Naturschutz

Warum Handys im Urwald hängen

Wer die Natur schützen will, muss sie erst einmal verstehen. Welche Tiere sind überhaupt bedroht, welche Gebiete einmalige Ökosysteme, die bewahrt werden müssen? Früher haben Forscher versucht, solche Fragen in langwieriger Feld- und mit viel Handarbeit zu beantworten. Heute können sie dafür auf eine Reihe technischer Innovationen zurückgreifen. Dabei gibt es nicht nur bei Technologien wie Ultraschall oder der GPS-Ortung von Tieren spannende Innovationen. Auch Handys an Bäumen oder Drohnen über dem Regenwald nehmen inzwischen eine aktive Rolle im Naturschutz ein

Ein Summen im Urwald

Wer künftig im Regenwald alte Handys an Bäumen kleben sieht: bitte hängen lassen. Denn die Telefone sollen illegale Rodung verhindern. Die Idee dazu hatte 2014 der US-Ingenieur Topher White. Eine Software auf den Handys analysiert die Umgebungsgeräusche. Bei bestimmten Mustern wie lauten Motoren, Lärm von Kettensägen oder auch Schüssen schlägt die Anwendung Alarm. So konnte auf Sumatra bereits in der Testphase illegale Abholzung gestoppt werden, inzwischen wird das System auch in Indonesien, dem Amazonas und Afrika eingesetzt.

Auch das Summen kleiner Rotoren gehört zwar wie Kettensägen eigentlich nicht in den Regenwald – deswegen muss aber niemand Alarm schlagen. Denn Umweltschützer setzen inzwischen immer mehr auf Drohnen, um illegale Rodungen nachzuweisen, Schädlingsbefall zu verfolgen oder einen Überblick über Brand- und Sturmschäden zu bekommen. Das Krefelder Unternehmen OpenForests etwa hilft mit hochauflösenden Luftaufnahmen, Schutzgebiete in Kolumbien oder Peru zu überwachen. Das geht nicht nur schneller als mit Satellitenbildern, sondern ist auch genauer und meist sogar billiger.

Neueste Entwicklungen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Start-ups wie die britische Firma BioCarbon Engineering pflanzen mit Drohnen auch Bäume. Dafür lassen die Fluggeräte einfach aus der Luft die Samen fallen – gezielt auf jene Gebiete, wo es am sinnvollsten und vielversprechendsten ist. So erreicht man auch schwer zugängliche Regionen wie Berge, zudem sei die Aufforstung aus der Luft laut BioCarbon Engineering zehnmal schneller als das händische Vorgehen: Innerhalb von 15 Minuten werde so bequem die Fläche eines Fußballfeldes bepflanzt.

Thunfisch auf Sendung

Der Blauflossenthunfisch ist zurück! In den 1970ern verschwand er wegen Überfischung aus der Nordsee, seit ein paar Jahren wird der Raubfisch aber dort wieder vermehrt gesichtet. Doch warum helfen Umweltschützer und Forscher dann seit dem vergangenen Jahr zwei Sportfischern, 40 der bedrohten Tiere aus dem Wasser zu ziehen? Die Antwort ist: Telemetrie, also Fernmessung. Dabei werden Tiere kurzzeitig gefangen, um sie mit Sendern auszustatten. Damit sind Wissenschaftler und Tierschützer in der Lage, beispielsweise Wanderbewegungen mittels Satelliten zu überwachen – so auch bei den Blauflossenthunfischen. Die neuartigen Sensoren können aber noch mehr: Sie liefern inzwischen Daten zu Routen, Schwimmtiefe, Lichtverhältnissen und Wassertemperatur. Die Forscher erhoffen sich so Informationen darüber, wieso die Tiere überhaupt zurückkehren und unter welchen Bedingungen sie sich weiter verbreiten können.

„Wenn wir die Gründe für ihre Rückkehr verstehen, können wir hoffentlich Faktoren identifizieren, die ermöglichen, dass sie auch zukünftig kommen“, sagt Andreas Sundelöf von der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften. Eine Maßnahme wäre dann zum Beispiel, mögliche Laich- und Nahrungsgründe gezielt zu schützen.

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Eingeschränkter ist der Einsatz der Sender allerdings noch bei Vögel- und Säugetieren. Von ihnen können laut Max-Planck-Institut für Ornithologie bis heute nur etwa ein Drittel der Arten mit den Geräten ausgestattet werden. Um das Verhalten der Tiere nicht negativ zu beeinflussen, dürfen die Sensoren nämlich nicht mehr als fünf Prozent des Körpergewichts ausmachen. Für das internationale Tierbeobachtungsprojekt Icarus haben die Max-Planck-Wissenschaftler deswegen in den letzten beiden Jahren eigens Geräte entwickelt, die lediglich fünf Gramm wiegen. Und es ist noch mehr Minimalismus geplant: In Zukunft soll es sogar möglich werden, Insekten zu beobachten und so Vorhersagen zu treffen, wo beispielsweise Heuschreckenschwärme in Afrika auftreten werden.

