Das ist das Problem:
Deutsche Großstädte sind voll mit Autos – und es werden immer mehr. Statistisch gesehen besitzt mehr als jede:r zweite Deutsche einen Pkw. Doch eine Autofahrt stößt im Durchschnitt mehr als doppelt so viele umweltschädliche Treibhausgase pro Person aus wie eine Fahrt mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Aber der ist teuer: In Berlin, Hamburg und München kostet ein Tagesticket zwischen 7,90 Euro und 8,80 Euro – wodurch das Auto gerade bei kurzen Strecken günstiger scheint.
Neben einer generellen Vorliebe vieler für das Auto sind laut einer Umfrage des ADAC von 2017 die Ticketpreise das größte Hindernis: 75 Prozent der umsteigewilligen Autofahrer:innen könnten sich andernfalls vorstellen, den ÖPNV zu nutzen. Ein weiteres Problem: Die Preise sind sozial ungerecht. Nicht jede:r kann sie sich leisten.
Das ist der Impuls:
Luxemburg führte 2020 als erstes Land der Welt kostenlosen ÖPNV für alle ein. In Estlands Hauptstadt Tallinn fahren Einwohner:innen seit 2013 kostenfrei. Finanziert wird das in beiden Fällen durch Steuereinnahmen, wobei Tallinn sogar Gewinn macht: Rund 30.000 Menschen haben sich neu in der Stadt angemeldet. Die meisten von ihnen lebten zwar bereits dort, waren aber noch anderswo registriert. Auch in Deutschland gibt es bereits Städte mit Vorreiterrolle. So ist etwa im bayerischen Pfaffenhofen der Stadtbus seit 2018 kostenlos, wodurch innerhalb eines Jahres täglich dreimal so viele Menschen das Angebot nutzten. Als erste und bisher einzige deutsche Großstadt führte Augsburg Anfang 2020 die kostenlose City-Zone ein.
Das ist die Lösung:
Schon jetzt ist es zu Stoßzeiten häufig voll in Bussen und Bahnen. Zusätzlich zum kostenlosen ÖPNV bräuchte es also mehr Fahrzeuge, mehr Busspuren und eine höhere Taktung inklusive regelmäßiger Wartungen, um Störungen und Ausfälle zu vermeiden.
Die Erfahrungen in Pfaffenhofen und Tallinn zeigen außerdem: Ein kostenloser ÖPNV reicht nicht aus, um die Zahl der Autos in der Stadt dauerhaft zu senken. Es muss nicht nur der ÖPNV attraktiver, sondern auch das Auto unattraktiver werden. Ideen dafür gibt es reichlich: hohe Parkgebühren in den Innenstädten, die gleichzeitig zur Finanzierung des kostenfreien ÖPNV beitragen, sinnvolle Park-&-Ride-Angebote, um auch Randbezirke anzuschließen, einfache Kombi-Möglichkeiten des ÖPNV mit Fahrrädern, Sammeltaxis, Scootern und Carsharing oder schlicht weniger Platz für Autos in der Stadt – durch breitere Fahrradwege, Fußgängerzonen oder Busspuren. In Berlin reichte die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ im Februar 2021 einen Gesetzesentwurf für deutlich weniger Autoverkehr im Innenstadtbereich ein und stellte im August mit mehr als 50.000 Unterschriften den Antrag auf ein Volksbegehren.
Mobilität ist einer der wichtigsten Hebel im Kampf gegen die Klimakrise – und diese nicht aufzuhalten wird deutlich mehr kosten, als es der ÖPNV jemals könnte. Kurzfristig wären günstige, wenn auch nicht vollständig kostenlose Tickets denkbar. Wie etwa in Österreich: In Wien kostet ein Jahresticket für Bus und Bahn nur 365 Euro. Und seit Oktober gibt es mit dem Klimaticket für 1.095 Euro sogar eine Jahreskarte für Fahrten in ganz Österreich.
Warten auf die Bahn: Volle Züge zu den Stoßzeiten, Ausfälle und teure Fahrtickets schrecken viele Autofahrer:innen vom Umstieg in den ÖPNV ab.