Photovoltaik

Lasst Solarpartys feiern

Damit die Energiewende gelingt, braucht es mehr Lust auf Solar in Deutschland. Initiativen wollen sie entfachen – zum Beispiel indem sie Menschen zu lockeren Plauderrunden über Solartech laden.

Ein Nachmittag im September. Stefan Drozkowski parkt sein schwarzes Stadtrad auf dem gepflasterten Rathausplatz von Unterhaching, einer Gemeinde südlich von München. Vereinzelt schlendern Menschen über den Platz, in der Mitte plätschert ein Brunnen. Drozkowski, von oben bis unten in Grau, trägt Jeansjacke und Tesla-Kappe. Eigentlich mag er Elon Musk gar nicht, sagt er – Elektromobilität aber schon. Am besten mit Strom aus erneuerbaren Energien: „Wenn das Thema einmal auf den Tisch kommt, bin ich wie angezündet“, sagt der 67-Jährige. Er spricht klar und mit Nachdruck, macht dabei wenige Pausen – gerne aber, um zu lachen. In der Genossenschaft Bürger-Energie-Unterhaching engagiert er sich für die Energiewende vor Ort. Bis 2030 will die Gemeinde klimaneutral sein. Seit diesem Jahr ist Drozkowksi auch einer der ersten Solarbotschafter:innen im Ort – und organisiert „Solarpartys“.

Stefan Drozkowski ist Solarbotschafter (li.), Module zum Eigenbau (re.), Fotos: Mona Gnan, Collage: Pexels / Polina Tankilevitch

Was nach Tupper-Runde klingt, dient einem anderen Zweck: im Plauderton über Solarenergie sprechen, um den Ausbau von Photovoltaikanlagen anzukurbeln. Mit dieser Idee startete 2022 der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) das Projekt „packsdrauf“. „Wir wollen auch Menschen erreichen, die keine Ahnung von Solartechnik haben und ihnen zeigen, worauf sie bei der Installation einer Solaranlage achten müssen“, sagt Projektkoordinatorin Taalke Wolf. Zwar veranstalten auch andere Vereine Solarpartys, zum Beispiel Omas for Future in Sachsen, eine kostenlose Ausbildung von Solarbotschafter:innen bietet jedoch nur die packsdrauf-Initiative an. Etwa 400 Botschafter:innen gibt es inzwischen deutschlandweit. Um die 300 Solarpartys fanden bereits statt – sowohl in kleinen Gemeinden als auch in Großstädten.

Not in my backyard geht einfach nicht mehr
Stefan Drozkowski, Solarbotschafter

Etwa alle vier Wochen bildet der SFV neue Botschafter:innen online aus: Wie funktioniert Photovoltaik? Welche Anlage passt zu welchem Haus oder auf einen Balkon? Und was kostet das alles? „Dann bauen die Solarbotschafter:innen ihre Netzwerke auf und vermitteln ihr Wissen“, sagt Wolf. Zum Beispiel durch einen Vortrag oder eine lockere Tour zur Besichtigung der Solaranlage auf dem eigenen Dach zu Hause. Dabei muss auch die Art des Vortrags stimmen: griffige Fakten, entspannter Plauderton statt Wissenschaftssprache.

Wer daheim eine Solarparty schmeißen möchte, kann einen Botschafter oder eine Botschafterin über die Website des Projekts einladen. Geld kostet das nicht, alle engagieren sich ehrenamtlich. Wie die Solarparty dann konkret aussieht, entscheiden die Macher:innen selbst, von der kleinen Kaffeerunde bis zur Nachbarschaftsfeier. Manchmal entwickelt sich eine Solarparty tatsächlich zum Fest, erzählt Wolf. Eines eint alle Partys: „Die Hemmschwelle, sich zu informieren, ist viel niedriger, wenn man das in der Nachbarschaft macht.“ Für dieses Konzept hat der SFV 2023 den Preis für Klimakommunikation und den Deutschen Solarpreis gewonnen.