Verfolgungsjagd im Netz

Wer noch im letzten Jahr durch Einkaufsstraßen in China spazieren ging, konnte dort problemlos und völlig legal Schmuck oder Kunst aus Elfenbein kaufen. Das Land ist nämlich der größte Markt für die weißen Waren, wegen der Wilderer jedes Jahr 20.000 Elefanten töten. Zwar hat die chinesische Regierung Ende 2017 erste Schritte gegen den Elfenbeinhandel unternommen und sämtliche legale Verkaufsstellen für Produkte aus den Stoßzähnen geschlossen. Doch das Problem ist ein globales, und Elfenbein nur ein illegales Produkt von bedrohten Arten unter vielen. Hinzu kommen – lebend, als Trophäen oder zu Produkten verarbeitet – unzählige Nashörner, Schlangen, Großkatzen, seltene Pflanzen – oder Schuppentiere, von denen jährlich über 100.000 Exemplare illegal gehandelt werden. Je stärker auch Staaten wie China gegen diese Wildtierkriminalität vorgehen, desto mehr wächst allerdings die Gefahr, dass sich das Geschäft ganz einfach ins Internet verlagert.

Um das zu verhindern, hat sich im März 2018 die „Globale Koalition gegen den illegalen Online-Artenhandel“ gegründet. Initiiert vom WWF und Google zählen inzwischen 21 Internetfirmen zu der digitalen Allianz, darunter Ebay, Facebook, Google und einige bedeutende chinesische Firmen wie Alibaba oder Baidu. Zwar filtern die Unternehmen schon länger über bestimmte Suchbegriffe verbotene Angebote raus und löschen diese. Doch meist tauchen die Anzeigen nur Minuten später an anderer Stelle auf. Die Internetfirmen wollen deswegen ihr Vorgehen gegen den Handel mit bedrohten Arten stärker koordinieren. Das Ziel der Gruppe: Innerhalb von zwei Jahren den verbotenen Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen im Netz um 80 Prozent zu senken.

Warnung für Schweinswale

Hering, Dorsch und Scholle gehören zur Ostsee – und zum dortigen Urlaub – wie feinster Sand und Strandkörbe. Kaum jemand will am Meer auf ein Fischbrötchen oder -filet verzichten. Aber die Methode, mit der die Tiere gefangen werden, ist problematisch. Denn in den sogenannten Stellnetzen verfangen sich nicht nur die Speisefische – sondern auch andere Tiere, die Jagd auf sie machen, insbesondere Schweinswale. Sie sind die einzige Walart, die noch ganzjährig an deutschen Küsten anzutreffen ist. Oft verfangen sie sich in den Stellnetzen und ertrinken. Denn wie andere Wale auch müssen sie regelmäßig zum Atmen an die Wasseroberfläche. In Nord- und Ostsee verenden so jährlich tausende Schweinswale als Beifang. Und ihren Verwandten in größeren Ozeanen geht es ähnlich: weltweit sterben laut Schätzungen von Greenpeace und WWF bis zu 350.000 Delfine und Wale, weil sie in Netze gehen, die für andere Tiere gedacht waren.

Um Fische und Meeressäuger vor den gefährlichen Netzen besser zu schützen, werden schon seit Jahren sogenannte Pinger eingesetzt. Das sind kleine Geräte, die stoßweise Ultraschall-Signale senden und damit die Tiere fernhalten. Das zeigt zwar starke Wirkung, ist jedoch oft auch eine Lärmbelastung für die Meeresbewohner und kann diese sogar aus ihren natürlichen Lebensräumen vertreiben. Abhilfe schaffen sollen neue Geräte wie der 2016 in Schleswig-Holstein entwickelte „Porpoise Alert“. Das System imitiert die natürlichen Schallwellen von Schweinswalen, was auch die Echoortungsaktivität der Tiere selbst erhöht. So haben Testversuche des an der Entwicklung beteiligten Thünen-Instituts für Ostseefischerei gezeigt, dass sich mit dem Porpoise Alert der ungewollte Beifang von Schweinswalen um 80 Prozent reduzieren lasse. Bevor die Geräte breitflächig zum Einsatz kommen, wollen die Forscher aktuell aber noch den Einfluss der Warngeräte auf andere Tierarten untersuchen.

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Titelbild: Hermes Rivera/Unsplash

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