Die Devise lautet also: Licht nur da, wo es gebraucht wird.

Michna: Genau. Das Auge ist ein Gewohnheitstier. Es gewöhnt sich wahnsinnig schnell an Dunkelheit und braucht nachts keine taghelle Beleuchtung, um zu sehen. Natürlich gehen wir da nicht auf Kosten der Sicherheit. Mit einem warmen Licht kann man Wege gut ausleuchten.

Die Auszeichnung zur Sterneninsel wird mehr Tourist:innen auf die Insel führen. Mehr Tourismus bedeutet aber ja auch: mehr Licht und mehr Müll. Könnte das Projekt Sterneninsel also auch einen umweltfeindlichen Nebeneffekt haben?

Michna: Ich denke nicht, nein. Der Tourismus ist hier zwar neben der Landwirtschaft unsere wichtigste Einnahmequelle, es gibt aber keinen Over-Tourism wie auf anderen Nordseeinseln. Wir ziehen hier ein sehr ruhiges und naturverbundenes Publikum an. Und auch Sterneninteressierte haben ja ein starkes Naturbewusstsein. Da mache ich mir keine Sorgen.

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Wann genau ist denn die beste Zeit zum Sternegucken auf Pellworm?

Michna: Die ideale Reisezeit ist natürlich, wenn es früh dunkel wird – also im Herbst und im Winter. Besonders dann, wenn man auf Polarlichter hofft. Im August sind Sternschnuppen unterwegs. Wer da genug Durchhaltevermögen hat, um auf die Dunkelheit zu warten, wird also auch belohnt.

Was kann das Festland von der Sterneninsel Pellworm lernen?

Jedath: Umwelt- und Naturschutz als erstes Ziel zu sehen. Und dabei die Dinge eben auch einfach mal anzupacken.

Michna: Entschleunigung. Einfach mal oben auf dem Deich stehen. Sich in den Nordsee-Wind werfen. Oder in den Sternenhimmel gucken und realisieren, wie unglaublich groß dieses Universum ist. Das gibt einem die Energie, sich für die Natur zu engagieren. Selbst wenn das erst mal nur bedeutet, die eigene Gartenbeleuchtung umzustellen.

BILD: Sören Lang

Die Bewohner:innen der Insel Pellworm schützen die Dunkelheit. Licht kommt nur dort zum Einsatz, wo es wirklich gebraucht wird – und wenn, dann soll es menschen- und naturfreundliches warmes Licht sein. Das Ergebnis: sternenklare Nächte, in denen manchmal sogar Polarlichter zu sehen sind.

Interview von Leonie Richter

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