Wie wichtig diese Niederschwelligkeit ist, zeigt eine 2021 veröffentlichte Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: Häuser, die sich in einem engen Radius um ein Haus mit Solaranlage befinden, werden mit höherer Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine Solaranlage auf dem Dach haben. Ausschlaggebend für diese Ballung können soziale Netzwerke, Mundpropaganda oder schlicht der bloße Anblick von Solaranlagen sein: Wenn es bei meiner Nachbarin funktioniert hat, warum nicht auch bei mir? 

Stefan Drozkowski plant gerade seine erste große Solarparty in der Nachbarschaft: im Gemeindehaus der Heilandskirche, dort ist er im Vorstand. Der Ablauf steht: zuerst ein Vortrag, im Anschluss eine Führung zu den Solarmodulen auf dem Dach des Gemeindehauses, zum Wechselrichter, zum Speicher im Keller. Drozkowski kennt die Anlage genau, 2019 hat sich der studierte Elektrotechniker um Planung und Installation gekümmert: „Ich hatte schon immer Bock auf neue Technologien.“ Das Plakat für den Vortrag liegt ausgedruckt vor ihm auf dem Tisch, darauf abgebildet: drei Balkendiagramme, die zeigen, wie schnell sich die Solaranlage des Gemeindehauses auszahlt – neun Jahre dauert es, inklusive Zinsen. Etwas mehr als die Hälfte
des erzeugten Stroms nutzte das Gemeindehaus 2023 selbst. „Sonnenlichternte“ nennt Drozkowski die Solarstromgewinnung auf dem Flyer für seine Party. Er will die Solarparty emotional, griffig, bunt machen, „um etwas zu bewirken“. „Wir Menschen tun uns mit Wandel und Transformation immer schwer“, sagt Drozkowski. „Das habe ich neulich erst bei der Einschulung meiner Enkelin gesehen.“ Man müsse Vertrauen schaffen, um die Angst vor der Veränderung zu nehmen. 

Wir stecken noch in unserer Solarblase. Next Step: Jemand Neues erreichen, der sagt: Das mache ich auch!
Stefan Drozkowski, Solarbotschafter

Bis 2030 sollen in Deutschland Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 215 Gigawatt installiert werden, 30 Prozent des Bruttostromverbrauchs käme dann nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg aus Solarenergie. Das Zwischenziel von 88 Gigawatt installierter Solarleistung, geplant für Ende 2024, wurde bereits im April erreicht. 

Für Alexander Roth vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin ist das kein Grund, sich auszuruhen: „Mit dem Zubau von diesem oder dem vergangenen Jahr (je ca. 15 Gigawatt, Anm. d. Redaktion) würden wir das Ziel für 2030 nicht erreichen. Denn die Zubau-Ziele müssen mit jedem Jahr anwachsen.“ 2025 sollen 18 Gigawatt ans Netz gehen, ab 2026 sogar 22 Gigawatt jährlich. Die Zuwachs-Kurve von Solarenergie muss also steiler werden, der Solarboom weiter anhalten – sowohl auf Freiflächen als auch auf privaten Dächern und Balkonen.

Stefan Drozkowskis Solarparty Anfang Oktober lief gut. Zehn Besucher:innen waren ins Gemeindehaus gekommen, die meisten allerdings ohnehin Überzeugte. Keine kritischen Fragen, keine grundlegenden Zweifel: „Wir stecken noch in unserer Solarblase. Jemand Neues zu erreichen, der sagt ‚Oh toll, das mache ich auch!‘ ist der next step“, sagt Drozkowski. Dafür will er gezielter in die Nachbarschaften Unterhachings gehen, dorthin, wo er weniger Interesse an Solartech vermutet. Die Inforunden sollen noch kleiner, noch privater werden. Denn dass es sich auszahlt, eine Solarparty zu schmeißen, davon ist Drozkowski überzeugt: „Not in my backyard geht einfach nicht mehr.“  

Foto: generiert mit hunch.tools durch das AI-Modell Dall-e 3, bearbeitet von Grafik Good Impact

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Mona Gnan

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